Die Spannungen zwischen OpenAI und Microsoft nehmen zu. Interne Überlegungen bei OpenAI zeigen, wie tief das Misstrauen gegenüber dem langjährigen Partner reicht.
Laut einem Bericht des Wall Street Journal erwägt OpenAI, Microsoft wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens bei den bestehenden Vertragskonditionen anzuzeigen. Eine solche Beschwerde könnte eine kartellrechtliche Prüfung durch US-Behörden auslösen.
Bereits zuvor gab es Hinweise auf Differenzen zwischen den Unternehmen. Microsoft-CEO Satya Nadella äußerte sich wiederholt skeptisch gegenüber Szenarien einer generellen Superintelligenz und betonte stattdessen die Notwendigkeit eines messbaren Return on Investment – angeblich soll die "AGI-Hürde" bei einem Profit von 100 Milliarden US-Dollar festgeschrieben sein. Ein Ziel, das für OpenAI angesichts der aktuellen Kostenstruktur nur durch anhaltend starkes Wachstum in den kommenden Jahren erreichbar ist.
Auch Nadellas Einschätzung, dass große KI-Modelle zunehmend zu austauschbarer Standardware würden, dürfte bei OpenAI und dessen Investoren auf wenig Zustimmung gestoßen sein. Microsoft beteiligt sich zudem nicht im vollen Umfang an OpenAIs Rechenzentrumsplänen.
Verhandlungen über OpenAIs Umstrukturierung geraten ins Stocken
Wie das Wall Street Journal berichtet, ist zudem OpenAIs geplante Umwandlung in eine gewinnorientierte Public Benefit Corporation ins Stocken geraten. Der Schritt ist Voraussetzung für künftige Finanzierungsrunden. Sollte die Umwandlung nicht bis zum Jahresende abgeschlossen sein, droht OpenAI laut dem Bericht der Verlust von bis zu 20 Milliarden US-Dollar an zugesagten Mitteln.
Microsoft müsste dieser Umstrukturierung zustimmen, fordert im Gegenzug jedoch eine größere Beteiligung an dem neuen Unternehmen, als OpenAI bereit ist zu gewähren. Die Gespräche gelten als festgefahren.
Ein weiterer Konflikt ist die geplante Übernahme des Coding-Startups Windsurf durch OpenAI für rund drei Milliarden US-Dollar. Microsoft, das mit GitHub Copilot ein konkurrierendes Produkt anbietet, hat laut bestehendem Vertrag umfassenden Zugriff auf OpenAIs geistiges Eigentum. OpenAI will verhindern, dass dieser Zugriff auf Windsurf ausgeweitet wird.
Darüber hinaus konkurrieren OpenAI und Microsoft inzwischen direkt in mehreren Bereichen, etwa bei Chatbots für Endnutzer und KI-Tools für Unternehmen. OpenAI strebt deshalb eine breitere Aufstellung an und will künftig mit mehreren Cloud-Anbietern zusammenarbeiten, um sich von Microsofts Infrastruktur unabhängiger zu machen.
Microsoft hingegen möchte sich vertraglich zusichern lassen, dass der Zugriff auf OpenAIs Technologie auch dann bestehen bleibt, wenn das Unternehmen eine sogenannte "Artificial General Intelligence" (AGI) erreicht – ein Punkt, den OpenAI als Zäsur sieht und der das Ende der Partnerschaft markieren könnte.
In einer gemeinsamen Erklärung betonten Vertreter beider Unternehmen, man habe eine langfristige, produktive Partnerschaft, die beeindruckende KI-Werkzeuge für alle hervorgebracht habe. Die Gespräche liefen und man sei optimistisch, dass man auch in den kommenden Jahren weiter gemeinsam neue Produkte entwickeln könne.
OpenAI will Microsofts Exklusivrechte und Gewinnbeteiligung neu verhandeln
Auch The Information berichtet, dass OpenAI weitreichende finanzielle und vertragliche Zugeständnisse von Microsoft fordert. Demnach möchte das Start-up die bestehende Exklusivvereinbarung auflösen, die Microsoft das alleinige Recht gibt, OpenAI-Modelle über die eigene Cloud-Infrastruktur per API zu vertreiben. OpenAI hat Investoren signalisiert, dass es aus diesem Vertrag aussteigen will, um seine Modelle auch über andere Anbieter wie Google oder Amazon verfügbar zu machen.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Gewinnverteilung: OpenAI will den Anteil, den Microsoft künftig aus den Erlösen erhält, deutlich senken. Bleibt es bei der bisherigen Regelung, könnte Microsoft im Jahr 2030 mehr als 35 Milliarden US-Dollar erhalten – basierend auf einer internen Umsatzprognose von 174 Milliarden US-Dollar.
OpenAI schlägt Microsoft angeblich eine Beteiligung von rund 33 Prozent an der neuen PBC-Unternehmensstruktur vor, wenn Microsoft auf künftige Gewinnansprüche verzichtet.
OpenAI klopft schon bei Google an
Vor kurzem hat OpenAI laut Reuters begonnen, Rechenkapazitäten von Google Cloud zu nutzen. Die überraschende Kooperation mit dem direkten Wettbewerber soll den wachsenden Bedarf für das Training und den Betrieb großer KI-Modelle decken und zugleich die Abhängigkeit von Microsoft verringern.
Die Vereinbarung wurde demnach im Mai abgeschlossen und ergänzt OpenAIs bestehende Infrastruktur, zu der auch das eigene Rechenzentrumsprojekt Stargate gehört. Neben Microsoft und Google arbeitet OpenAI auch mit Oracle zusammen.