KI-Forschung

Eine Umfrage unter 2.778 KI-Forschenden zeigt die Zerrissenheit der Wissenschaft

Matthias Bastian
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Die "2023 Expert Survey on Progress in AI" zeigt, dass es auch in der Wissenschaft keinen Konsens über Gefahren und Chancen von KI gibt. Außer: Alles wird schneller.

Bei der viel diskutierten Frage, ob die Entwicklung von KI eine Pause benötigt, zeigt sich auch in dieser Umfrage ein unentschiedenes Bild: Jeweils rund 35 Prozent sprechen sich für eine langsamere oder schnellere Entwicklung im Vergleich zum heutigen Tempo aus.

Mit 15,6 Prozent ist die Fraktion der "Schnellen" jedoch dreimal so groß wie die der "Langsamen". 27 Prozent halten das derzeitige Tempo für angemessen.

Bild: Grace et al.

KI-Entwicklung soll sich weiter beschleunigen

In jedem Fall wird sich der Fortschritt der KI laut Umfrage weiter beschleunigen. Die Gesamtprognose ergab eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent, dass KI-Systeme bis 2028 mehrere Meilensteine erreichen werden, viele deutlich früher als bisher angenommen.

Dazu gehören die autonome Erstellung einer Website für die Zahlungsabwicklung von Grund auf, die Erstellung eines Liedes, das nicht von einem neuen Lied eines bekannten Musikers zu unterscheiden ist, und das autonome Herunterladen und Verfeinern eines umfangreichen Sprachmodells.

Ein fiktionaler New York Times-Bestseller soll um das Jahr 2030 von KI geschrieben werden. In der letzten Umfrage lag die Schätzung hier noch bei ca. 2038.

Bild: Grace et al.

Auch die Antworten auf die Fragen nach der "hohen maschinellen Intelligenz" (HLMI) und der "vollständigen Automatisierung der Arbeit" (FAOL) fielen zum Teil sehr unterschiedlich aus, aber die Gesamtprognose für beide Fragen deutet auf ein deutlich früheres Eintreten als zuletzt erwartet hin.

Bei ungebremstem wissenschaftlichen Fortschritt wird die Wahrscheinlichkeit, dass Maschinen den Menschen in allen möglichen Aufgaben ohne fremde Hilfe übertreffen, bis 2027 auf 10 Prozent und bis 2047 auf 50 Prozent geschätzt. Diese Schätzung liegt 13 Jahre vor einer ähnlichen Umfrage, die nur ein Jahr zuvor durchgeführt wurde.

Bild: Grace et al.

Die Wahrscheinlichkeit, dass alle menschlichen Berufe vollständig automatisiert werden können, wurde auf 10 Prozent im Jahr 2037 und auf 50 Prozent im Jahr 2116 geschätzt (gegenüber 2164 in der Umfrage von 2022).

Bild: Grace et al.

Existenzielle Ängste gibt es auch in der KI-Wissenschaft, aber sie werden moderater

Große Hoffnungen und düstere Befürchtungen liegen bei den Teilnehmern oft dicht beieinander. Mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) erwartet positive oder sogar sehr positive (23 Prozent) Auswirkungen von KI auf die Menschheit.

Demgegenüber sehen 27 Prozent der Befragten eher negative Auswirkungen von menschenähnlicher KI. Neun Prozent erwarten extrem negative Auswirkungen, darunter die Auslöschung der Menschheit. Im Vergleich zu den Vorjahresbefragungen zeigt sich, dass die Extrempositionen leicht verloren haben.

Bild: Grace et al.

Während 68,3 Prozent der Befragten gute Folgen einer möglichen übermenschlichen KI für wahrscheinlicher halten als schlechte, geben 48 Prozent dieser Netto-Optimisten eine Wahrscheinlichkeit von mindestens fünf Prozent für extrem schlechte Folgen wie die Auslöschung der Menschheit an. Umgekehrt gaben 59 Prozent der Nettopessimisten eine Wahrscheinlichkeit von 5 Prozent oder mehr für extrem gute Folgen an.

Bild: Grace et al.

Bei den Einzelrisiken werden Desinformation und Deepfakes als besonders bedrohlich eingestuft. Damit verbunden sind Massenmanipulation und KI-gestützte Bevölkerungskontrolle durch autoritäre Herrscher. Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt werden im Vergleich dazu als weniger riskant eingeschätzt.

Bild: Grace et al.

In jedem Fall bestand ein breiter Konsens (70 Prozent) darüber, dass der Forschung zur Minimierung potenzieller Risiken von KI-Systemen eine höhere Priorität eingeräumt werden sollte.

Die Umfrage basiert auf den Antworten von 2.778 Teilnehmern von sechs führenden KI-Konferenzen. Sie wurde im Oktober 2023 durchgeführt und ist nach Angaben der Initiatoren die größte ihrer Art. Im Vergleich zum Vorjahr wurden mehr als dreimal so viele Teilnehmer befragt.

Quellen: