Dokumente erstellen mit generativer KI: Copilot, ChatGPT, Claude und Gemini im Vergleich

Ob Geschäftsbrief, Protokoll oder Konzept: Generative KI verspricht schnellere und einfachere Textarbeit. Doch wie gut klappt das mit Copilot, ChatGPT, Claude und Gemini wirklich? Der Vergleich zeigt Stärken, Schwächen und Unterschiede im Arbeitsalltag. In den vergangenen zwei Jahren haben die klassischen Office-Anbieter ihre Suites mit KI-Funktionen aufgerüstet, während OpenAI und Anthropic mit eigenständigen Chat-Oberflächen versuchen, sich als Werkzeug für Wissensarbeit durchzusetzen. Die Versprechen sind überall ähnlich: Texte, Protokolle oder Moderationsunterlagen sollen sich in Minuten erzeugen lassen. Im Alltag zeigt sich aber, dass es nicht auf „KI kann schreiben“ ankommt, sondern auf drei deutlich banalere Fragen: Kommt das System zuverlässig an die richtigen Referenzen? Kann ich die Ausgabe ohne Reibungsverluste in mein Dokument überführen? Und habe ich Kontrolle über Qualität, Stil und Faktentreue? Für diesen Praxistest haben wir vier zentrale Anbieter betrachtet: Microsoft Copilot, Google Gemini for Workspace, OpenAI ChatGPT und Anthropic Claude. In diesem Artikel widmen wir uns dem Thema Dokumente, in den folgenden dann E-Mail, Präsentationen und Tabellen. Vier Anbieter, vier verschiedene Ansätze zur Dokumentenerstellung Microsoft Copilot setzt auf tiefe Integration in Word und bietet drei Zugangsformen: einen Inline-Chat direkt im Dokument, ein Seitenpanel sowie die separate Microsoft-365-Copilot-App. Der erkennbare strategische Vorteil liegt in der Nähe zu den Microsoft-Datenquellen: Inhalte aus SharePoint und OneDrive lassen sich in der Regel ohne Medienbruch anhängen und als Arbeitsgrundlage nutzen. Google Gemini for Workspace folgt prinzipiell demselben Integrationsgedanken, nur eben in Google Docs. Auch hier gibt es ein Seitenpanel in den jeweiligen Apps sowie die eigenständige Gemini-App als Chat-Oberfläche, die sich mit Workspace-Daten verbinden lässt. Seit Januar 2025 sind die Gemini-Funktionen in Business- und Enterprise-Plänen enthalten, ein separates Add-on ist im Normalfall nicht mehr nötig. [caption id="attachment_47754" align="alignnone" width="1200"] Microsofts Copilot ist in die meisten Office-Apps integriert und nutzt den Microsoft Graph. Google folgt einem ähnlichen Muster.[/caption] Die Konkurrenten OpenAI ChatGPT und Anthropic Claude setzen dagegen auf eigenständige Chat-Apps. ChatGPT bietet mit Canvas eine Oberfläche, in der längere Texte kollaborativ bearbeitet werden können, ohne ständig in den Chat zurückspringen zu müssen. Zentral ist bei OpenAI die Modellkontrolle: In ChatGPT gibt es einen Modellpicker mit GPT-5.1 Instant als Standard, GPT-5.1 Thinking für tieferes Reasoning und – je nach Tarif – GPT-5.1 Pro; „Auto“ routet dynamisch zwischen Instant und Thinking. Legacy-Modelle wie GPT-4o bleiben für viele Nutzer weiterhin auswählbar, spielen aber im Default-Workflow keine Rolle mehr. Claude arbeitet ebenfalls in einer eigenen App und hat mit „Artefakten“ ein hervorragendes Preview-Paradigma für längere Ausgaben: Text, Tabellen oder Präsentationsentwürfe werden als eigenes Dokumentfenster erzeugt und lassen sich dort schneller iterieren als im reinen Chat. https://www.youtube.com/watch?v=iSn77jvjojA Anthropic bietet mehrere Modellgrößen; in der Praxis ist Claude Sonnet 4.5 das Allround-Modell, Opus der größere, teurere Bruder und Haiku die schnelle, leichtere Variante. Sonnet 4.5 ist offiziell als besonders stark in Reasoning und Code- beziehungsweise Tool-Nutzung positioniert, was sich auch in Office-Use-Cases bemerkbar machen kann. [caption id="attachment_47759" align="alignnone" width="1200"] Alle Tools haben ihre Vor- und Nachteile.[/caption] Unser Testdesign: Realitätsnahe Dokumentenerstellung Für den Test wurde ein typisches Szenario entwickelt: die Erstellung eines strukturierten Moderationsdokuments, basierend auf vorhandenen Referenzmaterialien. Das Dokument sollte eine klare Gliederung, ausformulierte Vortragsnotizen und eine detaillierte Ablaufplanung enthalten – eine alltägliche Aufgabe in vielen Büros. Besonders wichtig war dabei die Kontextverarbeitung: Wie gut können die verschiedenen Systeme vorhandene PDFs, Tabellen oder andere Dokumente als Grundlage für neue Texte nutzen? Denn ohne solide Grounding-Daten erzeugen alle Modelle plausible, aber im Zweifel frei erfundene Inhalte. Genau hier trennt sich im Alltag Nutzen von KI-Slop ("Kosename" für minderwertige KI-Inhalte). [caption id="attachment_47760" align="alignnone" width="1200"] Je nach Tool gibt es die Outputs direkt in Word, Docs oder als Dateidownload. Alternativ auch in Canvas oder Artefakt.[/caption] Microsoft Copilot: Runde Integration trifft auf schwankende Qualität In der Praxis zeigt Microsoft Copilot seine größten Stärken bei der direkten Arbeit in Word. Der Inline-Chat über den Dokumentenrand tut, was er soll: Nutzer können SharePoint- oder OneDrive-Dokumente direkt anhängen, einen Prompt eingeben und zusehen, wie Copilot das Dokument weitestgehend live ausfüllt. Diese nahtlose Integration kann eine echte Erleichterung und Unterstützung sein. [caption id="attachment_47758" align="alignnone" width="1200"] In Copilot lassen sich Dateien direkt im Inline-Chat auswählen.[/caption] Der Editor-Workflow über das Stift-Symbol, das beim Markieren von Text erscheint, ist praktisch. Die verfügbaren Optionen – „automatisch umschreiben“, „aktualisieren und Formatierung beibehalten“, „strukturieren und verfeinern“, „kürzen“, „formalisieren“ oder „als Tabelle visualisieren“ – decken die meisten Bearbeitungsanforderungen ab. Es ist aber auch möglich, selbst mit eigenen Prompts nachzuschärfen. In der Formatierung ist Copilot in Word derzeit das rundeste System. Überschriften, Hierarchien und Aufzählungen passen meistens sauber in die Word-Formatvorlagen. Man bekommt also ein Dokument, das nicht nur inhaltlich brauchbar ist, sondern auch sofort wie ein Word-Dokument aussieht. Genau das spart im standardisierten Reporting oder bei Protokollen wirkliche Zeit. Die Kehrseite ist weniger sichtbar, aber im Test konstant spürbar: Copilot agiert als Blackbox. Microsoft sagt selbst, dass Copilot-Erfahrungen je nach Kapazität und Orchestrierung variieren können. In der Praxis wirkt das so, als würde Copilot mitten in längeren Sessions „anderes Denken“ an den Tag legen: Abschnitte werden plötzlich flacher, stilistisch inkonsistent oder weniger präzise. Da Word im Inline-Chat keine Modellwahl anbietet, hat man keine Handhabe dagegen. Wenn man einen längeren Text iteriert und auf verlässliche Qualität angewiesen ist, verursacht das Frust. Wer dagegen im Copilot-Chat arbeitet, kann explizit GPT-5 aktivieren. Der neue Agent Mode in Word ist seit Herbst 2025 der Versuch von Microsoft, den bisherigen Copilot-Chat in Word von einem reinen „Text vorschlagen“-Assistenten zu einem echten dokumentnahen Arbeitsagenten aufzurüsten: Statt, dass Copilot nur Absatzentwürfe liefert, kann er im Agent Mode mehrstufige Aufgaben direkt am geöffneten Dokument ausführen – also Inhalte umstrukturieren, Abschnitte ergänzen, Formatierung anhand der Word-Styles anpassen und dabei im Verlauf Rückfragen stellen, wenn Kontext fehlt. Technisch hängt das an Microsofts „Work IQ“-Schicht, also der internen Orchestrierung, die Zugriff auf M365-Daten (Dateien, Mails, Meetings etc.) und auf die Copilot-Reasoning-Pipelines gibt. Der praktische Effekt ist ein dialogischer Workflow, bei dem Copilot Änderungen vorschlägt und im Dokument selbst umsetzt. Der Modus wird schrittweise ausgerollt und ist aktuell an Copilot-Premium-Lizenzen sowie teils an Insider-/Frontier-Kanäle gekoppelt. Zum Zeitpunkt unseres Tests war er noch nicht verfügbar. Der Agent Mode verändert vor allem den Arbeitsablauf: Statt Copy-Paste arbeitet man direkt im Dokument. Das zentrale Problem bleibt aber bestehen: Anders als im Excel-Agent-Mode gibt es in Word keinen sichtbaren Schalter, mit dem man zwischen verschiedenen KI-Modellen (OpenAI oder Anthropic) wählen kann. Microsoft entscheidet im Hintergrund, welches Modell zum Einsatz kommt; eine Blackbox für die Nutzenden. Google Gemini: Großes Potenzial, instabile Ausführung Auch Gemini ist über die frühe Gemini-App hinaus in die einzelnen Office-Anwendungen gewandert. Wie in Word, gibt es in Google Docs zwei Arbeitsmodi: den Inline-Modus „Help me write“ und das seitliche Gemini-Panel. Inline taucht Gemini direkt an der Cursor-Position im Dokument auf. Man klickt „Help me write“, beschreibt kurz, was entstehen soll, und bekommt einen Entwurf genau dort eingefügt, wo man steht. Danach kann man denselben Block unmittelbar weiter verfeinern, etwa umformulieren oder verlängern, ohne die Dokumentoberfläche zu verlassen. [caption id="attachment_47765" align="alignnone" width="1103"] Im Inline-Chat lassen sich Inhalte des Dokuments verarbeiten, aber keine externen als Daten referenzieren.[/caption] Das fühlt sich im Alltag ähnlich an wie Copilot Inline in Word, weil Text nicht erst als Chat-Output in einem Tool landet, sondern an Ort und Stelle entsteht und sich in den Doc-Flow einbettet. Ein wichtiger Unterschied: Im Inline-Chat lassen sich keine Dateien aus dem Drive laden. [caption id="attachment_47764" align="alignnone" width="826"] Das Ergebnis ist in einer Vorschau sichtbar und lässt sich wie bei Copilot über Vorlagen oder einen zusätzlichen Prompt anpassen.[/caption] Das Side-Panel ist dagegen eher der Kontext- und Iterationsraum. Es kann den aktuellen Doc-Inhalt zusammenfassen, umschreiben, strukturieren und einzelne Abschnitte neu erzeugen, ohne dass man Tabs wechseln muss. Über das Panel lassen sich zudem Drive-Dateien als zusätzliche Referenzen heranziehen – über Auswahl/Suche oder per @-Verweis – und die Ergebnisse dann per „Insert“ in den Doc übernehmen. Dabei wird allerdings die komplette Chatbot-Ausgabe kopiert, also auch eventuelle Introsätze des Modells wie “Hier eine ausführliche Webinar-Struktur”. In der Theorie ergibt das dennoch einen runden Workflow: Entwurf und Bearbeitung Inline, Kontext-Nachschärfung im Panel, dann direkt zurück ins Dokument. [caption id="attachment_47766" align="alignnone" width="719"] Im Seitenpanel lassen sich Daten direkt aus der Cloud als Kontext auswählen.[/caption] Warum haben wir trotzdem zuerst die Gemini-App getestet? Der Gedanke war, sie als zentrales Hub zu verwenden – als eine Art Steuerstand, von dem aus man Referenzen in Drive oder Gmail findet, Material zusammenzieht und dann ein Dokument entwerfen lässt, bevor man es aus dem System zieht und an anderer Stelle einsetzt. Genau dafür ist die App auch gebaut: Sie kann Workspace-Quellen anbinden, Dateien lesen, sehr große Kontexte verarbeiten und daraus Texte generieren. In unserem Test war dieses Lesen und Auffinden von Material aus Drive tatsächlich der stärkere Teil von Gemini – zumindest, wenn man klar beschreibt, wo etwas liegt, zieht die App die Inhalte meist zuverlässig in den Kontext. Gleichzeitig zeigte sich aber früh die Grenze dieses Hub-Ansatzes: Die App hat keinen durchgängigen Schreibzugriff auf bestehende Docs, sondern produziert Output im Chatfenster, den man manuell übertragen muss oder als Daten exportieren kann. Damit landet man bei jeder echten Iteration schnell in Copy-Paste-Schleifen, was den Hub-Vorteil sofort relativiert. Zudem lassen sich Dateien anders als im Seitenpanel nicht gezielt auswählen, nur Quellen wie Mails, Drive oder Docs. [caption id="attachment_47767" align="alignnone" width="883"] In der Gemini-App lassen sich Workspace-Apps anbinden, aber keine einzelnen Dateien. Man ist also auf darauf angewiesen, dass die Suche funktioniert.[/caption] Ein zweiter, noch gravierenderer Punkt, der speziell die Hub-Idee untergräbt, ist der Verlust von Chat-Outputs in der Gemini-App. Im Test verschwanden ganze Verläufe. Das ist nicht nur irritierend, sondern praktisch riskant: Wenn die App als zentraler Arbeitsraum dienen soll, in dem man Kontexte sammelt und Entwürfe über längere Zeit verfeinert, dann braucht man Persistenz. Fehlt die, kann ein relevanter Teil des Arbeitsfortschritts schlicht weg sein – und weil die App keinen direkten Write-Back ins Dokument hat, existiert dann auch kein „Backup“ im Zielartefakt. Genau deshalb führt der produktive Weg in der Regel zurück in Docs selbst: Inline und Side-Panel sparen Übertragungsarbeit und sorgen dafür, dass wichtige Zwischenstände sofort im Dokument landen. In der Praxis heißt das: Gemini als Hub ist gut, wenn man Material sichtet, große Quellenmengen destilliert und eine erste Rohstruktur erzeugt. Sobald es um echtes Co-Writing im Dokument geht, ist Docs mit Inline-„Help me write“ und Side-Panel die deutlich effizientere Oberfläche, einfach weil man weniger kopieren muss und Zwischenstände automatisch im Doc verankert sind. Der Haken bleibt die Zuverlässigkeit. Auch innerhalb von Docs wirkt Gemini nicht immer stabil; Funktionen benötigen gelegentlich einen zweiten Anlauf. Dazu kommt, dass Gemini beim Schreiben zwar schnell und oft stilistisch sauber ist, aber faktensensible Stellen nur dann wirklich sicher bleiben, wenn Referenzen sehr explizit festgenagelt werden. In unserem Beispiel halluzinierte das Modell Beispiele mit nicht in den Referenzen enthaltenen – und vor allem veralteten – Claude-Modellen. Solche temporalen Halluzinationen sind ein Problem, mit dem auch das neue Gemini 3 Pro (Preview) noch zu kämpfen hat. Insgesamt bleibt Gemini damit ein Werkzeug mit starker Modellbasis und gutem Docs-Workflow-Design, dessen Nutzen im Alltag noch zu oft durch Instabilität begrenzt wird. ChatGPT: Inhaltlich stark mit Workflow-Problemen ChatGPT lieferte im Test starke Rohtexte. Gliederung, Übergänge und Argumentationslogik waren durchgehend stabiler als bei der Suite-Integration von Microsoft. Der Hauptgrund ist die offene Modellsteuerung: Man kann je nach Aufgabe zwischen einem schnellen Standardmodus und einem expliziten Reasoning-Modus wechseln. Damit lässt sich sehr gezielt entscheiden, ob ein Dokument eher zügig „gut genug“ werden soll oder ob analytische Tiefe Priorität hat. Diese Steuerung muss aber explizit vorgenommen werden, sonst übernimmt in der Standardeinstellung “Auto” das automatische Routing, bei dem ein Router-Modell entscheidet, welches Modell die Anfrage bearbeitet. Möglicherweise spielt auch das von Microsoft implementierte System-Prompting (die Anweisungen an den Copilot-Chatbot) eine Rolle in der geringeren Ausgabequalität. [caption id="attachment_47768" align="alignnone" width="930"] In ChatGPT lassen sich Daten aus Quellen anbinden und der Canvas-Modus öffnen.[/caption] Eine Alternative zum Inline-Chat-Feature der anderen Anbieter ist Canvas. Statt über viele Chat-Runden abschnittsweise zu iterieren, arbeitet man in einer editierbaren Dokumentansicht, in der man Textpassagen direkt anpasst und von der KI gezielt umschreiben oder erweitern lässt. [caption id="attachment_47769" align="alignnone" width="1200"] Der Canvas-Modus erlaubt die feingranularere Dokumentenverarbeitung.[/caption] Es sind zusätzliche Einstellungen möglich, in Canvas über das Stift-Symbol unten rechts: Bearbeitung vorschlagen Länge anpassen (Kindergarten bis Universität) Leseniveau anpassen (Slider) Letzten Feinschliff vornehmen Emojis hinzufügen [caption id="attachment_47770" align="alignnone" width="334"] Canvas bietet wie Gemini schnelle Textbearbeitung via vorgefertigter Prompts.[/caption] Der entscheidende Nachteil liegt jedoch in der fehlenden Office-Anbindung. Zwar bietet ChatGPT Konnektoren zum Cloud-Speicher und kann aus diesen Daten in unterschiedlichen Formaten abrufen, ist aber nicht direkt in die Office-Suiten eingebunden, was zu einem zeitraubenden Arbeitsablauf führen kann, wenn das Dokument direkt im Format der Wahl ausgegeben werden soll: Dokument herunterladen, überprüfen, bei Änderungsbedarf erneut den Chat um eine Überprüfung bitten, wieder einen Link anklicken und herunterladen. Dieser Zyklus wiederholt sich bei jeder Iteration und führt zu erheblichem Zeitverlust. Die Alternative: den Text im Chat fertigstellen, gefolgt von Copy und Paste plus Formatierung im Zieldokument. Claude: Zuverlässige Qualität mit manueller Nacharbeit Auch Claude überzeugte in der Dokumenterstellung durch konsistente Textqualität. Struktur und Stil sind wie von Anthropic gewohnt von hoher Qualität. Eine Alternative zum Inline-Chat liefert das Artifacts-Feature, das eine Vorschau des Dokuments liefert, in dem gezielt via Chat iteriert werden kann. Allerdings sind hier die Lösungen der Konkurrenz stärker. ChatGPT Canvas bietet etwa deutlich mehr Möglichkeiten, Text zu bearbeiten. [caption id="attachment_47778" align="alignnone" width="1200"] Claude kann Texte in einem separaten Fenster anzeigen, die Bearbeitungsmöglichkeiten sind jedoch eingeschränkt.[/caption] Die Schwächen liegen in der Kontextintegration. Zwar lässt sich die Google Cloud anbinden, Claude unterstützt aber nicht jede Dateiform zuverlässig aus diesen Drive-Kontexten, was in der Dokumentarbeit bedeutet, dass Referenzen manchmal nicht gefunden werden. So konnten in unserem Test keine .docx-Dateien aus dem Drive geladen werden. Manuell klappt das dagegen zuverlässig. Erstellte Daten können in die Cloud exportiert werden. [caption id="attachment_47772" align="alignnone" width="925"] Claude kann im angebundenen Google Drive nach Daten suchen. Allterdings findet er hier keine .docx-Dateien. Richtig umgewandelt, sind die Dateien dagegen auffindbar. Eine Alternative: Datei einfach direkt selbst hochladen.[/caption] Kritisch ist hier auch weniger das reine „Findet es die Datei“, sondern das Verhalten, wenn es sie nicht findet: Claude erklärt seine Grenzen weniger proaktiv als Gemini und startet in diesen Fällen gern trotzdem mit der Generierung. Das Ergebnis sind dann plausible Entwürfe, die teilweise auf Mutmaßungen beruhen. In einer produktiven Dokumentkette sollte man deshalb vor dem eigentlichen Schreiben explizit bestätigen lassen, dass alle Quellen verfügbar sind. Das hängt auch direkt mit dem zweiten Praxisfaktor zusammen: dem Nutzungsbudget. Auch im Bezahlplan stößt man bei längeren Arbeitsfolgen relativ schnell an Limits. Kombiniert mit Claudes proaktiver Tendenz, trotz fehlender Quellen Code, Texte, Präsentationen und ganze Aufsätze zu generieren, führt das dazu, dass man Sessions konservativer planen muss als in ChatGPT. Der zentrale Zielkonflikt: Integration gegen Qualität Die Testergebnisse offenbaren einen fundamentalen Zielkonflikt bei der KI-gestützten Dokumentenerstellung, den man im Alltag nicht wegprompten kann. Office-Integrationen wie Copilot in Word und Gemini in Docs sind dort stark, wo Büroarbeit tatsächlich Zeit frisst: Sie sitzen im Dokument, übernehmen Formatierung halbwegs zuverlässig und erlauben es, bestehende Inhalte direkt im Artefakt zu überarbeiten. Gerade Copilot liefert in Word oft sofort „fertige" Dokumente im richtigen Erscheinungsbild, und Gemini kann in Docs über die Inline-Funktion „Help me write" sowie die Seitenleiste Entwürfe direkt an der Cursorposition platzieren und anschließend im selben Zusammenhang weiter verfeinern. Dadurch werden Korrekturen, Stilglättungen oder strukturelle Umbauten spürbar schneller, weil der Werkzeugwechsel entfällt. Dieser Vorteil trägt aber nur so weit, wie die Anbindungen stabil arbeiten und das Modell inhaltlich sauber auf Fakten gestützt bleibt. In der Praxis schwanken Copilot und Gemini stärker in Präzision und Tiefe und lassen den Nutzer nicht transparent steuern, welches Modell gerade aktiv ist oder wie „tief“ die Antwort geroutet wird. Für einfache Standarddokumente ist das vielleicht tolerierbar. Bei längeren, sensiblen oder fachlich anspruchsvollen Texten wird es zum Risiko, weil man nie ganz sicher sein kann, ob man gerade einen belastbaren Entwurf oder ein plausibles Halluzinationsgerüst vor sich hat. Die separaten Chat-Anwendungen von OpenAI und Anthropic drehen dieses Verhältnis um. Inhaltlich sind sie bei komplexen, wissenschaftlichen oder argumentativ dichten Dokumenten derzeit klar stabiler, weil dort die stärksten Reasoning-Modelle ohne Kompromisse zugunsten der Office-Anbindung verfügbar sind und man ihren Arbeitsmodus explizit wählen kann. Dazu kommt, dass man ihre Denkwege zumindest teilweise nachvollziehen und gezielt nachschärfen kann, statt einer unsichtbaren Weichenstellung ausgeliefert zu sein. Der Preis ist banal, aber real: Man bleibt außerhalb der Office-Umgebung, muss Ergebnisse in das Zieldokument übertragen, dort formatieren und jede Überarbeitung über Hochladen-/Export-Schleifen organisieren. Trotz Schnittstellen ist das im Alltag häufig immer noch spürbar viel manuelles Kopieren, weil die „letzte Meile" – die echte Arbeit im Dokument – nicht nahtlos mit der Chat-Oberfläche verschmilzt. Theoretisch könnten Copilot Chat und die Gemini-Anwendung diesen Konflikt auflösen, weil sie beide als zentrale Knotenpunkte mit Zugriff auf die Office-Umgebung positioniert sind. Praktisch gelingt das bisher nur begrenzt. Copilot Chat ist modelltechnisch inzwischen klar näher an GPT-5, Microsoft leitet dort standardmäßig über GPT-5-Varianten. Für Nutzer heißt das aber nicht „volle Kontrolle": Es gibt nur minimale Bedienelemente wie einen zeitweiligen „Try GPT-5"-Schalter und eine Reasoning-Umgehung, aber keine echte Modell- oder Anbieterauswahl wie in ChatGPT. Vor allem bildet Copilot Chat den Word-Inline-Vorteil bisher nicht vollständig ab, weil das nahtlose Überarbeiten im offenen Dokument weiterhin an Word-Inline oder Word-Agent-Mode hängt. Bei Gemini ist das Knotenpunkt-Problem noch deutlicher: Die Anwendung liest Zusammenhänge gut, hat aber keine stabile Rückschreibfunktion in bestehende Docs, und im Test kamen dazu echte Beständigkeitsprobleme, weil Chat-Ergebnisse und Verläufe teilweise aus der Verlaufsansicht verschwanden. Als zentraler Arbeitsraum ist das schlicht zu unzuverlässig. Letztlich bleibt es also dabei: Für standardisierte Dokumente mit Fokus auf Arbeitsablauf und Formatierung gewinnt Einbindung, für anspruchsvolle Inhalte gewinnt Modellqualität – und die Produkte sind Stand jetzt noch nicht soweit, diesen Zielkonflikt im täglichen Dokumentenablauf wirklich aufzulösen. Fazit: Co-Intelligenz bei der Dokumentenerstellung Die aktuellen KI-Lösungen für die Dokumentenerstellung sollten als Co-Intelligenz verstanden werden – als intelligente Partner für die gemeinsame Arbeit an Texten, nicht als vollautomatische Ersatzlösungen. Erstellen Sie schnell die textlichen „Baugerüste“ (Grundstruktur), arbeiten Sie dann aber mit „Handarbeit“ (Verfeinerung) weiter. Für die Dokumentenerstellung gilt: Wer im Microsoft-Ökosystem arbeitet und schnell gut formatierte Standardtexte benötigt, ist mit Copilot gut bedient. Wer inhaltlich anspruchsvolle, präzise Dokumente erstellen will, sollte zu ChatGPT oder Claude greifen, dort die besten Modelle nutzen und den zusätzlichen Formatierungsaufwand in Kauf nehmen. Eine gute Alternative stellt Gemini dar, sofern das Google-Ökosystem für Sie akzeptabel ist. Kurz: Die Technologie für hochwertige KI-gestützte Dokumentenerstellung ist bereits da – die nahtlose Integration in bestehende Arbeitsabläufe hinkt jedoch noch hinterher. Entscheidend ist gutes Prompt- und Context-Engineering, das sich als effektiver erweist als die reinen Einbindungen in die Bürosuiten. Mehr zum Thema gibt es in unserem Lernreise-Video zum 1x1 des Prompt Engineering und unserem Prompt-Engineering-Webinar.

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