Chinas KI-Training in Kenia: WhatsApp-Gruppen ersetzen den Arbeitsvertrag
Kurz & Knapp
- Chinesische KI-Firmen lassen in Kenia Videodaten von Studierenden labeln – über WhatsApp organisiert, ohne Verträge oder Sozialleistungen.
- Arbeiter müssen täglich bis zu 26.000 Clips klassifizieren, überwacht durch Ranglisten und Gruppendruck.
- Experten warnen vor einer intransparenten Schattenindustrie, die Verantwortung verschleiert und Arbeiter ausbeutet.
Während US-Tech-Giganten für ihre Arbeitspraktiken in Kenia zunehmend unter Beobachtung stehen, bauen chinesische KI-Firmen im Stillen ein Netzwerk aus Billigarbeitskräften auf. Die Rekrutierung läuft informell über WhatsApp, ohne Verträge und mit enormem Leistungsdruck.
Laut einem Bericht von Rest of World rekrutieren chinesische KI-Unternehmen verstärkt kenianische Arbeitskräfte, um riesige Mengen an Videodaten zu labeln. Die Bedingungen sind prekär: Für Schichten von bis zu 12 Stunden erhalten die oft studentischen Arbeiter teilweise nur 700 Kenia-Schilling, umgerechnet etwa 5,42 US-Dollar. Doch die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit von 67 % (Stand Juli 2025) zwinge viele Studenten und Absolventen dazu, diese Bedingungen zu akzeptieren. Die kenianische Regierung arbeitet zwar an Regulierungen, doch die aktuellen Arbeitsgesetze bieten diesen digitalen Arbeitern bislang keinen Schutz.
Anders als US-Konzerne, die meist formelle Outsourcing-Partner nutzen, setzen chinesische Akteure dabei auf undurchsichtige Netzwerke. Die Arbeit wird über WhatsApp-Gruppen organisiert, die Bezahlung erfolgt über den mobilen Dienst M-Pesa, und rekrutiert wird via Google Forms. Formale Arbeitsverträge oder Sozialleistungen existieren laut den befragten Arbeitern nicht. Oft kennen die Angestellten nicht einmal den Namen des Auftraggebers, sondern haben nur Kontakt zu Mittelsmännern.
Digitale Fabrikhallen auf WhatsApp
Der Leistungsdruck in diesen informellen Strukturen ist laut dem Bericht enorm. In sogenannten "Simulationsphasen" müssen Bewerber bis zu 20.000 Videoclips pro Tag mit einer Genauigkeit von 90 Prozent klassifizieren. Wer die Quote nicht erfüllt, riskiert die Entlassung des gesamten Teams. Im regulären Betrieb steigt das Pensum auf bis zu 26.000 Videos pro Person und Tag. Ein Arbeiter beschreibt den Zustand während der Schicht als "Zombie-Modus", der nötig sei, um die schiere Masse an Daten zu bewältigen. Die WhatsApp-Gruppen fungieren dabei als digitale Fabrikhallen, in denen täglich Ranglisten und Leistungsdaten veröffentlicht werden, um den Druck aufrechtzuerhalten.
Payal Arora, Professorin an der Universität Utrecht, warnt gegenüber Rest of World, dass diese "Schatten-Lieferketten" die Rechenschaftspflicht massiv erschweren. Während US-Firmen zunehmend unter Beobachtung stünden, operierten die chinesischen Subunternehmer unter dem Radar. Joan Kinyua von der Data Labelers Association bezeichnet das System als "Höhepunkt des digitalen Kolonialismus".
US-Technologieunternehmen wie Meta, Google und OpenAI standen bereits vor einigen Jahren im Fokus der Kritik bezüglich ihrer Outsourcing-Praktiken in Kenia. Diese Konzerne arbeiten mit etablierten Firmen wie Sama oder CloudFactory zusammen. Diese Kooperationen führten in der Vergangenheit zu öffentlichen Protesten und Gerichtsprozessen, in denen lokale Arbeitskräfte gegen niedrige Löhne, traumatische Arbeitsinhalte und eine toxische Arbeitskultur vorgingen.
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