Dänische Forschende haben ein KI-System maßgeschneiderte politische Argumente generieren lassen, um die Mechanismen konstruktiver Diskussionen zu verstehen.
Politische Diskussionen in sozialen Medien gelten oft als toxisch und unproduktiv. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass sich die Qualität solcher Debatten durch gezielte Anpassungen drastisch verbessern lässt. Dänische Wissenschaftler:innen haben mit einem neuartigen Ansatz systematisch untersucht, welche Faktoren über Erfolg oder Scheitern politischer Online-Diskussionen entscheiden.
Das Forschungsteam der Universität Kopenhagen führte zwischen Juli und August 2023 ein Experiment mit 3.303 Teilnehmenden aus den USA und Großbritannien über die Plattform Prolific durch. Dabei setzte es GPT-4 als experimentelles Werkzeug ein.

Die Forschenden ließen das OpenAI-Modell auf jede individuelle politische Position der Teilnehmenden zugeschnittene Antworten formulieren. Statt vorgefertigter Textbausteine zu fixen Themen entwickelte die KI Gegenargumente zu den persönlichen Überzeugungen der Probanden.
Diese Herangehensweise überwindet eine fundamentale Limitation experimenteller Politikforschung, erklärt die Studie. Bisher mussten Forschende entweder auf unrealistische Standardthemen setzen oder auf kontrollierte Experimente verzichten.
GPT-4 als maßgeschneiderter Diskussionspartner
GPT-4 erhielt spezifische Anweisungen für vier Behandlungsdimensionen. Das System sollte Argumente wahlweise evidenzbasiert oder emotional formulieren, einen respektvollen oder sarkastischen Ton anschlagen, Kompromissbereitschaft oder Unnachgiebigkeit signalisieren und verschiedene Parteiidentitäten annehmen oder neutral bleiben.
Um die Antworten der Teilnehmenden auszuwerten, überprüften drei Kodierende die Texte manuell anhand eines vordefinierten Schemas. Die Forschenden stellten zudem durch separate Validierungsverfahren sicher, dass die von der KI generierten Argumente den Vorgaben entsprachen und keine inhaltlichen Überschneidungen zwischen den Versuchsgruppen auftraten.
Die Untersuchung bestätigt, dass moderne Sprachmodelle zuverlässige Forschungswerkzeuge sein können, wenn entsprechende Kontrollmechanismen implementiert werden. Die Forschenden stützten sich dabei auf frühere Studien, die bereits gezeigt hatten, dass vom Sprachmodell generierte Argumente als ebenso überzeugend und originell wie menschliche Beiträge wahrgenommen werden können.
Respektvoller Ton übertrifft alle anderen Faktoren
Die Ergebnisse zeigen deutliche Effekte der KI-gesteuerten Manipulationen. Ein respektvoller Tonfall erhöht die Wahrscheinlichkeit für hochwertige Antworten um neun Prozentpunkte, evidenzbasierte Argumente um sechs Prozentpunkte, Kompromissbereitschaft um fünf Prozentpunkte.

Überraschend schwach fiel der Einfluss der Parteizugehörigkeit aus. Teilnehmende reagierten auf politische Gegner:innen kaum schlechter als auf Mitglieder der eigenen Partei. Am besten schnitten Argumente ohne Partei-Signaling ab.
Die optimale Kombination aller positiven Faktoren verdoppelt laut der Studie die Wahrscheinlichkeit für konstruktive Diskussionsbeiträge von 24 auf 47 Prozent. Zusätzlich entstehen Spillover-Effekte zwischen den Elementen.
Spiegeleffekt und Wechselwirkungen
Das Experiment deckte auch subtile Wechselwirkungen zwischen den Diskurselementen auf. So verringern evidenzbasierte Argumente auch respektloses Verhalten, und die Bereitschaft zu Kompromissen motiviert die Gegenseite zu besseren Begründungen, selbst wenn die ursprüngliche Argumentqualität nicht variiert wurde.
Selbst in hochpolarisierten Systemen können Inhalte und Tonfall die Auswirkungen von Parteiidentitäten überwiegen. Das deutet darauf hin, dass destruktive Online-Debatten weniger mit politischer Spaltung zu tun haben als mit der Art der Gesprächsführung.
Bessere Debatten ohne Meinungsänderung
Trotz verbesserter Diskursqualität änderten die Teilnehmenden ihre politischen Grundhaltungen nicht. Bessere Gesprächsführung kann das Klima verbessern, führt aber nicht automatisch zu Meinungsänderungen.
Immerhin stieg die Offenheit für alternative Standpunkte. Eine leichte Abnahme der politischen Polarisierung zeigte sich jedoch nur dann, wenn ein Argument von einem Mitglied der eigenen Partei vorgebracht wurde.
Die Ergebnisse zeigen laut den Forschenden, wie entscheidend es ist, bessere Argumentationsformen zu erlernen. Ansätze zur Online-Debatte können gesunde demokratische Interaktionen fördern, haben aber weniger Einfluss auf Meinungsänderungen als erhofft.
Die Erkenntnisse könnten Social-Media-Plattformen dabei helfen, KI-Systeme zu entwickeln, die Nutzer:innen zu konstruktiveren Diskussionen anleiten – wenn sie das denn wollen.