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Mit einem Brain Computer Interface stellt das Battelle-Institut erstmals den Tastsinn eines gelähmten Menschen wieder her.

Bei einem Tauchunfall vor zehn Jahren wurde das Rückenmark des heute 28-jährigen Ian Burkhart schwer beschädigt. Er ist seitdem gelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. Ellbogen und Schultern konnte er nur eingeschränkt bewegen.

Ein implantiertes Brain Computer Interface (BCI) des Battelle-Institutes verhalf ihm in den letzten sechs Jahren zu bedeutenden Fortschritten bei der Wiederherstellung kleiner Bewegungsfunktionen. Jetzt ist es den Forschern gelungen, seinen Tastsinn wiederherzustellen.

Was ist ein Brain Computer Interface?

Brain Computer Interfaces, oder Gehirn-Computer-Schnittstellen, stellen eine Verbindung zwischen dem menschlichen Gehirn und einem Computer her. Das Interface zeichnet elektrische Aktivität auf oder misst die hämodynamische Aktivität des Gehirns, also den Blutfluss.

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Ein Rechner erkennt in diesen Messungen Muster und wandelt sie in Steuersignale für einen Computer um. Das funktioniert, da allein die Vorstellung einer Bewegung schon messbare elektrische Aktivität im Gehirn auslöst.

Bislang kommunizieren BCIs nur in eine Richtung - vom Menschen zur Maschine. Der Mensch gibt einen Befehl aus und der Computer reagiert mit Klang, Bild oder taktilen Reizen.

Unterschieden wird vorrangig in invasive und nicht-invasive BCIs. Letztere messen die Gehirnaktivitäten (Elektroenzephalografie) oder stimulieren sie (Transkranielle Magnetstimulation) von außen durch Kopfhaut und Schädel. Da diese Interfaces allerdings weit von den Neuronen des Gehirns entfernt sind, arbeiten sie wesentlich langsamer als invasive - also implantierte - BCIs, die direkten Kontakt zu den Neuronen haben.

Das Risiko eines Chips im Kopf

Brain Computer Interfaces sollen vor allem körperlich beeinträchtigte Menschen unterstützen, sich zu bewegen oder zu kommunizieren. Die vom Hals abwärts gelähmte Jenn Sherman steuerte 2012 beispielsweise einen Roboterarm über ein implantiertes BCI, der ihr helfen sollte, wieder selbstständig zu essen.

Solche Implantate arbeiten zwar um ein Vielfaches schneller als nicht-invasive BCIs, können aber zu gesundheitlichen Problemen führen. Das Implantat von Jenn Sherman musste beispielsweise entfernt werden, da sich die Kopfhaut um den Sockel des Implantats zurückzog und so das Infektionsrisiko erhöhte.

Empfehlung

Bislang haben implantierte Brain Computer Interfaces nur eine beschränkte Nutzbarkeit. Durch die Bewegung des Gehirns erzeugen die starren Elektroden des BCIs mit der Zeit minimale Verletzungen. Das Gehirn bildet Narbengewebe, das wiederum die Elektrode isoliert und die Verbindung unterbricht.

Dieses Problems will sich beispielsweise Elon Musk mit seinem Unternehmen "Neuralink" annehmen. Die Firma arbeitet unter anderem an besonders dünnen und flexiblen Elektroden, die sich den Bewegungen des Gehirns anpassen und somit keine Verletzungen mehr hervorrufen sollen.

Battelle-Institut stellt erstmals Tastsinn wieder her

Auch das Battelle Institut forscht seit Jahren an der Weiterentwicklung von Brain Computer Interfaces. Den Forschern ist es gelungen, einen BCI zu entwickeln, der Ian Burkhardts Tastsinn des rechten Armes wiederherstellt. Battelles System arbeitet in drei Schritten.

Brain-Computer-Interface-Battelle-Institute
Battelles Brain Computer Interface arbeitet in drei Schritten. BILD: Battelle

Ein im Gehirn implantierter Chip liest die Bewegungsgedanken. Diese Gehirnwellen- und Gehirnsignale werden von einem Computer aufgezeichnet und gleichzeitig dekodiert. Das System versteht also, welche Bewegungen Ian Burkhart denkt. Im letzten Schritt übersetzt das System diese Gedanken in Stimulationen der Muskeln - der Arm bewegt sich.

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Mit diesem System kann Burkhart zwar wieder greifen, fühlte bislang jedoch nicht, was er berührte. Die Forscher stellten jedoch fest, dass neuronale Signale entstehen, wenn Burkharts Haut stimuliert wird. Sie sind nur zu schwach, um das Gehirn zu erreichen. Trotz der Lähmung hatte Burkhart also noch funktionierenden Nervenfasern in seinem Arm.

BCI steuert haptisches Feedback über Signalverstärkung

Die schwache Signale der Nervenfasern verstärkten die Forscher daher mit Elektroden auf der Haut. Sie sind mit Drähten verbunden, die das Rückenmark umgehen und Berührungssignale direkt an den im Gehirn implantierten Chip senden. Ein Band von Vibrationsmotoren an Burkharts Oberarm sorgt für das sensorisch-haptische Feedback.

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Mit Battelles BCI lernte Ian Burkhart wieder, Guitar Hero zu spielen. Nun bekommt er sogar haptisches Feedback. BILD: Battelle

Durch das haptische Feedback ist Ian Burkhart wieder in der Lage, den richtigen Druck beim Aufnehmen von Gegenständen einzusetzen. Zudem fühlt er wieder, welche Objekte er in der Hand hält. Battelles BCI ist das erste, das Bewegung und Tastsinn synchron wiederherstellt.

Bisher ist es den Forschern des Battelle Instituts gelungen, die notwendige Elektronik auf die Größe einer Videokassette zu reduzieren. Ziel sei es, eine mobile Version zu bauen, die von einem Tablet gesteuert werden kann. Damit wäre die Nutzung im Alltag möglich statt nur im Labor.

Titelbild: Battelle Institut

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Josef schreibt für THE DECODER über Robotik, autonomes Fahren, vernetzte Städte und smarte Geräte. Träumt von einem Smart Home, in dem sämtliche Sprachassistenten friedlich koexistieren.
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