Wer an die Herdplatte fasst, lernt, dass sie heiß ist – vorausgesetzt, die Sensoren im Finger nehmen die Berührung auf und leiten sie zur Interpretation weiter. Meta (Facebook) stattet Roboter jetzt mit besserer Berührungssensorik aus, damit Künstliche Intelligenz die Welt erfühlen und so über sie lernen kann.
Durch Berührung lernen Menschen über Objekte und Umgebungen, die allein durch etwa Blicke nicht auszumachen sind: Ist ein Gegenstand warm oder kalt, trocken oder feucht, aus welchem Material besteht er, wie schwer könnte er sein. Hände und Finger können viele Informationen erspüren und tragen so zu unserem Wissen über die Welt bei, dem gesunden Menschenverstand.
Damit Künstliche Intelligenz dieses Wissen ähnlich erlangen kann wie der Mensch, also in der echten Welt statt durch riesige Datensätze, muss sie reale Umgebungen und Objekte berühren und fühlen können wie Menschen. So kann sie durch Berührung interagieren und letztlich verstehen.
Meta baut ein Ökosystem für Robotergefühle
Meta möchte diese Forschung mit der Entwicklung von Hardware, Simulatoren, Bibliotheken, Benchmarks und mit Datensätzen unterstützen, die der Konzern jetzt vorstellt. Meta bezeichnet diese Faktoren als "Säulen des Ökosystems für Berührungssensorik".
"Im Zusammenspiel ermöglichen es uns diese Säulen, Roboter und Künstliche Intelligenz darauf zu trainieren, wichtige Informationen aus Berührungen zu ziehen und diese Informationen mit anderen zu integrieren, um komplexere Aufgaben mit höherer Funktionalität zu bewältigen", schreibt Meta.
KI-Systeme mit einem fortschrittlichen Berührungssinn sollen laut Meta etwa anspruchsvollere Aufgaben im Gesundheitswesen übernehmen können oder solche, die mehr Geschick erfordern beim Manövrieren kleiner, weicher und empfindlicher Objekte (siehe Titelbild).
Robo-Fingerspitzen und taktile künstliche Haut
Bei Hardware unterstützt Meta das Fühl-Ökosystem konkret zunächst mit zwei Maßnahmen: Der schon im letzten Jahr vorgestellte taktile Fingerspitzen-Sensor "Digit", der als Open Source verfügbar ist und rund 15 US-Dollar in der Produktion kostet, wird von der Firma GelSight kommerzialisiert und an Forschungseinrichtungen und Privatpersonen verkauft. Meta hofft, das die Sensoren sich so weiter verbreiten, da der Open Source-Nachbau komplex ist.
Der Grund dafür ist, dass Digit im Sensor eine kleine Kamera verbaut hat, die Berührungen besonders hochauflösend und sensibel erkennt im Vergleich zu bislang typischen kapazitiven oder resistiven Sensoren. Die Kamera sieht etwa Schatten oder Farbveränderungen bei Berührung. Maschinelles Fühlen wird so zu einer Aufgabe des maschinellen Sehens.
Ergänzend zu Digit bringt Meta Tacto, eine Open Source-Simulationssoftware für Berührungen, sowie PyTouch, eine Bibliothek mit Machine-Learning-Modellen und -Funktionen spezifisch für maschinelle Berührung.
Metas zweite größere Hardware-Neuigkeit ist ReSkin, eine künstliche Haut, die Metas KI-Abteilung gemeinsam mit der Carnegie Mellon Universität entwickelt hat. Die Haut basiert auf einem verformbaren Elastometer mit mikromagnetischen Partikeln.
Trifft eine Kraft auf die Haut, verformt sich das Elastometer und damit der magnetische Fluss, der von Magnetometern abgelesen wird. Die Haut kann taktile Signale dreiachsig erkennen bei einer zeitlichen Auflösung von bis zu 400 Hz und einer räumlichen Auflösung von einem Millimeter mit 90 Prozent Genauigkeit.
Meta verspricht eine höhere Konsistenz der Haut bei Experimenten und Messungen im Vergleich zu ähnlichen Sensoren. Außerdem soll ReSkin sehr haltbar und noch dazu günstig sein - 100 Hauteinheiten liegen bei nur sechs US-Dollar. Das Material ist etwa zwei bis drei Millimeter dick und hält bis zu 50.000 Berührungen aus. Die Haut kann ähnlich wie ein Pflaster auf Oberflächen angebracht werden.
Bei einem Experiment brachten Meta-Forschende ReSkin an einer Hundepfote an, wo die Haut Daten zu dessen Laufverhalten sammelte. Auch menschliche Berührungskräfte bei Alltagsaufgaben können mit Reskin gemessen werden, wenn sie etwa in einen Handschuh eingelassen ist.
Laut Meta-Chef Mark Zuckerberg trägt die Reskin-Haut auch zu "realistischeren virtuellen Objekten und physischen Interaktionen" im Metaverse bei. Konkreter macht es Zuckerberg leider nicht. Vorstellbar wäre etwa ein mit Daten der Kunsthaut trainierter Algorithmus, der im Zusammenspiel mit möglicher zukünftiger Haptik-Hardware viele unterschiedliche Berührungen flexibel und glaubhaft simulieren kann.