In Chinas Metropolen wird alles mit jedem vernetzt. Schon bald sollen Smart Citys das Land prägen. Wie viel KI steckt heute schon in Peking, Shanghai und Co.?
Der japanische Autokonzern Toyota errichtet am Mount Fuji nahe Tokyo eine Sci-Fi Zukunftsstadt. Auf 175 Hektar wird eine neue Gemeinde namens „Woven City“ entstehen, die als lebendiges Labor für Zukunftstechnologien dienen soll. Die Stadt wird von Grund auf so gebaut, dass autonomes Fahren, Smart-Home-Konnektivität, Cloud-Dienste und Robotik ideal getestet werden können.
Was in Japan künstlich aus dem Boden gestampft wird, soll im benachbarten China nahtlos in bestehende Großstädte implementiert werden. Schon 1996 legte die Regierung den ersten Grundstein für eine landesweite Informationsinfrastruktur. Mit einer stetig fortschreitenden Entwicklung neuer Technologien wurden auch die Konzepte für Chinas Smart Citys immer wieder erneuert.
Die „New Smart Citys“ stehen ganz im Zeichen von Big Data, Cloud Computing, Internet der Dinge und Künstlicher Intelligenz. Anfang des Monats wählte das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnik (MIIT) mehrere Metropolen aus, die als Pilotstädte des Smart-City-Programms dienen sollen. Nach ihrem Vorbild könnten bald weitere Städte in China ausgebaut werden – vielleicht sogar weltweit. Wir werfen einen Blick auf Chinas Smart Citys und was sie heute schon leisten.
Big Data, die Bürger-Cloud und ein KI-Restaurant mit Robo-Ober
Peking ist die Heimatstadt des ersten KI-Restaurants Chinas. Roboter kümmern sich um das Geschirr, bringen die Mahlzeiten an die Tische und führen kurze Gespräche mit den Gästen. Sogar einzelne Suppen-Rezepte werden angeblich durch einen lernenden Algorithmus auf den Geschmack der Gäste angepasst und laufend verbessert.
Bewohner der Hauptstadt werden allerdings nahezu vollständig durchleuchtet. Mit der Beijing Citizen Social Service Card erhalten sie ein virtuelles Dokument, das nahezu alle relevanten Informationen seines Trägers in der Cloud speichert. Ausweisdokumente, Sozialversicherung, Gesundheitszustand und sogar der Bildungsstand werden aufgeführt.
Auch in Shanghai werden viele Daten gesammelt: Die Stadt will bis 2022 etwa 39 Milliarden US-Dollar in intelligente Infrastruktur investieren. Die Gelder sollen vor allem in den 5G-Ausbau, KI-Anwendungen und Infrastruktur für autonomes Fahren fließen. Auch Datenzentren und die "Citizen Cloud" sollen weiter ausgebaut werden.
In dieser Cloud können registrierte Nutzer bestimmte persönliche Informationen abrufen oder sich über die medizinische Versorgung, Tourismus, Kultur und Freizeit sowie Transport und öffentliche Verkehrsmittel informieren. Gleichzeitig soll der große Verwaltungsaufwand dadurch elektronisch gelöst werden. Bürger sollen den Großteil der Behördengänge online abwickeln können.
Verkehrsinformationen werden in Shanghai über einen umfassenden Informationsdienst abgerufen. An Bushaltestellen wurden beispielsweise mehr als 1.600 LC-Bildschirme und mehr als 1.700 elektronische Stationsschilder aufgebaut, die größtenteils mit Solarenergie betrieben werden. Hier und in der U-Bahn werden Bewohner künftig mit ihrem Gesicht bezahlen können.
Wie möchten Sie bezahlen - Kreditkarte, Smartwatch oder mit dem Gesicht?
„Paying with your face“ wird auch in Chengdu eingeführt, Chinas erster Stadt mit einem Gigabit-Netzwerk. Über eine Smartphone-App werden wichtige Verkehrs- oder Gesundheitsinformationen für Bürger aufbereitet und gleichzeitig persönliche Daten gespeichert.
Die App ermöglicht außerdem in immer mehr Läden die Bezahlung per Gesichtserkennung. Zur Registrierung wird über das Smartphone einmalig ein QR-Code vor Ort im Geschäft eingescannt und so Identität und Mobilfunknummer mit dem Bezahlservice verbunden. Danach kann an der Kasse via Gesichtserkennung bezahlt werden. Der Vorgang soll zwischen fünf und 45 Sekunden dauern.
Vernetzte Straßen und das City Brain
In den gigantischen Großstädten Chinas ist chaotischer Verkehr ein immer größer werdendes Problem. Das versuchen viele Städte mit einer smarten Infrastruktur zu lösen. Der Internet-Konzern Alibaba stellte schon 2017 das „City Brain“ in seiner Heimatstadt Hangzhou vor.
Der gesamte Verkehr wird dort mit Videokameras aufgezeichnet und analysiert. Wichtig sind unter anderem die Zahl der Verkehrsteilnehmer zu bestimmten Zeiten, ihre Fahrtgeschwindigkeit und Richtungswechsel an Kreuzungen. Alle öffentlichen Verkehrsmittel und Taxis sind ebenfalls vernetzt und speisen ihre Daten in die City-Brain-Software ein.
Das KI-System optimiert auf Basis der gesammelten Daten das Timing der vernetzten Ampeln in Echtzeit und sorgt so in der Theorie für einen besseren Verkehrsfluss. So wird Stau minimiert und die Eintreffzeiten von Einsatzkräften wie der Polizei deutlich verkürzt. Das City Brain wurde mittlerweile in über zwanzig Städten implementiert.
Autonomes Fahren: Chinas nächster großer Hit
Eine Hoffnungsträgertechnologie für die Lösung des Verkehrsproblems in Innenstädten ist das autonome Fahren. Insgesamt vierzehn verschiedenen Tech-Unternehmen testen ihre autonomen Fahrsysteme auf 200 Straßen allein in der Hauptstadt.
Das Start-up Pony.ai erhielt erst kürzlich eine Lizenz für fahrerlose Robo-Taxis in Peking. Für die Bewohner wird autonomes Fahren hauptsächlich als „Mobility as a Service“ eingeführt. Die Anbieter stellen Apps zur Verfügung, über die autonom fahrende Taxis schnell und bequem bestellt werden können.
Die Fahrzeuge können dabei vielerorts auf ein intelligentes Straßennetzwerk zugreifen. Ähnlich wie Hangzhou hat Peking ein Echtzeit-Simulationsmodell des gesamten Straßennetzes aufgrund umfassend gesammelter Daten erstellt. Dadurch können Staupunkte schneller herausgefunden und analysiert werden.
In einem großen Testlauf in Guangzhou stattete der chinesische KI-Konzern Baidu Bereiche der Stadt mit einer KI-Straßeninfrastruktur aus: Smarte Ampeln und Verkehrsschilder kommunizieren direkt mit den autonom fahrenden Taxis der Apollo-Flotte, die somit Verkehrsinformationen frühzeitig erhalten. Das Fahrzeug weiß also im Voraus, wann die Ampel an der nächsten Kreuzung auf Rot umstellt und kann den eigenen Fahrstil darauf anpassen.
Titelbild: Alibaba