Das US-Start-up Argo für autonomes Fahren will das eigene System schon bald im großen Maßstab vertreiben. Was zeichnet den neuen Lidar-Sensor aus?
Argo AI stellte kürzlich einen neuen Langstrecken-Lidar für autonomes Fahren vor. Der „Argo Lidar“ erreicht auch bei Nacht und schlechten Witterungsbedingungen Sichtweiten von bis zu 400 Metern, so das Versprechen.
Dunkle und weit entfernte Objekte mit geringem Reflexionspotenzial sollen kein Problem für den Sensor darstellen. Damit könnte Argo AI ein bedeutender Sprung in der Kommerzialisierung autonomer Fahrsysteme gelingen.
Argo AI: Im Team mit Ford und VW
Erste Testfahrzeuge wurden laut Argo AI bereits mit den neuen Lidar-Sensoren ausgestattet. Dazu zählen die Ford-Modelle Fusion und Escape jeweils in der Hybrid-Variante. Ford ist neben Volkswagen einer der großen Kunden und Investoren des US-amerikanischen Start-ups. Bis Ende des Jahres soll eine Testflotte von insgesamt 150 Ford Escape Hybrid-Modellen mit dem Argo Lidar bestückt werden.
Gut möglich, dass der neue Sensor auch bald in Deutschland getestet wird: Nach einer Investition in Milliarden-Höhe durch Volkswagen eröffnete Argo AI seinen europäischen Hauptsitz in München. Ab 2021 sollen neue Büroräume und eine Teststrecke am Münchner Flughafen eingerichtet werden.
Volkswagen selbst arbeitet gerade an der Umsetzung einer eigenen Robo-Taxi-Flotte. Vor Kurzem verkündete der Konzern, neue Mittel für ein Entwicklungsprogramm für autonomes Fahren freisetzen zu wollen. Ab 2025 sollen Kunden in Deutschland unter anderem Personenfahrdienste mit selbstfahrenden Vehikeln aus dem Hause VW buchen können.
Einzelphotonenzählung ermöglicht bessere Wahrnehmung
Laut Argo AI erreicht das hauseigene „Argo Self-Driving System“ durch den neuen Lidar-Sensor eine vollständige 360-Grad-Wahrnehmung bei Tag und bei Nacht. Dadurch wären sichere Fahrten auf belebten Straßen in Städten, Vororten und bei Autobahngeschwindigkeiten möglich.
Auch mit Ein- und Ausfahrten von Tunneln habe das System keine Probleme. Das menschliche Auge müsse sich hingegen erst an die Lichtveränderungen gewöhnen. Kleine, sich bewegende Objekte wie Tiere und Vegetation an statischen Objekten kann der Lidar laut Argo ebenfalls problemlos identifizieren.
Der Argo Lidar erkenne beispielsweise schwarz lackierte Fahrzeuge, die weniger als ein Prozent des Lichts reflektieren, selbst auf große Entfernungen und bei Nacht. Das gelingt laut dem Hersteller durch die sogenannte „Geiger-Modus-Sensorik“: Argos proprietärer Geiger-Modus-Lidar soll einzelne Photonen registrieren. Dazu komme die Fähigkeit, in höheren Wellenlängen oberhalb von 1.400 Nanometern zu operieren.
Erreicht wurde dieser Durchbruch auch durch die Akquise des Start-ups „Princeton Lightwave“. Argo übernahm die Lidar-Spezialisten 2017 mit dem Ziel, autonome Fahrsysteme in großem Maßstab zu kommerzialisieren.
Dafür sind neben technologischen Fortschritten auch neue Herstellungsprozesse notwendig: Tesla zum Beispiel verzichtet noch immer auf den Einsatz von Lidar-Sensoren, da sie teuer sind. Investitionen im fünfstelligen Bereich pro Fahrzeug und Lidar-Sensor waren bislang die Norm.
Fortschritte am Fließband in der Lidar-Entwicklung
Auch die Bauweise vieler Lidar-Sensoren ist problematisch: Die Konstrukte sind oft groß, klobig und fragil. Sie ähnelten einer Glocke, die meist auf dem Dach des Fahrzeugs befestigt ist. Für den kommerziellen Einsatz auf dem privaten Sektor wäre diese Bauweise schon aus ästhetischen Gründen nur eingeschränkt geeignet.
In den letzten Jahren erzielten Firmen allerdings bedeutende Fortschritte: Durch moderne Herstellungsverfahren wie die Silizium-Photonik können Lidar-Sensoren mittlerweile als System-on-a-Chip produziert werden. Das macht sie kleiner, stabiler und kostengünstiger.
Wie schnell die Entwicklung mittlerweile vorangeht, zeigt sich am Beispiel Mobileye. Das Unternehmen stellte ein Lidar im SoC-Format auf der CES 2021 vor. Der neue Lidar-Chip ist nicht größer als eine Spielkarte und wird vom Mutterkonzern Intel hergestellt. Damit sollen Sichtweiten von über 200 Meter erreicht werden.
Kurz darauf präsentierte ein Start-up einen Lidar-Sensor mit enormer Reichweite: Der „AEye Lidar“ soll ultrahohe Auflösungen von 1.600 Punkten pro Quadratgrad auf jedem Objekt im Lidar-Sichtfeld erreichen. Das Unternehmen beauftragte das unabhängige Test-Labor VSI mit der Verifizierung der Daten: VSI bestätigte, dass im Reichweitentest Fahrzeuge auf über 1.000 Metern Entfernung eindeutig identifiziert wurden.
Titelbild & Quelle: Argo AI