Infrastruktur-Kollaps droht: Warum OpenAI und Microsoft der Strom ausgeht
Kurz & Knapp
- Eine Analyse zeigt, dass der US-Strombedarf für KI-Rechenzentren bis 2028 rund 44 GW zusätzlich erfordert, während nur etwa 25 GW bereitstehen werden – ein Defizit, das die Ausbaupläne von Tech-Konzernen gefährden könnte.
- Veraltete Infrastruktur, lange Genehmigungsprozesse, Lieferengpässe und überfüllte Wartelisten durch doppelte Anträge bremsen den Netzausbau, weshalb Firmen zunehmend eigene Kraftwerke und Gasturbinen einsetzen.
- Die Branche warnt vor einem Rückstand gegenüber China und drängt auf politische Unterstützung, während Umweltorganisationen mahnen, dass fossile Lösungen den Ausbau schneller realisierbarer erneuerbarer Energien behindern.
Einem neuen Bericht zufolge droht den USA eine massive Energielücke, die die Expansionspläne von OpenAI, Microsoft und Co. gefährden könnte.
Während Tech-Giganten Milliarden in neue Rechenzentren investieren, zeichnet sich ein physikalisches Limit ab: das amerikanische Stromnetz. Laut einer Analyse der Financial Times werden die geplanten Kapazitäten für KI-Rechenzentren das verfügbare Stromangebot in den kommenden Jahren drastisch übersteigen.
Bis 2028 werden demnach schätzungsweise 44 Gigawatt (GW) an zusätzlicher Leistung für neue Rechenzentren benötigt. Aufgrund von Engpässen in der Netzinfrastruktur werden im gleichen Zeitraum jedoch voraussichtlich nur etwa 25 GW ans Netz gehen. Das resultierende Defizit von 19 GW entspricht rund 40 Prozent des benötigten Bedarfs.
Die großen "Hyperscaler" – Amazon, Google, Meta und Microsoft – haben Pläne für Investitionen von mehr als 400 Milliarden US-Dollar vorgelegt, primär für Rechenzentren. Allein OpenAI soll Infrastrukturverträge im Gesamtwert von über 1,4 Billionen US-Dollar unterzeichnet haben, um sich über die nächsten acht Jahre rund 28 GW Kapazität zu sichern.
CEO Sam Altman bezeichnete den Energiemangel als existenzielles Risiko: "Wenn wir die Rechenleistung nicht haben, werden wir nicht in der Lage sein, die Einnahmen zu generieren oder die Modelle in diesem Maßstab zu entwickeln."
Warteschlangen und Phantom-Projekte verstopfen das Netz
Der Ausbau des US-Stromnetzes hält mit dieser Nachfrage nicht Schritt. Nach zwei Jahrzehnten stagnierenden Wachstums steigt der Strombedarf nun sprunghaft an, wobei mehr als die Hälfte des erwarteten Zuwachses auf KI-Rechenzentren zurückzuführen ist.
Die Infrastruktur ist jedoch veraltet, viele Masten und Transformatoren stammen noch aus den 1960er und 1970er Jahren. Verschärft wird die Lage durch bürokratische Hürden. Landesweit überschreitet die durchschnittliche Wartezeit von der Beantragung eines Netzanschlusses bis zum kommerziellen Betrieb inzwischen acht Jahre.
Zudem erschweren laut dem Bericht sogenannte "Phantom-Rechenzentren" die Planung. Entwickler reichen oft mehrere Anträge bei verschiedenen Versorgern ein, um den günstigsten Preis zu finden, was die Warteschlangen künstlich aufbläht.
Auch die Lieferketten sind angespannt: Die Lieferzeiten für große Transformatoren sind heute drei- bis viermal so lang wie noch im Jahr 2020. Gasturbinen, die oft als Übergangslösung dienen, haben mittlerweile Lieferzeiten von rund viereinhalb Jahren.
Tech-Konzerne setzen auf eigene Kraftwerke und "Guerilla-Taktiken"
Um die Verzögerungen zu umgehen, setzen die KI-Unternehmen zunehmend auf Energieerzeugung abseits des öffentlichen Netzes ("Behind-the-meter").
Ein prominentes Beispiel ist Elon Musks xAI. Das Unternehmen betreibt seinen umstrittenes "Colossus"-Cluster in Memphis, Tennessee, laut dem Southern Environmental Law Center (SELC) monatelang mit Dutzenden von Gasturbinen, ohne über die notwendigen Umweltgenehmigungen zu verfügen. Erst im Juli erhielt xAI eine Genehmigung für 15 Turbinen als Backup, obwohl laut SELC bis zu 35 Turbinen vor Ort beobachtet wurden.
Auch OpenAI plant für sein Projekt "Stargate" in Texas den Einsatz von zehn Erdgasturbinen mit einer Kapazität von 361 Megawatt. Microsoft setzt unterdessen auf die Wiederbelebung der Kernkraft und hat einen Deal zur Reaktivierung des Kernkraftwerks Three Mile Island ab 2027 geschlossen.
Wettlauf gegen China als politischer Druckmittel
Die Tech-Branche braucht also Beschleunigung und rahmt den Energiehunger daher als Frage der nationalen Sicherheit. In einem offenen Brief an die US-Regierung warnte OpenAI davor, dass China beim Infrastrukturausbau davonzieht.
Die Befürchtungen sind nicht unbegründet, die Volksrepublik fügte 2024 rund 429 GW an neuer Stromkapazität hinzu – mehr als ein Drittel des gesamten US-Netzes. Die USA kamen im gleichen Zeitraum nur auf 51 GW.
Die US-Regierung versucht mittlerweile, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und den Ruhestand alter Kohlekraftwerke per Notverordnung zu verzögern. Umweltschützer warnen jedoch, dass die Fokussierung auf fossile Brennstoffe und die Blockade erneuerbarer Energien kontraproduktiv sei, da Solar- und Batterieparks deutlich schneller zu errichten wären als Gaskraftwerke.
Sollte das Stromdefizit nicht gedeckt werden, könnte die befürchtete "KI-Blase" laut Analysten tatsächlich platzen – nicht wegen fehlender Nachfrage nach Intelligenz, sondern wegen fehlender Elektronen.
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