Menschen erwerben Fähigkeiten, indem sie mit der Welt interagieren. Nun soll Künstliche Intelligenz nach dem gleichen Prinzip menschliche Handlungsmuster lernen. Virtual Reality könnte dabei eine Schlüsselrolle einnehmen.
Mit Schach kommt Künstliche Intelligenz ganz gut klar: Die Regeln sind eindeutig, die Zahl möglicher Züge begrenzt. Doch was geschieht, nachdem das Spiel zu Ende ist? Wir Menschen können aufstehen und spazieren gehen, die Blumen gießen oder ein Buch lesen. Die Welt ist voller Handlungsmöglichkeiten, die die Künstliche Intelligenz überfordern.
"Viele Probleme in der KI-Forschung haben mit Variabilität zu tun. Je mehr Variabilität, desto schwieriger ist es, das Problem zu lösen", sagt Informatikprofessor Pieter Abbeel von der Universität Berkeley gegenüber Forbes. Abbeel gründete vergangenen September mit drei seiner Studenten das US-Startup Embodied Intelligence, um dieses Problem zu lösen und erhielt dafür sieben Millionen US-Dollar Anschubfinanzierung von Investoren.
Handeln statt Denken
Das Startup will Künstliche Intelligenz langfristig aus kontrollierten Lernumgebungen lösen und mit der komplexen, menschlichen Lebenswelt vertraut machen. Hierzu muss sie in einem ersten Schritt lernen, all die vermeintlich einfachen, motorischen Handlungen auszuführen, die den Alltag prägen.
Die KI-Forscher gehen von einem bekannten, kognitionstheoretischen Ansatz aus, der besagt, dass Weltwissen nicht allein mit Hilfe abstrakten Denkens, sondern vor allem durch physische Interaktionen mit der Umwelt erworben wird.
In der Robotik ging man bisher anders vor und programmierte Handlungsmuster. Das setzt Fachkräfte mit guten Programmierkenntnissen und viel Entwicklungszeit voraus. Embodied Intelligence will einen vollkommen anderen Weg gehen, um Künstlicher Intelligenz Handlungen beizubringen.
Sie orientieren sich am menschlichen Lernen: Menschen lernen Handlungen nicht nach abstrakten Anweisungen, sondern indem sie Bewegungen anderer Menschen beobachten und mit ihrem Körper nachahmen.
Lernen mit Virtual Reality
Um diesen Effekt bei Robotern zu erreichen, führen die KI-Forscher mit einer VR-Brille und räumlich erfassten Controllern die entsprechenden Handlungen immer und immer wieder aus, jedes Mal mit leichten Variationen. Die Bewegungen werden per Fernsteuerung auf einen Roboter übertragen, der sich mittles maschinellem Lernen jeden Handlungsablauf einprägt und daraus nach ausreichend Training ein einheitliches Handlungsmuster ableitet.
Der Einsatz eines fortschrittlichen VR-Systems, in diesem Fall einer HTC Vive, hat zwei große Vorteile. Erstens können dank submillimetergenauer Bewegungserfassung sehr genaue Datensätze generiert werden, anhand derer die Künstliche Intelligenz Handlungen lernt.
Zweitens muss die Maschine die Bewegungen nicht wie ein Mensch beobachten und nachahmen. Da der Lehrer als "Puppenspieler" auftritt, sind Fehler und falsche Interpretationen ausgeschlossen.
Mit diesem Lernverfahren können die KI-Forscher dem Roboter binnen eines Tages eine Handlung beibringen. Mit herkömmlichen Programmmiermethoden dauerte das früher Wochen oder Monate.