KI-generierte Inhalte durchdringen US-Zeitungslandschaft weitgehend unbemerkt
Kurz & Knapp
- Eine Studie der University of Maryland zeigt, dass rund neun Prozent neuer Artikel in US-Zeitungen teilweise oder vollständig von künstlicher Intelligenz stammen, meist ohne Offenlegung für die Lesenden.
- Besonders häufig nutzen kleine Lokalzeitungen und Medienkonzerne wie Boone News Media diese Technik, während große nationale Titel deutlich zurückhaltender sind.
- Sogar Meinungsartikel renommierter Zeitungen verzeichnen einen starken Anstieg der KI-Nutzung: Zwischen 2022 und 2025 stieg der Anteil von 0,1 auf 3,4 Prozent, wobei Gastautor:innen deutlich häufiger KI einsetzen als fest angestellte Journalist:innen.
Eine umfassende Studie der University of Maryland zeigt, dass etwa neun Prozent aller neu veröffentlichten amerikanischen Zeitungsartikel teilweise oder vollständig von künstlicher Intelligenz generiert werden, meist ohne Kennzeichnung für die Lesenden.
Die Untersuchung analysierte mehr als 250 000 Artikel aus drei Datensätzen und verwendete den KI-Detektor Pangram, der laut den Forschenden eine Falsch-Positiv-Rate von nur 0,001 Prozent bei Nachrichtentexten aufweist.
Lokale Medien setzen verstärkt auf Automatisierung
Die KI-Nutzung verteilt sich ungleichmäßig über die amerikanische Medienlandschaft. Lokale Zeitungen greifen deutlich häufiger zu automatisierten Lösungen als nationale Publikationen. Während nur 1,7 Prozent der Artikel in Zeitungen mit Auflagen über 100 000 Exemplaren als KI-generiert oder gemischt klassifiziert wurden, liegt dieser Anteil bei kleineren Lokalzeitungen bei 9,3 Prozent.
Geografisch zeigen sich ebenfalls große Unterschiede. Die Bundesstaaten Maryland (16,5 Prozent), Tennessee (13,6 Prozent) und Alabama (13,9 Prozent) führen bei der KI-Nutzung, während der Nordosten relativ unberührt bleibt. New Hampshire (2,9 Prozent) und Massachusetts (3,4 Prozent) weisen die niedrigsten Raten auf.

Thematisch dominiert KI erwartungsgemäß bei datengetriebenen Inhalten. Wetterberichte zeigen mit 27,7 Prozent die höchste durchschnittliche KI-Wahrscheinlichkeit, gefolgt von Wissenschaft und Technologie (16,1 Prozent) sowie Gesundheit (11,7 Prozent). Sensiblere Themen wie Konflikte und Krieg (4,3 Prozent) oder Kriminalität und Justiz (5,2 Prozent) werden seltener automatisiert.
Medienkonzerne verfolgen unterschiedliche KI-Strategien
Zwischen den Eigentümergruppen bestehen erhebliche Unterschiede. Boone News Media führt mit 20,9 Prozent KI-Anteil, gefolgt von Advance Publications mit 13,4 Prozent. Andere Ketten wie Nash Holdings, Lee Enterprises und Digital First halten ihre KI-Nutzung unter zwei Prozent.

Die Forschenden weisen auf die Ironie hin, dass mehrere prominente Mediengruppen KI-Unternehmen wegen der Nutzung ihrer Inhalte für das Training von Sprachmodellen verklagen, während sie selbst KI-generierte Artikel veröffentlichen.
Meinungsartikel zeigen dramatischen Anstieg
Besonders alarmierend ist die Entwicklung bei Meinungsartikeln in renommierten Zeitungen. Die Analyse von 45.000 Meinungsbeiträgen der New York Times, Washington Post und des Wall Street Journal zwischen 2022 und 2025 zeigt einen 25-fachen Anstieg der KI-Nutzung von 0,1 Prozent auf 3,4 Prozent.

Meinungsartikel sind 6,4-mal häufiger von KI-Nutzung betroffen als reguläre Nachrichtenartikel derselben Zeitungen. Gastautor:innen, darunter Senator:innen, Gouverneur:innen, Nobelpreisträger:innen und CEOs, nutzen KI deutlich häufiger als Vollzeit-Journalist:innen.
Transparenz bleibt Mangelware
Die Studie deckt einen gravierenden Mangel an Transparenz auf. Von 100 manuell untersuchten KI-markierten Artikeln enthielten nur fünf eine Offenlegung der KI-Nutzung. Lediglich sieben von 100 untersuchten Zeitungen erlauben in ihren öffentlichen Richtlinien den KI-Einsatz.
Zwei Zeitungen, die KI-Nutzung explizit verbieten, die New York Post und die Michigan Daily, veröffentlichten dennoch Artikel, die Pangram als KI-generiert klassifizierte.
Die Forschenden identifizierten verschiedene Formen der KI-Nutzung. Diese reichen von vollständig automatisierten Wetterberichten bis zu KI-generierten Antworten in Beratungskolumnen wie "Dear Annie". Eine Publikation namens "Argonaut" entpuppte sich als vollständig KI-generierte Zeitung mit fiktiven Reporter-Personas.

Veteranen-Journalist:innen steigen auf KI um
Eine Langzeitstudie von zehn erfahrenen Reporter:innen zeigt den drastischen Wandel seit der Einführung von ChatGPT. Die Forschenden verfolgten diese Journalist:innen über mehrere Jahre und stellten fest, dass sie ihre KI-Nutzung von praktisch null Prozent vor 2023 auf durchschnittlich 40 Prozent im Jahr 2025 steigerten. Die aktivste Person produzierte 90,1 Prozent ihrer 2025er Artikel mit KI-Unterstützung.

Die qualitativen Unterschiede sind laut Studie deutlich erkennbar. KI-unterstützte Artikel enthalten weniger spezifische Details, vagere Zeitangaben und förmlichere Sprache. Keine:r der zehn Reporter:innen legte die KI-Nutzung offen.
Die Forschenden schlagen konkrete Maßnahmen vor: Zeitungen sollen öffentliche Richtlinien entwickeln, die zwischen akzeptabler KI-Nutzung ohne Offenlegung (Grammatikprüfung), akzeptabler Nutzung mit Offenlegung (Zusammenfassungen) und unzulässiger Nutzung (vollständige Artikelgenerierung) unterscheiden. Für Meinungsartikel empfehlen sie Bestätigungen der Autor:innen über KI-Nutzung und automatische oder manuelle Prüfungen von Gastbeiträgen.
Die mehr als 250.000 untersuchten Artikel sowie deren Einordnung lassen sich auf dieser Website durchsuchen.