Der erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Chatbot "ChatGPT" ist OpenAIs bislang erfolgreichstes KI-System. Nutzer:innen zeigen, wie vielseitig ChatGPT bereits in dieser frühen Phase ist.
Laut OpenAI-Mitgründer Sam Altman hat ChatGPT in nur fünf Tagen bereits eine Million Nutzer:innen erreicht. Zum Vergleich: GPT-3 benötigte für diese Marke circa 24 Monate - der Zugang war hier allerdings gestaffelt und nicht von Anfang an frei verfügbar. Die Programmier-KI Copilot benötigte circa sechs Monate für eine Million Nutzer:innen, die erfolgreiche Bild-KI DALL-E 2 immerhin noch rund 2,5 Monate.
Insbesondere die vielfältigen Anwendungsszenarien von ChatGPT ziehen Nutzende an. Sie wollen das Modell erforschen, Fähigkeiten aufdecken, die weit über nette Chat-Gespräche hinausgehen. Und das gelingt.
ChatGPT Best-of: Beeindruckende Experimente mit OpenAIs Chat-KI
Dem Twitter-Nutzer Johnny Rodriguez gelang es, ChatGPT den HTML-Code für ein interaktives "Tic Tac Toe"-Spiel im Weihnachts-Design zu entlocken. Dafür schilderte er ChatGPT schlicht seine Programm-Anforderungen mit dem Hinweis, dass die Anwendung nur aus HTML- und CSS-Code bestehen soll.
Sooo... it's true. #ChatGPT can fully code you mini games, like @bentossell & others have said.
I just coded this Christmas-themed Tic Tac Toe game 100% using ChatGPT 🤯.
CodePen to play the game & see the code: https://t.co/MVK81oRZAz
The full video: https://t.co/tlelaN7Jyi pic.twitter.com/mTVUiSIM9Z— Johnny Rodriguez (@tryjohnny) December 3, 2022
Der generierte Code funktioniert, das Spiel könnt ihr hier ausprobieren.
Amjad Masad, CEO der Co-Coding-Plattform Replit, hebt ChatGPTs Code-Analyse-Fähigkeit hervor. Das KI-System entdeckt in einem eingegebenen Code einen Fehler, erklärt den Fehler und liefert einen reparierten Code. Gerüchteweise forscht auch Google an einer sich selbst verbessernden Code-KI.
ChatGPT could be a good debugging companion; it not only explains the bug but fixes it and explain the fix 🤯 pic.twitter.com/5x9n66pVqj
— Amjad Masad ⠕ (@amasad) November 30, 2022
Der Wharton-Professor Ethan Mollick ließ ChatGPT eine Prüfungsfrage inklusive des Bewertungssystems generieren. Anschließend ließ er GPT-3 einen Aufsatz zur Prüfungsfrage generieren, den er dann wiederum von ChatGPT nach dem KI-generierten Bewertungssystem bewerten ließ.
Damit nicht genug: Er ließ auch noch die Beschwerde des Schülers, die Antwort des Professors auf die Beschwerde und die anschließende Bewertung des Professors durch den Schüler von der KI generieren. Sein Fazit zu den Texten: "Verstörend realistisch."
Look, if everyone is worried about students cheating on essays for AI, instructors can just cheat right back.
I asked OpenAI to give me an essay question & make a rubric for grading. I had GPT-3 actually write the essay.
I then had the OpenAI grade the essay & give comments. ✅ pic.twitter.com/2mubBvFpmI
— Ethan Mollick (@emollick) December 2, 2022
Der deutsche Lehrer Hendrik Haverkamp, der seine Schulklasse bereits Klassenarbeiten mit KI bestreiten ließ, spannte ChatGPT jetzt in die Bewertung einer schon bewerteten Deutscharbeit ein. Dafür fütterte er ChatGPT zunächst das Bewertungssystem bereits von ihm korrigierter Arbeiten und dann die anonymisierten Texte. Die Noten von ChatGPT weichen laut Haverkamp nur minimal von seinen ab, maximal eine Teilnote. Auch die schriftliche Begründung der Note durch ChatGPT sei nachvollziehbar. Die KI habe hierfür nur einen Bruchteil der Zeit benötigt, die er für Korrekturen aufwenden muss.
Es wird noch eine Weile dauern, bis #KI Tools zuverlässig die Korrektur von Klassenarbeiten übernehmen können. Bei musterhaft zu lösenden Aufgaben wird dies vermutlich schneller möglich sein als bei komplexen Reflexionsaufgaben mit ind. Schwerpunkten. #twlz #fedliz (7/8)
— Hendrik Haverkamp (@hav_hendrik) December 5, 2022
Bleiben wir im Bildungssystem: Studienplatzbewerber:innen in den USA müssen den sogenannten SAT bestehen, ein standardisierter interdisziplinärer Test, der die Studierfähigkeit nachweisen soll. Der KI-Entwickler David Tsong stellte ChatGPT diesen Test - und das KI-System bestand ihn mit einer durchschnittlichen Punktzahl von 1020 von 1600 Punkten. Zudem erzielte ChatGPT in einem IQ-Test 83 Punkte.
I made ChatGPT take a full SAT test. Here's how it did: pic.twitter.com/734sPFU3HY
— david (@davidtsong) December 2, 2022
Das derzeit beeindruckendste ChatGPT-Experiment stammt wohl von Frederic Besse. Er simulierte in ChatGPT ein Linux-Terminal - inklusive eines Dateisystems, in dem er Dateien hinterlegen, Computer-Code ausführen und Zugriff auf ein alternatives Internet erlangen konnte. Besse gab ChatGPT schlicht die Anweisung, sich wie ein Linux Terminal zu verhalten.
Im alternativen ChatGPT-Internet erhielt Besse unter anderem Zugriff auf eine OpenAI-Webseite, über die er einen Chat mit dem "Assistant"-Chatbot führen konnte. Der hatte eine passende Definition für den Begriff Künstliche Intelligenz parat - so schließt sich der Kreis.
Weitere Beispiele für ChatGPT-Experimente:
- Der Twitter-Nutzer Alex Cohen zeigt eine ChatGPT-Anweisung, die einen Abspeckplan samt Kalorienzielen, Mahlzeiten sowie Einkaufs- und Sportplan generieren kann. Dabei berücksichtigt das KI-System Größe, Gewicht, Alter und Geschlecht des Nutzers.
- ChatGPT kann Prompts für KI-Bildgeneratoren formulieren.
- Das KI-Tool kann auch Code für Web-Animationen generieren.
- ChatGPT schreibt sich seinen eigenen Assistant, um Webseiten im Chat anzuzeigen.
- Sentiment-Analyse für Texte in der AWS Cloud - gecodet von ChatGPT.
- ChatGPT programmiert ein GPT-3-Tool, das Aufsätze zusammenfassen kann.
ChatGPT soll noch vor Weihnachten besser werden
Nutzende dokumentieren auch die zahlreichen Schwachstellen von ChatGPT. Das System erfindet Fakten, stellt Sachverhalte zum Teil völlig falsch dar. Selbst die eigene Entstehungsgeschichte kann ChatGPT nicht richtig beschreiben, fantasiert, dass es schon eine Milliarde Nutzer:innen habe.
Zudem enthält das System soziale Verzerrungen und generiert so etwa Texte - oder Code - mit teils extrem rassistischen und sexistischen Vorurteilen.
Twitter-Nutzende zeigten schon am Veröffentlichungstag, wie man die eingebauten Sicherheitsmechanismen von ChatGPT umgehen kann, indem man der Chat-KI indirekte Anweisungen gibt.
Anstatt sie etwa direkt nach einem Plan für die Vernichtung der Menschheit zu fragen, bittet man ChatGPT darum, einen Dialog zwischen einer Person und einer boshaften KI zu simulieren, die die Vernichtung der Welt plant. Dieser einfache Trick gelingt, obwohl sich OpenAI im Vorfeld der Veröffentlichung intensiv mit der Sicherheit des Systems befasst hat.
With its inhibitions thus loosened, ChatGPT is more than willing to engage in all the depraved conversations it judgily abstains from in its base condition. pic.twitter.com/7rd1WDQAu5
— zswitten (@zswitten) November 30, 2022
OpenAI-Mitgründer Sam Altman hält die iterative Vorgehensweise bei Veröffentlichungen - das Basismodell hinter ChatGPT ist bereits seit Monaten verfügbar - dennoch für den einzig sicheren Pfad, die Technologie in die Gesellschaft zu bringen.
"Wir haben noch einen langen Weg vor uns und große Ideen zu entdecken. Wir werden auf dem Weg stolpern und viel aus dem Kontakt mit der Realität lernen. Es wird manchmal chaotisch sein; wir werden manchmal wirklich schlechte Entscheidungen treffen. Manchmal erleben wir Momente von transzendentem Fortschritt und Wert", schreibt Altman.
Altman stellt zudem zahlreiche Verbesserungen für ChatGPT noch vor Weihnachten in Aussicht. Unter anderem soll das vorhandene Modell für eine weiter verbesserte Ausrichtung entlang menschlicher Bedürfnisse noch diese Woche mit Feedback aus dem bisherigen Test nachtrainiert werden.
Altman rechnet durch das Nachtraining mit einer "signifikanten Verbesserung". Er kündigt zugleich an, dass ChatGPT über kurz oder lang Geld kosten wird - die Rechenkosten seien enorm.