Google, Apple, OpenAI und andere Firmen glauben, dass Suchmaschinen zu Antwortmaschinen werden sollten. Das verändert das WWW, wie wir es heute kennen. Eine umfangreiche UX-Studie liefert hierfür weitere Beweise.
Eine erstmals durchgeführte UX-Studie zur Nutzung der von Google eingeführten "AI Overviews" (AIO) zeigt, wie stark KI-generierte Antworten das Verhalten von Internetnutzern verändern – und welche Konsequenzen das für Webseitenbetreiber, Plattformen und das gesamte Suchökosystem haben könnte.
KI-Antworten reduzieren Klicks drastisch – vor allem am Desktop
Die zentrale Erkenntnis der Untersuchung: Sobald ein AI Overview auf der Suchergebnisseite erscheint, sinkt die Zahl der ausgehenden Klicks deutlich. Auf dem Desktop reduziert sich die Click-Through-Rate (CTR) auf externe Webseiten um zwei Drittel, auf mobilen Geräten um fast die Hälfte. Nutzer betrachten die AIO häufig als abschließende Antwort. Interne Klicks innerhalb der AIO bleiben selten (7,4 Prozent Desktop, 19 Prozent Mobile).

Nutzer filterten die Suchergebnisse oft in zwei Schritten: Zunächst prüfen sie, ob eine Quelle vertrauenswürdig ist – erst danach, ob die Information zur Suchintention passt. In 58 Prozent der Fälle mit bekannten Marken oder .gov/.edu-Domains wurden diese zuerst angeklickt. 18 Prozent der Nutzer suchten zur Absicherung eine zweite Quelle, etwa Reddit oder YouTube.
Die meisten Nutzer lesen zudem nur den oberen Teil der AIO. Zwar klicken 88 Prozent auf "Mehr anzeigen", doch die mediane Scrolltiefe liegt bei nur 30 Prozent. Nur wenige erreichen überhaupt den unteren Bereich. 86 Prozent der Nutzer "überfliegen" die Inhalte lediglich. Vertrauen und Sichtbarkeit entstehen fast ausschließlich im oberen Drittel – ähnlich wie bei klassischen Snippets.
Je höher das Risiko, desto kritischer der Blick
Bei Suchen mit persönlichem Risiko – etwa Gesundheit oder Finanzen – zeigen Nutzer deutlich mehr Skepsis gegenüber AIOs. Die Scrolltiefe steigt bei DIY- und Gesundheitsfragen auf durchschnittlich mehr als 50 Prozent. Bei simplen Aufgaben wie Gutscheinrecherche liegt sie deutlich darunter (34 Prozent). In 38 Prozent der Sitzungen mit AIO wurde eine zweite Quelle geöffnet, um Aussagen zu verifizieren.
Insbesondere junge Nutzer und solche mit hoher digitaler Affinität vertrauen den KI-Antworten eher. Die Nutzer zwischen 25 und 34 Jahren akzeptieren KI-Antworten bei der Hälfte aller Suchanfragen als final. Mobile Nutzer scrollen tiefer (54 Prozent) als Desktop-Nutzer (29 Prozent). Ältere Nutzer bevorzugen weiterhin klassische blaue Links.

Wenn Nutzer die AIO verlassen, landen sie häufig auf Reddit, YouTube oder in Foren. Besonders bei jüngeren Zielgruppen spielen diese Validierungsquellen eine zentrale Rolle. Bei DIY-Fragen überspringen viele Nutzer AIOs bewusst, um stattdessen Videos mit praktischen Demonstrationen zu sehen. Die durchschnittliche Verweildauer bei Videos (37 s) übertrifft die bei AIOs (31 s).
Bei Suchanfragen mit kommerziellem Hintergrund – etwa Preisvergleiche oder Produktempfehlungen – zeigt sich, dass viele Nutzer den AIOs zwar Aufmerksamkeit schenken, sich aber dennoch auf andere Plattformen verlassen. Hier wurde insbesondere Amazon als eine Art Meta-Suchmaschine genutzt.
Klassische organische Treffer spielen bei Produktsuchen kaum noch eine Rolle. Sieben von zehn Klicks entfallen auf Google-kuratierte Verticals oder bezahlte Anzeigen, und AIOs generieren kaum direkten Traffic– auch weil viele Nutzer bei materiellen Kaufentscheidungen visuelle Inhalte, Sternebewertungen und Nutzerkommentare bevorzugen.
Neue Metriken für eine neue Suchwelt
Im Kontext des Marketings empfiehlt die Studie, Sichtbarkeit statt Klicks zu messen. Entscheidend sei, wie oft und wie prominent eine Marke in AIOs erscheint. Metriken wie Zitationsrang oder "Share of Voice" würden wichtiger als klassische Positionen. Der Kampf um die SERP verlagert sich von Ranking zu Präsenz.
Keine Hilfe ist das jedoch für all jene, deren Geschäftsmodell davon abhängt, dass Menschen unmittelbar ihre Webseite aufrufen, speziell Verlage. Diese dürften massiv Traffic verlieren oder ihn teuer erkaufen - bei Google, versteht sich. Die Folge ist eine noch stärkere Machtkonzentration bei den Plattformbetreibern Google und Meta, perspektivisch auch Apple.
Vor kurzem hatte Google angekündigt, die AI Overviews in der Suche weltweit auszurollen. Mit dem AI Mode ist zudem eine noch umfangreichere Variante der KI-Antwortmaschine in Arbeit, die Nutzer noch stärker im Google-Ökosystem hält und Klicks weiter reduzieren dürfte. Auch andere Studien zeigen, dass der Wandel vom Such- zum Antwort-Web eine historische Zeitenwende in der Internetnutzung einleiten könnte.
So lief die Untersuchung ab
Die Studie wurde von Kevin Indig gemeinsam mit Eric van Buskirk und seinem Team durchgeführt und auf Growth Memo veröffentlicht. Es wurden 69 englischsprachige Nutzer in den USA rekrutiert. Davon nutzten 42 ein Mobilgerät, 27 einen Desktop-Browser.
Die Teilnehmer führten insgesamt acht reale Google-Suchanfragen durch, darunter sechs mit AIO und zwei ohne. Die Aufgaben reichten von Produktsuchen über Finanz- und Gesundheitsfragen bis zu DIY-Themen. Die Sitzungen wurden mit UXtweak aufgezeichnet, inklusive Bildschirm, Scrollverhalten, Mausbewegungen und Audio-Kommentaren ("Think aloud").
Drei speziell geschulte Analysten kodierten über 500 Videos frame-genau. Erfasst wurden unter anderem Scrolltiefe, Verweildauer, Klickverhalten, Reaktionsmuster sowie die finale Auswahlentscheidung der Nutzer. Die wichtigsten Metriken wie Trust Scores, Klickraten und Scrollverhalten wurden anschließend statistisch ausgewertet.