Rembrandts Hauptwerk "Die Nachtwache" wurde vor mehr als 300 Jahren von seinen Eigentümern beschnitten. Eine KI stellt das Werk in seinem Originalzustand her.
Das 1624 fertiggestellte Gruppenporträt wurde 1715 ins damalige Amsterdamer Rathaus verlegt und passte dort nicht an eine Wand zwischen zwei Türen, weshalb das Gemälde an allen vier Seiten beschnitten wurde. Besonders der linke Bildrand musste leiden, wo drei der insgesamt 34 Figuren der Schere zum Opfer fielen. Was mit den abgeschnittenen Streifen passiert ist, bleibt ein Rätsel.
Dass das Gemälde ursprünglich größer war, weiß man dank einer kleineren Kopie des Malers Gerrit Lundens von 1653.
Im Rahmen eines zweijährigen Forschungsprojekts namens "Operation Night Watch" wurde Rembrandts Werk so genau wie noch nie von Experten untersucht. Dabei kamen Hightech-Scanner, Röntgenbilder und Digitalkameras zum Einsatz. Aus 528 hochauflösenden Einzelfotografien entstand die bislang detaillierteste digitale Kopie des Gemäldes.
Eine KI lernt, wie Rembrandt zu malen
Für die möglichst originalgetreue Rekonstruktion des ursprünglichen Gemäldes fütterten die Forscher ein künstliches neuronales Netz mit den gesammelten Daten, das anschließend auf Basis von Lundens' Kopie die fehlenden Ränder malte.
"Wir haben ein unglaublich detailliertes Foto der Nachtwache gemacht und durch Künstliche Intelligenz haben wir dem Computer beigebracht, welche Farben Rembrandt in der Nachtwache verwendet hat und wie seine Pinselstriche aussahen", sagt Taco Dibbits, der Leiter des Amsterdamer Rijksmuseum, gegenüber Associated Press.
Die Künstliche Intelligenz half den Forschern zudem, perspektivische Verzerrungen auf Lundens' Kopie zu beseitigen, da der Künstler Rembrandts Gemälde aus einer Ecke des Raums und nicht frontal nachmalte.
Eine neue Bildwirkung
Das rekonstruierte Werk verschiebt die Hauptfiguren Frans Banninck Cocq und Leutnant Willem van Ruytenburch aus der Mitte des Gemäldes leicht nach rechts, so wie es Rembrandt ursprünglich beabsichtigte. "Das gibt dem Gemälde eine andere Dynamik", sagt Dibbits. "Und es lehrte uns, dass Rembrandt nie das macht, was man erwartet."
Das Ergebnis des KI-basierten Rekonstruktionsversuchs ist in der Ehrengalerie des Rijksmuseums ausgestellt. Das Museum druckte die fehlenden Ränder und befestigte sie an den Seiten des Gemäldes, sodass Betrachter zum ersten Mal seit 306 Jahren eine Vorstellung vom ursprünglichen Werk bekommen.
Den hochauflösenden Scan des Gemäldes kann man kostenlos im Internet bewundern – allerdings ohne die ergänzten Ränder. Mehr Information zu Operation Night Watch gibt es auf der offiziellen Internetseite.
Quelle: Associated Press, Titelbild: Rijksmuseum