Prof. Dr. Anne Lauber-Rönsberg ist Professorin für Recht an der Technischen Universität Dresden und Mitglied der Plattform Lernende Systeme. Sie befasst sich mit der Frage, wem KI-generierte Bilder und Texte gehören.
Große Sprachmodelle wie ChatGPT können mittlerweile Texte schreiben, die nicht von menschlichen Texten zu unterscheiden sind. ChatGPT wird sogar in einigen wissenschaftlichen Fachartikeln als Ko-Autor genannt.
Andere KI-Systeme wie Dall-E 2, Midjourney und Stable Diffusion generieren Bilder auf Grundlage kurzer sprachlichen Anweisungen. Künstler sowie die Bildagentur Getty Images werfen dem Unternehmen hinter dem populären Bild-Generator Stable Diffusion vor, ihre Werke ohne ihr Einverständnis zum Training der KI genutzt zu haben, und haben Klagen gegen das Unternehmen eingereicht.
Bereits 2017 zeigten Wissenschaftler der US-amerikanischen Rutgers Universität, dass die Probanden in einem Vergleich von KI-generierten und von Menschen geschaffenen Gemälden nicht nur die KI-generierten Erzeugnisse nicht als solche erkannten, sondern diese mit knapper Mehrheit sogar als den von Menschen geschaffenen Gemälden überlegen beurteilten.
Diese Beispiele zeigen, dass der von dem KI-Forscher Alain Turing 1950 formulierte Turing-Test der disruptiven Kraft von generativen KI-Systemen nicht mehr gerecht wird. Turing stellte die These auf, dass einer Künstlichen Intelligenz ein mit einem Menschen vergleichbares Denkvermögen unterstellt werden kann, wenn ein Mensch nach einem Chat mit einem Menschen und einer KI nicht richtig beurteilen kann, welcher von beiden die Maschine ist.
Dagegen steht mittlerweile die Frage im Vordergrund, in welchem Verhältnis KI-generierte Beiträge und menschliche Kreativität stehen. Diese Fragen werden auch im urheberrechtlichen Kontext diskutiert: Wem „gehören“ KI-generierte Werke, wer kann über ihre Nutzung entscheiden und müssen Künstlerinnen und Künstler es dulden, dass ihre Werke als Trainingsdaten für die Entwicklung von generativer KI genutzt werden?
Urheberrecht: Mensch vs. Maschine?
Bislang wurde KI in künstlerischen Kontexten häufig als ein Hilfsmittel genutzt. Solange hierbei die wesentlichen Gestaltungsentscheidungen noch durch den Künstler selbst getroffen werden, entsteht auch an den so erschaffenen Werken zu seinen Gunsten ein Urheberrecht.
Anders sieht es hingegen nach dem kontinentaleuropäischen Urheberrecht aus, wenn Produkte im Wesentlichen durch eine KI erzeugt werden und der menschliche Anteil sehr gering oder vage bleibt: Die Aufforderung an einen KI-Bildgenerator, ein Bild einer Katze beim Windsurfen vor dem Eiffelturm im Stil von Andy Warhol zu erzeugen, dürfte wohl nicht ausreichen, um ein Urheberrecht an dem Bild zu begründen.
Durch eine KI ohne wesentliches menschliches Zutun geschaffene Erzeugnisse sind urheberrechtsfrei und können damit von jedermann genutzt werden, soweit keine anderen Leistungsschutzrechte bestehen. Dagegen sieht das britische Urheberrecht auch einen urheberrechtlichen Schutz für rein computergenerierte Leistungen vor.
Diese unterschiedlichen Ausgestaltungen haben eine Debatte über den Sinn und Zweck des Urheberrechts ausgelöst. Soll weiterhin gelten, dass das Urheberrecht nur die menschliche, aber nicht die maschinelle Kreativität schützt? Oder sollte im Interesse der Innovationsförderung der ökonomisch motivierte Anreizgedanke im Fokus stehen, indem Exklusivitätsrechte auch für rein KI-generierte Erzeugnisse gewährt werden?
Die grundlegenden Unterschiede zwischen menschlicher und maschineller Kreativität sprechen für die erstgenannte Ansicht. Die Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit des Menschen, eine wesentliche Grundlage für seine schöpferische Tätigkeit, rechtfertigen ihre Privilegierung durch ein anthropozentrisches Urheberrecht. Mangels schöpferischer Fähigkeiten kommt eine KI-Urheberschaft nicht in Betracht. Soweit ein Bedarf hierfür besteht, können ökonomische Anreize für Innovationen gezielt durch begrenzte Leistungsschutzrechte geschaffen werden.
Auch bei der Frage, inwieweit im Netz verfügbare Werke als Trainingsdaten benutzt werden dürfen, um KI zu trainieren, muss ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Künstler und der Förderung von Innovationen gewährleistet werden. Nach dem europäischen Urheberrecht ist eine solche Nutzung, das sogenannte Text und Data Mining, grundsätzlich erlaubt, wenn die Urheber dies nicht ausgeschlossen haben.
Anforderungen an die menschliche Originalität steigen
Allerdings dürften diese Entwicklungen mittelbar doch Auswirkungen auch für menschliche Urheber haben. Wenn KI-Erzeugnisse zum Standard werden und gleichwertige menschliche Leistungen als alltäglich wahrgenommen werden, so wird dies dazu führen, dass die Originalitätsanforderungen, die für einen urheberrechtlichen Schutz erfüllt werden müssen, in der Rechtsprechungspraxis zunehmen werden. Auch in faktischer Hinsicht ist absehbar, dass menschliche Leistungen wie Übersetzungen, Gebrauchsgrafiken oder der Komposition musikalischer Jingles, mehr und mehr durch KI ersetzt werden.
Auch jenseits des Urheberrechts ist eine maschinelle Ko-Autorschaft für wissenschaftliche Beiträge abzulehnen. Eine wissenschaftliche Ko-Autorschaft bedingt nicht nur, dass ein wesentlicher wissenschaftlicher Beitrag für die Publikation geleistet wurde, sondern auch, dass die Verantwortung hierfür übernommen wird. Dies übersteigt die Fähigkeiten auch der noch so menschlich wirkenden generativen KI-Systeme.