Der niederländische Fotograf Bas Uterwijk füttert eine KI mit Kunstporträts historischer Figuren und generiert daraus lebensecht wirkende Fotos von Menschen längst vergangener Epochen.
Was haben Mona Lisa, Napoleon oder Jesus von Nazaret gemein? Richtig: Sie lebten vor Jahrhunderten und Jahrtausenden. Wie sie aussahen und wirkten, das wissen wir nur aus Schriften und (Fantasie-)Porträts. Bas Uterwijk will diese Menschen mit Künstlicher Intelligenz in die Gegenwart holen.
Sein Werkzeug ist das KI-Webtool Artbreeder (ehemals Ganbreeder), in das er in einem ersten Schritt Porträts hochlädt. Sogenannte Generative Adversarial Networks (Entstehung & Entwicklung) erschaffen daraus lebensechte Antlitze. Als Trainingsgrundlage der KI dient eine riesige Datenbank menschlicher Gesichter.
Doch damit fängt die Arbeit erst an: In sich wiederholenden Arbeitsschritten nimmt Uterwijk Feinjustierungen an den KI-Resultaten vor, speist weitere Porträts ein, kreuzt die Ergebnisse visuell und bearbeitet das KI-Produkt manuell nach, indem er Details wie die Augenfarbe und Kleidung ergänzt.
Mit diesem Verfahren erweckt der Fotograf selbst Skulpturen wie die Freiheitsstatue und Michelangelos David zum Leben. Das Ergebnis seiner Arbeit präsentiert er auf Instagram.
KI-Rekonstruktion: Inspiration statt Automatismus
Seine Beschäftigung mit KI-basierter Bildgenerierung begann mit einer Rekonstruktion des Revolverhelden Billy the Kid. Er nahm das einzige überlieferte Foto des Gesetzlosen und rekonstruierte dessen Gesicht mit Hilfe künstlicher neuronaler Netze. Das Ergebnis beeindruckt.
Wie lange Uterwijk an einem Bild arbeitet, hängt vom Ausgangsmaterial ab. Für Van Gogh verwendete er eine Reihe von Selbstporträts sowie eines der seltenen Fotos, das den 19-jährigen Künstlers zeigt. Ein ganzes Jahr arbeitete Uterwijk an dem KI-generierten Bild.
Rekonstruktion oder Fantasie?
Historische Akkuratheit beansprucht der Fotograf nicht. Er bezeichnet seine Kreationen als "künstlerische Interpretationen".
Die Bescheidenheit ist vielleicht unangebracht, schließlich führt er auch nur fort, was andere Künstler vor ihm taten. Wie Mona Lisa, Napoleon und Jesus von Nazaret wirklich aussahen, das wussten nur seine Zeitgenossen. Und dennoch könnten die KI-Erzeugnisse, wie die gemalten Porträts, dereinst die Vorstellung historischer Figuren prägen.
Der russische KI-Tüftler Denis Shiryaev geht noch einen Schritt weiter und haucht längst verstorbenen berühmten Menschen per KI Leben ein. Aus Fotos und Porträts werden animierte Figuren, die lächeln oder mit den Augen blinzeln.
Weil die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, sind die Resultate nicht perfekt. Uterwijk glaubt, dass diese und ähnliche Methoden der KI-Rekonstruktion sich rasch weiterentwickeln und in ein paar Jahren beeindruckende Ergebnisse abliefern werden. "Die Technik entwickelt sich so schnell, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten", sagt Uterwijk.
Im KI-Zeitalter verlieren Bilder ihre Beweiskraft
"Künstliche Intelligenz wird Auswirkungen auf so ziemlich jeden Aspekt der Gesellschaft haben. Nach Erfindung der Fotografie ist KI die nächste große Technologie, mit der wir uns und unsere Umgebung darstellen. Künstliche neuronale Netze bringen den Realismus der Fotografie und unsere Vorstellungskraft näher zusammen", sagt Uterwijk.
Und wie steht es um die Frage nach der Echtheit der KI-Erzeugnisse?
"Natürlich müssen wir neu bewerten, welche Wahrheit und Authentizität wir Bildern zumessen. Virtuelle Avatare werden nur schwer von echten Personen zu unterscheiden sein und Fake News werden zunehmen, bis jede und jeder versteht, dass Fotos und Video nicht mehr die Beweiskraft haben, die sie einst hatten."
Quellen: Bas Uterwijk, Utwerwijks Instagram (GANBrood), Artbreeder, Yahoo News, Designboom, Napoleon.org, Titelbild: Vincent van Gogh, Selbstbildnis (1889) / Bas Uterwijk