Der Roboter HuggieBot verteilt Umarmungen. Die neueste Version lernt nun menschliche Knuddel-Vorlieben.
Menschen mögen Umarmungen. Diese besondere Form des physischen Kontakts existiert überall auf der Welt und wenn sich gerade kein anderer Mensch findet, wird das Haustier, ein Plüschtier oder ein Kissen in die Arme geschlossen.
Eine Umarmung umfasst dabei mehr als ein bloßes Herumführen der Arme - zumindest sollte sie das. Menschen nutzen ihre Arme und Hände, um ihr Gegenüber in verschiedenen Intensitäten zu drücken, zu reiben oder auf den Rücken zu klopfen. Ein neuer Roboter kann einige dieser Gesten erkennen und soll so ein erfreuliches Umarmungserlebnis schaffen - ohne dabei Rippen zu brechen.
HuggieBot für emotionale Unterstützung
Forschende des Instituts für haptische Intelligenz am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart entwickeln den Roboter HuggieBot seit mehreren Jahren. Mittlerweile gibt es Version 3.0. Die erste Version wurde 2018 vorgestellt und diente als Test, um herauszufinden, welche Umarmungen Menschen besonders gerne mögen.
Langfristig soll der Roboter Umarmungen an Menschen verteilen, die sie gerade dringend brauchen. "Virginia Satir, eine bekannte Familientherapeutin, war berühmt für ihren Ausspruch: 'Wir brauchen vier Umarmungen pro Tag zum Überleben. Wir brauchen acht Umarmungen am Tag, um uns zu erhalten. Wir brauchen 12 Umarmungen pro Tag, um zu wachsen'", so Erstautorin Alexis Block in einem Interview mit IEEE Spectrum.
Block forscht bereits seit 2016 an den Roboterumarmungen. Diese Forschung könne einmal vielen Menschen die emotionale Unterstützung und die gesundheitlichen Vorteile von Umarmungen zugänglich machen - wo und wann immer sie diese bräuchten. Die COVID-19 Pandemie habe die Bedeutung der Forschung noch einmal stärker in den Vordergrund gerückt, so Block.
HuggieBot 3.0 drückt zurück
In der neuen Forschungsarbeit geht das HuggieBot-Team auf die bereits angesprochenen Feinheiten der menschlichen Umarmung ein - "Intra-Hug Gestures" nennen sie das. In einem ersten Durchlauf umarmten 32 Testpersonen HuggieBot 2.0 und bewerteten seine Reaktion. Diese Version ist mit Drucksensoren ausgestattet, die die verschiedenen Berührungen während einer Umarmung mit einer Genauigkeit von 88 Prozent erfassen können.
Das Feedback nutzte das Team für die Entwicklung eines Algorithmus, der die Reaktionen des Roboters auf die Gesten in Echtzeit auswählt und HuggieBot 3.0 antreibt. Der Roboter kann über den Rücken reiben, auf ihn klopfen und zudrücken. Die Testpersonen bewerteten die Erfahrung überwiegend positiv und einige bezeichneten die Umarmungen als nahe an einer menschlichen.
"HuggieBot 3.0 zu umarmen ist (meiner bescheidenen und unvoreingenommenen Meinung nach) wirklich angenehm", sagt auch Block. Das Team will jedoch niemanden täuschen, es fühle sich nicht wie ein Mensch an. Doch: "Man umarmt einen Roboter, aber das bedeutet nicht, dass es nicht angenehm sein kann".
11 Gebote für Knuddel-Roboter
Aus ihrer Forschung des letzten sechs Jahre leitet das Team elf Gebote für umarmende Roboter ab, die potenzielle Albtraum-Szenarien verhindern und ein schönes Knuddelerlebnis ermöglichen sollen:
- Ein Umarmungsroboter muss weich sein.
- Ein Umarmungsroboter muss warm sein.
- Ein Umarmungsroboter muss die Größe eines erwachsenen Menschen haben.
- Wenn ein Umarmungsroboter die Interaktion initiiert, muss er den Benutzer selbstständig zum Umarmen auffordern, wenn er jemanden in seinem persönlichen Bereich entdeckt. Ein Umarmungsroboter sollte warten, bis der Benutzer beginnt, auf ihn zuzugehen, bevor er seine Arme schließt, um ein einvernehmliches und synchrones Umarmungserlebnis zu gewährleisten.
- Ein Umarmungsroboter muss seine Umarmung autonom an die Größe und Position des Körpers des Benutzers anpassen, anstatt auf eine konstante Weise zu umarmen.
- Ein Umarmungsroboter muss den Wunsch des Benutzers, sich aus der Umarmung zu lösen, zuverlässig erkennen und darauf reagieren, unabhängig von der Position seiner Arme.
- Ein guter Umarmungsroboter muss die Körpergröße des Benutzers wahrnehmen und seine Armpositionen entsprechend anpassen, damit er sie an den entsprechenden Körperstellen bequem um den Benutzer legen kann.
- Es ist von Vorteil, wenn ein Umarmungsroboter Gesten, die an seinem Oberkörper ausgeführt werden, in Echtzeit genau erkennen und klassifizieren kann, unabhängig von der Handposition des Benutzers.
- Benutzer mögen einen Roboter, der schnell auf ihre Umarmungsgesten reagiert.
- Um nicht zu roboterhaft zu wirken und um unvermeidliche Fehler bei der Gestenwahrnehmung zu verbergen, sollte ein Umarmungsroboter nicht versuchen, Gesten innerhalb der Umarmung perfekt zu erwidern. Stattdessen sollte der Roboter ein Gestenreaktionsparadigma anwenden, das die Vorlieben des Benutzers mit einer leichten Vielfalt und Spontanität verbindet.
- Um beim Benutzer das Gefühl zu erwecken, dass der Roboter lebendig und fürsorglich ist, soll ein Umarmungsroboter dem Benutzer gelegentlich unaufgeforderte, proaktive affektive soziale Berührungen durch Umarmungsgesten geben.
Die Gebote weisen gewisse Ähnlichkeiten zum Turing-Test auf: Der ideale HuggieBot versteht nicht, was eine Umarmung ist, doch er liefert den Menschen eine überzeugende Umarmung, die den körpersprachlichen Dialog menschlicher Umarmungen simuliert.
HuggieBot könne natürlich nicht die verkörperte emotionale Erfahrung einer Umarmung erleben, so das Team. Dafür bräuchte es ein internes emotionales Modell wie der Mensch.
Eine neue Version von HuggieBot ist bereits in Entwicklung: HuggieBot 4.0 kommt mit verbesserter Umarmungspositionierung und -technik. Er soll mit menschlichen Umarmungen verglichen werden.
Dafür sollen Freiwillige unter Stress gesetzt und danach mit einer aktiven oder passiven menschlichen Umarmung oder eine aktiven oder passiven Roboterumarmung versorgt werden. Regelmäßige Speichelmessungen geben dabei Aufschluss über Cortisol- und Oxytocinspiegel und damit Auskunft über die möglichen positiven Effekte der verschiedenen Umarmungen.