In China treibt KI-gestützte Massenüberwachung teils seltsame Blüten.
In der chinesischen Stadt Suzhou setzten Behörden Gesichtserkennung ein, um Bürger zu identifizieren, die öffentlich im Schlafanzug herumliefen. Das ist in China im Grunde nichts Außergewöhnliches - wie bei jedem Modetrend existieren natürlich auch Kritiker.
Zu diesen Kritikern gehören Verantwortliche der Zehn-Millionen-Stadt Suzhou: Sie nutzten im Kampf gegen "unzivilisiertes Verhalten" KI-gestützte Überwachungskameras, um sieben öffentliche Schlafanzugträger anhand eines Gesichtsscans zu identifizieren.
Anschließend veröffentlichten sie ein Kamerabild, die Nachnamen der betroffenen Personen samt einer staatlichen Identifikationsnummer, den Ort der Schlafanzugschandtat und weitere Informationen in sozialen Medien.
"Unzivilisiertes Verhalten ist, wenn Menschen auf eine Weise handeln, die die öffentliche Ordnung verletzt, weil es ihnen an einer Moralvorstellung fehlt", heißt es unter anderem im Begleittext des mittlerweile wieder gelöschten Social-Beitrags.
Der Anlass für die öffentliche Ermahnung: Suzhou befindet sich in einem nationalen Wettbewerb um den Titel "zivilisierte Stadt".
Auf Kritik folgt eine Entschuldigung
Offenbar ging das Schlafanzug-Shaming einen Schritt zu weit: Social-Media-Nutzer protestierten gegen die öffentliche Bekanntgabe privater Informationen. Eine Nutzerin wies darauf hin, dass Gesichtserkennung mit Vorsicht eingesetzt und der Zugang eingeschränkt werden sollte. Andere Nutzer wollten wissen, was falsch daran sei, in der Öffentlichkeit einen Schlafanzug zu tragen.
"Wenn Berühmtheiten bei einer Veranstaltung Pyjamas tragen, werden sie als modisch bezeichnet", schreibt die Nutzerin Cai Shen Jie. "Aber wenn gewöhnliche Leute Pyjamas auf der Straße tragen, werden sie als unzivilisiert bezeichnet".
Die chinesische Fashion-Bloggerin Huang Huang spricht von einem Alarmsignal für chinesische Tech-Entwickler und die Regierung. Der Pyjama-Fall sei ein Beispiel dafür, was passiere, wenn leistungsfähige Technologie in die Hände von unqualifizierten, dummen Bürokraten gerate.
"Die Entscheidung wurde wahrscheinlich von jemandem getroffen, der kein Verständnis für internationale Mode hat und dafür, wie man Technologie zum Wohle der Menschen einsetzt, anstatt sie nur zu kontrollieren", schreibt Huang.
Immerhin: Die Stadt reagiert schnell, löschte den ursprünglichen Beitrag und veröffentlichte eine "aufrichtige Entschuldigung". Die Art und Weise, wie die Information veröffentlicht worden sei, und der Inhalt des Postings seien "nicht richtig gehandhabt" worden.
Quellen: New York Times, BBC, Globaltimes (China); Titelbild: Screenshot aus Weibo via Globaltimes