Im Rahmen der KI-Serie „KI-Humanitas: Enabling AI-Skills“ haben Dr. Wolfgang König und The Decoder mit Daniela Todorova (Director Learning) und Lara Bems (Skilling Program Manager) von Microsoft Deutschland gesprochen. Thema des Gesprächs: Wie Copilot im Arbeitsalltag eingesetzt wird, worin sich Copilot von ChatGPT unterscheidet, welche Anforderungen der EU AI Act stellt – und warum KI-Kompetenz heute zur Grundausstattung in Unternehmen gehört.
König: Frau Todorova, was macht ein „Director Learning“ bei Microsoft Deutschland – und was verstehen Sie persönlich unter KI-Kompetenz?
Daniela Todorova: Als Director Learning bei Microsoft Deutschland verantworte ich die strategische Ausrichtung und Umsetzung von Lern- und Weiterbildungsinitiativen. Das Ziel von mir und meinem Team ist es, eine Kultur des lebenslangen Lernens zu fördern – sowohl bei Kunden als auch bei unseren Mitarbeitenden und Studierenden.
KI-Kompetenz bedeutet für mich, ein grundlegendes Verständnis von künstlicher Intelligenz, Daten und ethischen Prinzipien zu haben – kombiniert mit der Fähigkeit, kritisch zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Entscheidend ist dabei das Rollenverständnis: Wir Menschen bleiben Kapitäne, KI ist unser Co-Pilot.
Da KI-Agenten mehr und mehr Routineaufgaben autonom übernehmen, bedarf es allerdings auch einer sogenannten „doppelten Teamfähigkeit“, die es erlaubt, erfolgreich im Team mit anderen Menschen, aber auch mit der KI zusammenzuarbeiten. Nur wer neugierig, anpassungsfähig und experimentierfreudig bleibt, kann diese „doppelte Teamfähigkeit“ aufbauen.
The Decoder: Ist das nicht ein Widerspruch? Oder wie sieht diese Arbeit mit KI-Agenten im Team aus? Sind diese nicht zu unzuverlässig, um mehr als Co-Piloten zu sein? Und wo genau liegt der Unterschied zwischen einem Copiloten und einem Agenten technisch?
Todorova: Ich sehe keinen Widerspruch darin, dass wir als Menschen die Kapitäne bleiben und gleichzeitig KI-Agenten autonom Routineaufgaben übernehmen. Ich vergleiche das gern mit einem modernen Flugzeug: Der Mensch sitzt im Cockpit, trifft die Entscheidungen, trägt die Verantwortung. Aber der im Flugzeug sogenannte Autopilot, also was für uns die KI ist, übernimmt viele Aufgaben, die standardisiert und wiederholbar sind. Das entlastet uns und schafft Raum für das, was wirklich zählt: Kreativität, Strategie und Menschlichkeit.
KI kann uns also vorschlagen, analysieren und automatisieren, aber sie folgt unseren Vorgaben. Und wenn es Turbulenzen gibt, greifen wir ein. Diese Zusammenarbeit ist also keine Konkurrenz, sondern eine neue Form von Teamwork.
Um die Zuverlässigkeit zu steigern, braucht es ein Zusammenspiel aus Zielklarheit, Governance, Monitoring und menschlicher Verantwortung: Der KI-Agent kann nur dann zuverlässig agieren, wenn sein Zweck und seine Aufgaben klar umrissen sind. Dabei spielt das Training eine zentrale Rolle: Die Zuverlässigkeit hängt maßgeblich davon hab, wie gut der Agent trainiert wurde.
Mit dem Blick auf Governance empfiehlt es sich, sogenannte „Wächter-KIs“ zu implementieren, welche andere Agenten überwachen und eingreifen, wenn diese vom Kurs abweichen. In diesem Zuge ist es wichtig, dass sämtliche Entscheidungen der KI-Agenten dokumentiert und auditierbar sind, und Tools zur Risikoanalyse und -minderung greifen, um potenzielle Schwachstellen zu erkennen.
Um auf Ihre letzte Frage einzugehen: Der Unterschied zwischen einem Copiloten (bspw. Microsoft 365 Copilot oder ChatGPT) und einem KI-Agenten ist enorm. Während Copiloten den Bereich generativer KI abdecken, sprechen wir bei Agenten von agentenbasierter KI. Generative KI ist eine Form der künstlichen Intelligenz, die in der Lage ist, eigenständig neue Inhalte wie Texte, Bilder, oder auch Musik und Code zu generieren. Sie braucht aber immer einen menschlichen Impuls, einen Prompt, um zu agieren.
Agentenbasierte KI hingegen geht einen Schritt weiter. Sie ist darauf ausgelegt, Ziele eigenständig zu verfolgen, Entscheidungen zu treffen und mehrstufige Prozesse zu steuern, ohne dass der Mensch jeden Schritt anstoßen muss.
König: Der EU AI Act bringt neue Anforderungen mit sich – insbesondere die Pflicht, KI-Kompetenzen in Unternehmen zu fördern. Frau Todorova, was sollten Organisationen Ihrer Meinung nach jetzt konkret tun, wenn Sie KI-Werkzeuge wie Chatbots der Belegschaft zur Verfügung stellen wollen? Was ist für Sie die minimalste KI-Kompetenz, über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen sollten?
Todorova: Um den Anforderungen des EU AI Act gerecht zu werden und KI-Werkzeuge wie Chatbots der Belegschaft bereit zu stellen, sollten Organisationen eine Lernkultur fördern, in der Führungskräfte als Vorbilder agieren und bereichsübergreifende Zusammenarbeit unterstützen.
Mit Blick auf die KI-Kompetenzen sollten Führungskräfte dadurch den Rahmen für eine interne KI-Lern-Taskforce schaffen, um regelmäßig gemeinsam KI-Anwendungsfälle zu erkunden und Lernerfahrungen zu sammeln. Nur so kann eine Kultur des Lernens und Experimentierens aufgebaut werden, die Neugier, eine positive Fehlerkultur und informelles Peer-Learning fördert. Das Wichtigste hierbei ist, Mitarbeitenden die Komponenten verantwortungsvoller KI zu vermitteln: Fairness, Verlässlichkeit und Sicherheit, Datenschutz, Transparenz, Rechenschaftspflichten und Inklusion - das sind auch bei Microsoft unsere Prinzipien für verantwortungsvolle KI. Denn Unternehmen, die verantwortungsvolle KI-Lösungen einsetzen stärken nicht nur das Vertrauen in die Technologie, sondern sind gleichzeitig Treiber von Innovation.
König: Auch Microsoft muss sicherstellen, dass KI-Lösungen wie Copilot den Anforderungen des EU AI Act entsprechen. Frau Todorova, welche Aspekte sind dabei besonders für Unternehmen relevant, die Copilot einsetzen möchten? Welche Skills sind in der Anbieterrolle zu berücksichtigen, welche in der Betreiberrolle?
Todorova: Bei Microsoft haben wir uns verpflichtet, unsere bereitgestellten KI-Lösungen unter Einhaltung des EU AI Acts zur Verfügung zu stellen. Mehr noch: Wir arbeiten eng mit dem EU AI Act Office, relevanten Behörden und den Mitgliedsstaaten zusammen, um unsere Erkenntnisse zu teilen, offene Fragen zu klären und für praktische Lösungen zu entwickeln.
Intern fördern wir die Einhaltung der Anforderungen mit regelmäßigen Learning Days, Hackathons und AI Skills Challenges für unsere Mitarbeitenden – sowohl im gesamten Unternehmen als auch rollenspezifisch. Neben der Vermittlung von KI-Kompetenzen ist es für Unternehmen wichtig, den eigenen KI-Fußabdruck zu verstehen. Das beinhaltet regelmäßige Prüfung und Risikobewertung der eingesetzten KI-Lösungen, da je nach Art, Modell und System unterschiedliche Vorgaben erfüllt werden müssen. Stellen Sie sicher, dass Ihr Governance-Rahmen die Anforderungen des KI-Gesetzes erfüllt, um eine verantwortungsvolle Entwicklung und Einführung von KI-Systemen zu gewährleisten. Und zuletzt kann ich nur empfehlen, sich aktiv am Regulierungsprozess zu beteiligen: Informieren Sie sich laufendend über regulatorische Entwicklungen, und tauschen Sie sich mit politischen Entscheidungsträger*innen und Branchenverbänden aus, um die Einhaltung neuer Vorschriften auch in Zukunft sicherzustellen.
König: Wir haben bisher über die Verwendung von KI am Arbeitsplatz gesprochen. Frau Bems, welche Rolle spielt das Lernen mit KI-gestützten Tools in der modernen Arbeitswelt aus Ihrer Sicht?
Lara Bems: Im Bereich des Lernens bietet uns KI ein unglaubliches Potenzial. KI kann uns dabei helfen, neue Lernmethoden zu entwickeln und unsere ganz persönliche, auf unsere Bedürfnisse abgestimmte, Lernreise zu gestalten. Mit Hilfe von generativer KI können außerdem neue Lerninhalte erstellt, und personalisierte Lernempfehlungen oder auch Feedback gegeben werden. Ich habe mich beispielsweise mit Copilot als mein Quiz-Master auf eine anstehende Zertifizierung vorbereitet – und bestanden.
Um Unternehmen dabei zu helfen, genau solche Skills bei Mitarbeitenden aufzubauen, aber auch eine Übersicht zu erlangen, welche Skills im Unternehmen bereits vorhanden sind, veröffentlicht Microsoft ab Juni „People Skills“, einen Dienst, der darauf abzielt, die Fähigkeiten und Kompetenzen von Mitarbeitern zu erfassen und zu verwalten, und den passenden Skills Agent – eingebunden in Microsoft 365 Copilot und Microsoft Viva.
König: KI-Anwendungen verändern zunehmend unsere Unternehmenskultur. Frau Todorova, Welche kulturellen und strukturellen Veränderungen sind notwendig, wenn KI-Tools fester Bestandteil des Arbeitsalltags werden?
Todorova: Das Einführen von KI-Lösungen im Unternehmen ist nicht vergleichbar mit klassischen Software-Projekten aus der Vergangenheit, bei der nur die IT-Abteilung eingebunden wird. KI beeinflusst über sämtliche Abteilungen und Rollen hinweg die gesamte Organisation, und deren Implementierung sollte dementsprechend eng begleitet werden.
Hier spielen die Führungskräfte eine essenzielle Rolle, um eine Kultur der Veränderung zu fördern und Experimente zu ermutigen. Sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen, Silos aufbrechen und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit fördern.
Darüber hinaus – ich betone es aus meiner Rolle heraus immer wieder gerne – sollten Organisationen Lernen und Weiterbildungen priorisieren. Charles Jennings, Co-Founder des 70:20:10 Institute, stellt hier eine einfache, aber wirkungsvolle Erfolgsformel auf: Die Geschwindigkeit des organisatorischen Lernens sollte größer sein als die Geschwindigkeit der externen Veränderungen. Dies erreichen Unternehmen, indem sie kontinuierliches Lernen fördern und eine Anpassungsfähigkeit in Zeiten schneller Veränderungen beibehalten.
Je nach Unternehmensgröße kann es ebenfalls sinnvoll sein, neue Rollen, wie ein Chief AI Transformation Officer, zu schaffen und eine Art Transformationsbüro aufzustellen, welches den Change Management Prozess vor Allem im Hinblick auf die unternehmensweite Kommunikation und Bereitstellung begleitet. So können neue KI-Anwendungsfälle sicher erkunden werden.
The Decoder: Bevor wir zur letzten Frage kommen, Frau Bems eine Frage, die sich sicherlich viele Leser:innen stellen: Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Copilot und so etwas wie ChatGPT?
Bems: ChatGPT und der Microsoft Copilot basieren beide auf generativer KI und nutzen GPT-Sprachmodelle von OpenAI. Beide Tools bieten also den perfekten kreativen Sparringspartner: Ich kann damit brainstormen, Texte entwerfen oder meine Ideen verfeinern. Die Tools sind vielseitig einsetzbar – auch im Alltag.
Microsoft 365 Copilot ist darüber hinaus mein produktiver Assistent im Arbeitsalltag. Anders als ChatGPT ist er direkt in meine Microsoft 365-Umgebung integriert – also in Outlook, Word, Teams, Excel oder auch PowerPoint. Er kennt also den Kontext meiner Arbeit, meine Termine, Mails und Dokumente. So kann er mir helfen, meine Aufgaben schneller fertigzustellen, Inhalte aus Meetings oder Dokumenten zusammenzufassen oder auch relevante Vorschläge für Programme zu machen.
Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt bei Datenschutz und Compliance: Anders als bei einer externen KI-Lösung wie ChatGPT, bleiben meine Eingaben und Daten bei Microsoft 365 Copilot vollständig in der geschützten Microsoft 365-Umbegung meines Unternehmens. Copilot erfüllt strenge Datenschutz- und Compliance-Vorgaben (zum Beispiel die DSVGO) und verwendet Nutzer*innen-Daten nicht zur Verbesserung des KI-Modells außerhalb. Ich kann also die Vorteile von KI nutzen, ohne gegen unternehmenseigene Datenschutzrichtlinien oder Compliance-Vorschriften zu verstoßen.
König: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wie nutzen Sie selbst KI-gestützte Tools im beruflichen oder privaten Alltag – und was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Todorova: Zum Beispiel stelle ich beim Verfassen meiner Kommunikation sicher, dass Ton und Kernbotschaften ausgewogen und klar sind. Außerdem generiere ich schnelle Einblicke in Markt- und Branchendynamiken, um mich auf Kundengespräche vorzubereiten und so Relevanz und Ansatz zu verbessern.
Kürzlich habe ich, um meinem Sohn bei der Vorbereitung auf seine Geschichtsprüfung zu helfen, mein Wissen über bestimmte historische Ereignisse aufgefrischt. Darüber hinaus habe ich Copilot genutzt, um Entwicklungspotenziale basierend auf meinen bisherigen Erfahrungen vorzuschlagen.
Wir bereiten uns auf das nächste Geschäftsjahr vor, indem wir uns auf Verbesserungsmöglichkeiten konzentrieren. Mein Team hat zwei prozessbezogene Probleme identifiziert, die wir durch den Einsatz von KI-Agenten angehen. Der erste Agent soll helfen, unsere Zusammenarbeit mit unseren Partnern durch automatisierte Follow-Ups zu beschleunigen. Der Zweite hilft dem Team, die Planung und Verfolgung von unseren Premium-Trainings für unsere Kunden zu vereinfachen – durch automatische Erinnerungen und Zuordnung von Verantwortlichkeiten.
Das sind ein paar sehr unterschiedliche Szenarien, die aber eines zeigen: Ein offener Umgang mit KI-Technologie und die Bereitschaft, in verschiedenen Szenarien zu experimentieren, sind das A und O.
Bems: Ich persönlich nutze den Copiloten für die klassischen Use Cases wie die Zusammenfassung von Meetings, das Priorisieren meiner Aufgaben, oder als Sparrings-Partner für innovative Ideen für unsere Weiterbildungsinitiativen.Darüber hinaus entdecke ich gerade die Welt der Agenten für mich, und habe bereits zwei selbst gebaut: einer hilft unserem Team, schnell die nötigen Ressourcen, Informationen und Neuigkeiten zu finden, die es für anstehende Kundenmeetings benötigt - der andere Agent ist mein persönlicher Writing-Coach und hilft mir dabei, Whitepaper und Beiträge zu verfeinern.
Aber auch privat kommt Copilot oder ChatGPT zum Einsatz: Um beispielsweise Geburtstagseinladungen zu erstellen, aber auch um mir Kochrezepte, Einkaufslisten oder auch einen vollständigen Urlaubsplan vorzuschlagen.