KI in der Praxis

Dieses kleine KI-Unternehmen überwacht ganz Utah

Maximilian Schreiner
Das KI-Unternehmen Banjo hilft Polizeibehörden in ganz Utah, "Anomalien" in Echtzeit aufzudecken.

Das KI-Unternehmen Banjo entwickelt eine Echtzeit-Überwachungskarte für Polizeibehörden in ganz Utah.

Der US-Bundesstaat Utah hat dem KI-Unternehmen Banjo Zugang zum staatlich betriebenen Überwachungsnetzwerk verschafft. Dazu gehören Kameras, die Straßenverkehr oder öffentliche Plätze überwachen, Daten des Notrufsystems 911 und GPS-Daten staatlich betriebener Fahrzeuge.

Banjo kombiniert laut eigenen Angaben in Echtzeit tausende Datenpunkte mit Informationen aus Social Media, öffentlichen Versorgungsunternehmen, Wetterstationen, Fluggesellschaften, Satellitendaten und anderen Apps, um mit Künstlicher Intelligenz in der echten Welt "Anomalien zu entdecken". Seit rund sieben Jahren soll das KI-System in Entwicklung und im Training sein.

Das Ziel von Banjos KI-System ist es, Polizeibehörden über Verbrechen oder Notfälle zu informieren, während sie passieren – dabei soll die KI-Überwachung keine persönlichen Daten verarbeiten. Wie genau das funktioniert, ist Betriebsgeheimnis. Öffentliche Kontrollen oder Transparenz: Fehlanzeige.

Dieses Vorgehen kennt man von anderen Überwachungsanbietern wie dem umstrittenen Palantir, das nach Googles Rückzieher das amerikanische Militärprojekt Maven übernahm und auch an deutsche Behörden Überwachungssoftware vertreibt.

Echtzeit-Überwachung als Allheilmittel

Banjo-Chef und -Gründer Damien Patton vermarktet sein "Live Time Intelligence"-System vollmundig: Es sei in der Lage, Kindesentführungen in Sekunden aufzudecken oder laufende Schießereien, Verkehrsunfälle, gezündete Airbags und Geisterfahrer zu melden.

Das KI-System soll weiter bei der amerikanischen Opioid-Epidemie helfen, indem es Drogenverstöße automatisch aufspürt und an Polizeibehörden meldet. Banjo entwickelt außerdem eine "Lösung für Obdachlosigkeit": Sie soll freie Betten in Unterkünften erfassen, Verbrechen melden und weitere Daten sammeln.

Banjo und Utah haben im Juli 2019 einen Vertrag über fünf Jahre in Höhe von 20,7 Millionen US-Dollar abgeschlossen. Seitdem hat Banjo eigene Server in Utahs Verkehrsbehörde installiert und dort Zugriff auf tausende Kameras, die im Bundesstaat verteilt sind.

Banjos KI-System wird in 29 Bezirken des Bundesstaates, 23 Städten und an der Universität Utah eingesetzt. Weitere 70 Städte sollen folgen.

Banjo beschreibt das eigene KI-Überwachungssystem als Google Maps für Polizeieinsätze und Notfälle. Einzelne Personen sollen nicht identifiziert werden. Bild: Banjo

Ein Google Maps für Verbrechen

Banjo legt Wert darauf, dass das eigene KI-System der Polizei hilft, Notfälle und Verbrechen aufzuklären, nicht Kriminelle dingfest zu machen. Anstatt einzelne Personen zu identifizieren, deute es der Polizei den Weg "zur Nadel im Heuhaufen" - verrate aber nicht das eigentliche Problem.

"Wir entfernen alle persönlich identifizierenden Informationen", sagt Banjos Top-Lobbyist Bryan Smith. Dieser versprochene Schutz der Privatsphäre unterscheidet Banjos System vom Konkurrenten Palantir, ebenso wie der Live-Aspekt des Systems.

"Wir machen im Wesentlichen das, was Palantir macht, aber wir machen es live", so Smith vor einer Versammlung von Polizeichefs. Das System sei wie Google Maps für Verbrechen und Notfälle, das relevante Informationen in Echtzeit einblendet.

Kritiker der Software wie Dr. Daniel Ciccarone, der die Opioid-Epidemie studiert, halten wenig vom breiten Einsatz des KI-Systems: "Was ist der Zweck der KI? Wie wird sie helfen? Soll sie Strafrechtssystem härter machen? Wir fangen an, solche KI-Systeme anderswo zu sehen, und es ist UNPRODUKTIV, Großbuchstaben, Unterstreichung, fette Schrift", sagt Ciccarone gegenüber Motherboard. "Ich wäre sehr besorgt über jede Technologie, die der Polizei Informationen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit liefert."

Titelbild: Banjo (Screenshot), Quellen: Banjo, Motherboard

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