OpenAI steht unter Druck: Seit GPT-4 gab es keinen großen Wurf mehr, aber viele negative Schlagzeilen. Seit Anfang 2024 haben zahlreiche große Namen das Unternehmen verlassen. Sind die Abgänge ein Zeichen für overhypte generative KI?
Greg Brockman, Präsident, Vorsitzender, Mitbegründer und erfahrener Entwickler, hat angekündigt, dass er bis Ende des Jahres eine Auszeit nehmen wird. Danach plant er, zurückzukehren.
Der Zeitpunkt, zusammen mit dem Abgang von John Schulman (siehe unten), einem weiteren Mitgründer, erscheint zumindest verdächtig, denn OpenAI steht unter enormem Druck: Vom nächsten KI-Modell werden Wunderdinge erwartet, das Unternehmen schreibt hohe Verluste, hat zahlreiche Klagen am Hals und die Kooperation mit Microsoft wird von Behörden kritisch beäugt.
John Schulman wechselt zu OpenAI-Konkurrent Anthropic, um sich vertieft mit KI-Sicherheit zu befassen, seinem persönlichen Interessenfeld. Eine Ohrfeige für die aktuelle OpenAI-Führung.
Die verteilte auch Jan Leike, Ex-Co-Leiter des Superalignment-Teams. Er verließ OpenAI aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit der Führung über Prioritäten und dem Wunsch, sich auf Sicherheit und gesellschaftliche Auswirkungen zu konzentrieren, und fand dabei sehr deutliche Worte. Auch Leike arbeitet jetzt für Anthropic.
Ilya Sutskever, Mitbegründer von OpenAI und einer der führenden KI-Forscher des letzten Jahrzehnts, hat OpenAI nach fast zehn Jahren verlassen. Er war Vorstandsmitglied von OpenAI und im November am Rauswurf von OpenAI-CEO Sam Altman beteiligt.
Nach seinem Ausscheiden bei OpenAI hat Sutskever zusammen mit zwei Partnern das Start-up Safe Superintelligence Inc. gegründet. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, das "wichtigste technische Problem unserer Zeit" zu lösen: die Entwicklung einer sicheren Superintelligenz
Daniel Kokotajlo, ebenfalls Sicherheitsforscher, verlor laut eigenen Angaben das Vertrauen, dass sich das Unternehmen zum Zeitpunkt der AGI-Entwicklung verantwortungsvoll verhalten würde. Bei seinem Abgang verzichtete er auf viel Geld, um nicht Opfer von OpenAIs Knebelverträgen zu werden.
Weitere hochkarätige Abgänge der letzten Monate sind Logan Kilpatrick, Ex-Leiter der Entwicklerbeziehungen, der als leitender Produktmanager für Google AI zu Google wechselte, Peter Deng, Vice President of Consumer Products, der für ChatGPT und ChatGPT Enterprise verantwortlich war, sowie der führende KI-Forscher Andrej Karpathy, der sein eigenes Start-up für KI-Training gegründet hat.
In einer Erklärung stellte Karpathy klar, dass seine Entscheidung nicht das Ergebnis eines Problems oder "Dramas" bei OpenAI sei. Er lobte das starke Team und die "sehr aufregende Roadmap" von OpenAI.
Wer verlässt ein Unternehmen, das bald AGI erfindet?
Diese Abgänge werfen Fragen auf: Wer verlässt ein Unternehmen, das kurz davor ist, AGI zu entwickeln, die womöglich mächtigste und wichtigste Technologie in der Geschichte der Menschheit? Blufft OpenAI etwa, und große Fortschritte bei KI-Modellen bleiben vorerst aus? Betrachtet man allein die LLM-Entwicklung der letzten Monate, sieht es derzeit danach aus. Die LLMs scheinen sich sämtlich in etwa auf GPT-4-Niveau einzupendeln.
Deutliche Verbesserungen sind bei der Effizienz zu verzeichnen, was ebenso wie die Multimodalität neue Möglichkeiten der Skalierung eröffnen könnte. Ein Durchbruch, insbesondere bei der Logik, lässt jedoch noch auf sich warten.
Ehemalige OpenAI-Akteure sind der KI-Branche jedoch weitgehend treu geblieben und haben etwa neue Positionen bei Google und Anthropic übernommen oder eigene Start-ups gegründet. Das deutet darauf hin, dass sie nicht generell den Glauben an KI oder AGI verloren haben - manchmal aber an OpenAI.
Anders verhielt sich das beispielsweise beim großen Virtual-Reality-Hype und dem langsamen Zerfall des gehypten VR-Start-ups Oculus, das in Facebook aufging. Die Oculus-Gründer verließen Facebook nach und nach wegen Meinungsverschiedenheiten und ließen dabei auch die Technologie hinter sich. Das klingt nach Führungskrise.