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Noch bis zum 06. November macht das Hygienemuseum in Dresden das abstrakte Thema Künstliche Intelligenz dem breiten Publikum durch eine Sonderausstellung zugänglich. In fünf thematisch gegliederten Themenräumen erhalten Besucher:innen einen Einblick in die KI-Entwicklung an der Schnittstelle von Alltag, Technologie, Wissenschaft und Kunst.

Die Sonderausstellung läuft unter dem Titel »Künstliche Intelligenz. Maschinen – Lernen – Menschheitsträume« und zeigt auf, in welchen Lebensbereichen KI heutzutage bereits zum Einsatz kommt, wie KI-Technologien funktionieren und welche Probleme und Chancen mit ihrem Gebrauch verbunden sind.

Dabei wird vor allem erläutert, was Intelligenz ist und worin die größten Unterschiede zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz liegen. Einen wichtigen Schwerpunkt bildet die Frage, in welche Richtung wir mit KI-Technologien künftig hinsteuern könnten und welche Themen wir für eine gemeinwohlorientierte Nutzung der Technologie gesellschaftlich diskutieren müssen.

Zukunftstechnologie mit antiken Wurzeln

„KI ist vermutlich die wichtigste Zukunftstechnologie, und zugleich eine der größten Herausforderungen“, teilte das Museum zur Ausstellungseröffnung mit. Obwohl die Technologie mit einer Menge an Ängsten und Sorgen verbunden sei, sähen etwa zwei Drittel der Deutschen die Nutzung von KI eher positiv, und auch die Medien berichteten oftmals mit Begeisterung über das Thema. Die Ausstellung verfolge daher den Ansatz, KI-Technologien insbesondere in Hinblick auf ihr Zukunftspotenzial auch kritisch zu hinterfragen.

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Dabei finden sich die ersten Ansätze dessen, was wir nach heutigem Verständnis mit Künstlicher Intelligenz in Verbindung bringen würden, bereits in der Antike. So gibt das erste Ausstellungszimmer Besucher:innen zunächst einen kulturhistorischen Einblick in die Ideengeschichte von KI, die von der Antike bis ins 20. Jahrhundert reicht – in die Wünsche, Fantasien und Träume der damaligen Wissenschaftler:innen von idealisierten Automaten als übermächtigen Helfern, die sie zunächst theoretisch konzipierten und sodann in Maschinen umzusetzen suchten.

Unsere Vorstellungen von einer Künstlichen Intelligenz sind noch immer stark von historischen Fantasien geprägt. | Bild: Oliver Killig

Anhand von kulturhistorischen Exponaten wie Manuskripten und einer begleitenden Videoprojektion können Besucher:innen hier die Funktionsweise der Ideen, Maschinen und Technologien nachvollziehen. Auf diese Weise soll verdeutlicht werden, „dass Vorstellungen von KI eine sich seit Jahrhunderten fortentwickelnde Suchbewegung in der Menschheitsgeschichte ist“, so Ausstellungskuratorin Yasemin Keskintepe.

Interaktive Beispiele und globale Fragen

Dass Künstliche Intelligenz nicht synonym ist mit der viel breiter ausgelegten menschlichen Intelligenz, wird im zweiten Zimmer des Rundgangs deutlich. In dem interaktiven Trainingsraum können Besucher:innen selbst einige technologische Funktionen von KI-Systemen erkunden und unterschiedliche Expertensysteme kennenlernen.

Heutige KI-Technologien sind auf eine einzige Aufgabe spezialisiert, die sie dann zwar schneller – oftmals auch besser – lösen können als der Mensch. Die statistikbasierte Logik der Künstlichen Intelligenz hat jedoch ein völlig anderes Verständnis davon, wie Bedeutung zustande kommt. So setzen die präzisen Unterscheidungen einer KI in der Regel umfassendes Training durch menschliche Arbeitskräfte voraus und benötigen möglichst große und aussagekräftige Datensätze, um verlässlich funktionieren zu können.

Obwohl das Gehirn in Spezialfällen also oftmals als Blaupause für KI-Methoden dient – Stichwort neuronale Netze –, ist der allgemeine Vergleich von maschinellem und menschlichem Lernen eher weithergeholt. Ganz im Gegenteil beruhen ML-Lernsysteme nämlich häufig auf unsauberen Rohdaten, was wiederum ungewollte Folgen wie Diskriminierung in Gesichtserkennungstechnologien mit sich bringen kann.

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In unserem Gehirn befinden sich ca. 86 Milliarden Nervenzellen, die über Synapsen miteinander verbunden sind und Informationen weitergeben. Über diese Verbindungen können sie miteinander kommunizieren. | Bild: Oliver Killig

Dass die rapide Weiterentwicklung und Anwendung von KI-Technologien der letzten 30 Jahre keineswegs nur positive Auswirkungen hatten, macht der dritte Raum deutlich. Hier wird beleuchtet, welches Ausmaß die globale KI-Infrastruktur mittlerweile angenommen hat, in erster Linie begünstigt durch die Fortschritte in der Mikrochipindustrie, und infolgedessen durch den Ausbau der weltweiten digitalen Infrastruktur samt Rechenzentren und weltumspannenden Glasfaserkabeln.

Am Mythos von Künstlicher Intelligenz als Allheilmittel und Zukunftswunder kommen hier Zweifel auf: Denn die Technologie ist unweigerlich an politische Gegebenheiten und lokale Gesellschaftsstrukturen geknüpft, und geht zudem mit gewaltiger Umweltzerstörung einher. Sie ist abhängig von enormen Mengen natürlicher Ressourcen, die dem Aufbau und dem Erhalt der KI-Infrastruktur dienen. Beispielsweise von Unterseekabeln, über die 99 % der Datenübertragung läuft, von Treibstoffen und von menschlicher Arbeitskraft. So leisten etwa 19 Mio. Crowdworker:innen vorwiegend in Ländern des Globalen Südens die kostspielige und zeitaufwändige Arbeit der Aufbereitung bzw. Annotation von Trainingsdaten – unter meist prekären Bedingungen.

Unser Lebensalltag mit KI

Der vierte Ausstellungsschwerpunkt liegt auf dem Einsatz von KI-Systemen in unserem gegenwärtigen Alltag, und wie ihr Gebrauch insbesondere die Bereiche Arbeitswelt, Zuhause, Medizin, Mobilität und Politik beeinflusst. Zu alltäglichen Anwendungsbeispielen gehören etwa Bilderkennung und Videoüberwachung, diagnostische Verfahren und Assistenzsysteme für die Krebschirurgie oder vollautomatisierte Taxisysteme wie das der Firma Waymo One, die seit 2020 den ersten Robotaxidienst mit autonom fahrenden Autos in Phoenix, Arizona anbietet.

Bereits 1866 wurde das erste stabil funktionierende Transatlantikkabel verlegt. Bis zur Jahrhundertwende wurde die Verkabelung der Welt massiv vorangetrieben. Anfang des 20. Jh. waren 80 Prozent des weltweiten Kabelnetzwerks in Besitz des britischen Weltreichs. | Bild: Vincent Virga, Eyes of the Nation, Knopf, 1997

Doch mit dem Einsatz von KI-Technologien sind nicht nur die Erleichterung unseres Alltags, sondern auch ethische Fragen verbunden: Etwa, welche Aufgaben wir überhaupt durch KI lösen können, und welche Entscheidungen wir dabei KI-Systemen überlassen wollen. Und allgemeiner: Wo genau sollte die Grenze zwischen dem Machtbereich einer KI und dem eines Menschen liegen? In Bezug auf Datensammlung stellt sich hier etwa die Frage, inwieweit die Vorteile für die öffentliche Sicherheit die rigorosen Eingriffe in die Privatsphäre aufwiegen.

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So birgt die Technologie auch menschengemachte Risiken, die jenseits von Technikgläubigkeit vorausschauend bedacht und verhindert werden müssen. Dazu gehören beispielsweise Fehlentscheidungen von KI-Systemen mit potenziell weitreichenden Folgen. Eine Gefahr stellt auch der Missbrauch von maschinellem Lernen dar: KI-Systeme können Daten über Menschen erhalten und deren Verhalten auf Algorithmen basierend systematisch erforschen und manipulieren.

Sehr anschaulich zeigt dies die ausgestellte ARD-Dokumentation Made to Measure – ein Datenexperiment, das sichtbar macht, welche intimsten Dinge Google, Facebook & Co. anhand der bereitgestellten Daten über uns wissen. Denkbar, dass auf diese Weise sogar der demokratische Diskurs geschwächt und autokratische Machtstrukturen gestärkt werden können.

Die Licht- und Schattenseite von Künstlicher Intelligenz

Das fünfte und letzte Zimmer greift unter dem Motto „Re-Visionen von KI“ epiloghaft die aktuelle Debatte rundum KI auf. Hier äußern sich Expert:innen zum Einfluss von KI-Systemen auf Politik, Ökologie und Arbeitsmarkt, und beleuchten das Verhältnis von Mensch und Maschine. Besucher:innen bekommen konkrete Tipps an die Hand, wie sie ihr Wohlbefinden und ihre Sicherheit im digitalen Raum steigern können. An der Data Detox Bar lernen sie, wie sie ihre persönlichen Daten schützen und sich selbst weniger transparent machen können.

Denn die menschliche Überlegenheit, so lernt man hier, besteht gerade darin, der eigenen Intuition zu folgen, selbst zu denken, keinen Mustern zu entsprechen, Zweifel zu üben und sich nicht beeindrucken zu lassen vom vermeintlich perfekten Wissen und Können in Form einer datenbasierten Künstlichen Intelligenz.

Die KI - Ausstellung in Deutsches Hygiene-Museum am 03.11.2021 in Dresden. | Bild: Oliver Killig

Für die Sonderausstellung arbeitete das Deutsche Hygienemuseum inhaltlich unter anderem mit dem Dresdner Barkhausen Institut, dem Ars Electronica Center Linz sowie dem Berliner Kollektiv Tactical Tech zusammen.

Informationen zur Ausstellung:

»Künstliche Intelligenz. Maschinen — Lernen — Menschheitsträume«

Sonderausstellung bis 06. November 2022

Deutsches Hygienemuseum

Lingnerplatz 1, 01069 Dresden

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Sonntag, Feiertage: 10-18 Uhr

Montags geschlossen

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Sarah ist Mathematikerin, Programmiererin und Teilzeit-Philosophin. Ihr Fokus liegt auf den ethischen und gesellschaftlichen Zukunftsfragen von Künstlicher Intelligenz.
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