Eine von Forschern mit Tumorbildern trainierte Künstliche Intelligenz diagnostiziert Lungenkrebs so verlässlich wie Pathologen. Sie deckt nebenher einen bislang unbekannten Zusammenhang zwischen Genmutationen und Tumorstruktur auf.
Weltweit sterben jährlich über 1,5 Millionen Menschen an Lungenkrebs. Es ist der häufigste Krebstod bei Männern und der zweithäufigste bei Frauen.
Bei der Behandlung von Lungenkrebs ist die Klassifikation des Krebstyps ein entscheidender Teil der Diagnose. Verfügbare Behandlungsmethoden unterscheiden sich je nach Subtyp.
Die visuelle Inspektion von sogenannten histopathologischen Objektträgern durch Pathologen spielt dabei eine tragende Rolle. Die Ärzte können anhand dieser feinen Gewebeproben Stadium, Art und Subtyp von Tumoren bestimmen.
Zu den häufigsten Subtypen gehören das Adenokarzinom (LUAD) und das Plattenepithelkarzinom (LUSC). Beide sind unter dem Mikroskop nur schwer zu unterscheiden – sie werden jedoch unterschiedlich behandelt. Eine genaue Diagnose ist also überlebenswichtig.
Zusätzlich spielen mutierte Gene eine Rolle: Bei einer LUAD-Diagnose gibt es mehr als zehn häufig mutierte Gene, die einen Einfluss auf Behandlungsmöglichkeiten haben.
Forscher nutzen Googles Bilderkennungs-KI
Forscher der New York University entwickelten einen Deep-Learning-Algorithmus, der Pathologen bei der Krebsdiagnose unterstützen kann. Die Forscher setzen dafür Googles vortrainierten Bilderkennungsalgorithmus Inception v3 ein.
Die Bild-KI kann etwa 1.000 verschiedene Objektklassen identifizieren. Google erkennt damit beispielsweise Gesichter oder Tiere auf Fotos.
Die Forscher trainierten den Algorithmus mit Hunderttausenden Bildern von gesundem und krebsbefallenem Gewebe. Sie nutzten dazu Bilder des frei verfügbaren „Cancer Genome Atlas“, einem Katalog für krebsverursachende genetische Mutationen. Anschließend sollte die trainierte KI automatisch zwischen gesundem und krebsartigem Lungengewebe unterscheiden.
Nach dem Training konnte die KI Krebszellen mit einer Genauigkeit von 99 Prozent erkennen. Im nächsten Schritt trainierten die Forscher die KI auf die Erkennung der Subtypen LUAD und LUSC mit einer Genauigkeit von 97 Prozent.
Die Forscher verglichen anschließend die Diagnoseleistung ihres Modells mit der ausgewählter Pathologen. KI und Pathologen waren bei der Erkennung krebsartigen Gewebes und der Einstufung des Subtyps in etwa gleichauf – sowohl bei der Erfolgs- als auch der Fehlerquote.
So wurde bei der Bestimmung des Subtyps etwa die Hälfte aller durch die KI falsch klassifizierten Bilder auch von den Pathologen falsch eingeordnet. Für die Forscher ist das ein Zeichen, wie schwierig in manchen Fällen die Unterscheidung zwischen LUAD und LUSC ist.
Die KI beweist einen umstrittenen Zusammenhang
Die Forscher gingen noch einen Schritt weiter: Sie nutzten Bilder des LUAD Subtyps und fütterten die KI mit den zugehörigen Genmutationsdaten der Patientenproben. Nach dem Training war die KI in der Lage, sowohl den Subtyp als auch genetische Mutationen festzustellen.
Die Forscher vermuten, dass die KI sehr feine Veränderungen im Aussehen der Tumore den Genmutationen zuordnen kann.
„Diese krebserregenden Mutationen scheinen mikroskopische Effekte zu haben, die der Algorithmus erkennen kann“, so ein beteiligter Forscher. Leider bleiben die Erkennungsmerkmale ein KI-Geheimnis: „Sie sind [im Algorithmus] vergraben und niemand weiß, wie man sie herausholt.“
Das Besondere: Vor der Studie war nicht klar, ob Genmutationen sichtbare Auswirkungen in den histopathologischen Proben hinterlassen. Die KI-Analyse zeigt, dass es zumindest einige Gene gibt, deren Status allein aus den Bilddaten vorhergesagt werden kann. Die Genauigkeit der KI-Analyse lag für zehn verschiedene Gene zwischen 65 und 85 Prozent.
KI-Diagnose auch für andere Krebsarten
Die Künstliche Intelligenz kann Subtyp und Genmutationen aus den histopathologischen Bildern schnell und kostengünstig erkennen. Wenn sie die diagnostische Arbeit von Pathologen beschleunigt, könnte sie für Krebspatienten Vorteile bieten, zum Beispiel einen schnelleren Start einer besser ausgerichteten Therapie.
Die Forscher wollen die KI weiter trainieren, sodass sie in Zukunft noch seltenere Arten Lungenkrebs erkennt. Die Autoren sind überzeugt, dass mit derselben Methode auch andere Krebstypen diagnostiziert werden können. Sie stellen ihre Arbeit kostenlos zur Verfügung.