Ein Forscherteam hat mithilfe eines von Google entwickelten KI-Modells einen rätselhaften Unterwasserklang, der 2014 im Marianengraben aufgenommen wurde, als bisher unbekannten Ruf des Brydeswals identifiziert. Die Entdeckung ermöglicht neue Erkenntnisse über die Verbreitung und Wanderungsmuster dieser wenig erforschten Walart.
Ein komplexer Unterwasserklang, der 2014 während einer akustischen Vermessung des Marianengrabens aufgezeichnet wurde, stellte Forscher lange vor ein Rätsel. Der als "Biotwang" bezeichnete Ruf konnte keiner bekannten Walart zugeordnet werden. Nun hat ein Forscherteam mithilfe eines von Google entwickelten KI-Modells den Urheber identifiziert: Es handelt sich um einen bisher unbekannten Ruf des Brydeswals (Balaenoptera edeni).
Laut einer im Fachjournal Frontiers in Marine Science veröffentlichten Studie gelang die Zuordnung durch die Kombination von visuellen Sichtungen und akustischen Aufnahmen während zweier Forschungsfahrten im Marianengraben in den Jahren 2018 und 2021. Bei neun bestätigten Sichtungen von Brydeswalen wurden zeitgleich die charakteristischen "Biotwang"-Rufe aufgezeichnet. Der "Biotwang" ist ein komplexer Ruf, der etwa 3,5 Sekunden dauert und aus fünf verschiedenen Teilen besteht. Er beginnt bei 30 Hz und endet mit einem metallischen Klang, der bis zu 8000 Hz erreicht.
Diese einzigartige Struktur unterscheidet ihn von bisher bekannten Walrufen. Das von den Google-Forschern entwickelte KI-Modell wurde mit manuell annotierten "Biotwang"-Rufen trainiert und konnte diese in einem umfangreichen Datensatz von Unterwasseraufnahmen im westlichen und zentralen Nordpazifik zuverlässig identifizieren. Die Analyse zeigte ein konsistentes saisonales Auftreten der Rufe im Marianengraben und 2.200 km östlich davon bei der Insel Wake, mit gelegentlichem Vorkommen bis zu den Nordwestlichen Hawaiianischen Inseln und nahe des Äquators.
Die Häufigkeit der "Biotwang"-Rufe deutet auf ein zweigipfliges Wanderungsmuster hin, bei dem die Brydeswale zweimal im Jahr an den Aufnahmeorten vorbeizuziehen scheinen: in geringerer Zahl zwischen Februar und April, und verstärkt zwischen August und November. Die Forscher vermuten, dass die Wale zwischen äquatorialen Fortpflanzungsgebieten und nördlicheren Nahrungsgründen hin- und herwandern.
Lauren Harrell, Datenwissenschaftlerin bei Google Research, erklärt: "Unser Modell kann acht verschiedene Arten sowie mehrere Rufe für zwei dieser Arten identifizieren. Nach der Entdeckung unseres Kooperationspartners, der die Biotwangs mit den Brydewalen in Verbindung brachte, haben wir das Modell auf die Biotwangs ausgeweitet und es zur Kennzeichnung von mehr als 200.000 Stunden Unterwasseraufnahmen verwendet".
Das KI-Modell soll Forschern dabei helfen, automatisch nach den seltenen "Biotwang"-Rufen in großen Mengen von Unterwasser-Audiodaten zu suchen. Durch die Analyse der zeitlichen und räumlichen Muster dieser Rufe hoffen die Wissenschaftler, die komplexen und möglicherweise klimaabhängigen Wanderungsbewegungen der Brydeswale im westlichen Nordpazifik besser zu verstehen.