Der VR-Pionier und Techphilosoph Jaron Lanier gehört zu den schillerndsten Gestalten in der Geschichte der Virtual Reality. In einem Interview spricht er über sein neues Buch, in dem er das Potenzial der Technologie beschreibt und erklärt, weshalb er mit Hololens im Wald spazieren geht.
Lanier gründete Mitte der 80er Jahre eines der ersten Unternehmen, das VR-Produkte auf den Markt brachte, darunter VR-Brillen, Datenhandschuhe und Ganzkörperanzüge. Aktuell arbeitet Lanier für Microsoft an Mixed-Reality-Projekten.
Das US-Magazin Wired sprach mit dem Techguru über sein kürzlich erschienenes Buch "Dawn of the New Everything: Encounters with Reality and Virtual Reality" und fragte ihn nach seiner persönlichen Vision der Virtual Reality.
Im Mittelpunkt steht der Körper
"Ich habe eine Vorstellung davon, die aber schwer in Worte zu fassen ist: Virtual Reality beschreibt eine Entwicklung, bei der sich die Menschen auf immer fantastischere und schönere Weise ausdrücken und kommunizieren. Dieser Vorgang wird zu einem unendlichen Abenteuer, das viel interessanter ist als das Streben nach Macht. Dadurch könnte Virtual Reality die Menschen davon abbringen, alles zu zerstören", sagt Lanier.
In der Virtual Reality gehe es nicht darum, eine äußere Welt abzubilden, sondern die eigene Körperlichkeit neu zu entdecken. "Es ist viel interessanter, zu erleben, wie man sich selbst verändert, als etwas anzuschauen, das in der äußeren Welt passiert. Das schärft den Sinn für die Realität."
Als gelungenes Beispiel nennt Lanier die VR-Installation Life of Us, in der man die Evolution am eigenen Körper durchlebt und die Gestalt unterschiedlicher Spezies annimmt. Solche Erfahrungen böten Menschen Gelegenheit, sich selbst zu erforschen.
Künstliche Intelligenz ist ein Schwindel
Vom gegenwärtigen Hype um Künstliche Intelligenz hält Lanier nicht viel: "KI ist ein Fake. Du nimmst Datensätze und wertest sie mittels verschiedener Verfahren aus. [...] Ich hätte nicht gedacht, dass irgendjemand annimmt, KI sei real."
Virtual Reality sei realer als KI, gerade weil sie als eine Illusion verkauft wird. "Im Gegensatz zu Schwindlern sagen dir gute Zauberkünstler die Wahrheit und machen deutlich: 'Das ist eine Illusion, ich täusche dich'. In der gleichen Weise kann man sagen: VR ist wirklich und KI ein Fake", sagt Lanier, ohne seine Ansicht weiter zu begründen.
Augmented Reality als Realitätsverstärker
Auf die Unterschiede zwischen Virtual und Augmented Reality angesprochen, meint der Techphilosoph: "In der klassischen Virtual Reality geht es um dich, den menschlichen Körper, die menschliche Identität, die menschliche Interaktion. Die Mixed Reality dreht sich hingegen um die Erforschung der Welt."
Mit Pokémon Go hätten die Menschen die reale Welt aufgesucht und geschätzt. "Deshalb musste Hololens drahtlos sein. Bis heute ist das Beste, was ich mit Hololens machen kann, das Gerät in die Wildnis mitzunehmen. [...] Wenn du einen Wald digital erweiterst und die Brille danach abnimmst, tritt der reale Wald stärker hervor. Augmented Reality lässt einen die Wirklichkeit besser erkennen", sagt Lanier.
Die Kunstform des 21. Jahrhunderts
Der passionierte Musiker und Komponist Lanier sieht in der Virtual Reality eine Technologie, die Künstler befähigen könnte, Realität beliebig zu formen - wie ein Musiker, der auf einem Instrument improvisiert. Lanier sieht darin die Kunstform der Zukunft.
Die Virtual Reality könne sich aber auch zu einem Albtraum entwickeln. "Historisch gesehen können wir uns glücklich schätzen, dass wir Fake News noch in sozialen Medien statt in der Virtual oder Mixed Reality erleben", sagt Lanier. Er hofft, dass die Menschheit das Problem in den Griff bekommt, bevor es in der digitalen Mischrealität ankommt, wo Schein und Wirklichkeit noch schwieriger zu trennen sind.
"Wir leben in einer gefährlichen Zeit. Aber ich glaube an die menschliche Kreativität, Intelligenz und Weisheit. Wenn es uns gelingt, die Technologie so zu nutzen, dass Menschen sie als solche erkennen und meistern können, dann werden wir ihr volles Potenzial entfalten können."