Der IT-Profi Kevin Hess illustriert auf hunderten Seiten einen Science-Fiction-Klassiker mittels KI-generierter Motive. Ein kunstvolles Projekt und zugleich eine eindrucksvolle Bestätigung der These, dass durch KI-Bildgeneratoren mehr Menschen zu Kunstschaffenden werden können - obwohl sich Hess selbst nicht als Künstler sieht.
1937 veröffentlichte der britische Autor Olaf Stapledon seine Science-Fiction-Novelle "Star Maker". Der Hauptakteur verlässt seinen Körper, kann so das Weltall und andere Planeten besuchen und seinen Geist mit jenen anderer Wesen verschmelzen. Immer größer wird die Gruppe der Sternenreisenden, die sich im Weltall verbreiten.
Das Buch befasst sich mit philosophischen Themen wie dem Wesen des Lebens, der Geburt, dem Verfall und dem Tod sowie der Beziehung zwischen Schöpfung und Schöpfer.
Star Maker ist auch das Lieblingsbuch von IT-Profi Kevin Hess. Als er von KI-Bildgeneratoren wie DALL-E oder Midjourney hörte, hatte er die Idee, die umfassende Novelle zu illustrieren, auch um sie zeitgemäßer zu präsentieren.
"Ich versuche seit etwa fünfzehn Jahren, die Leute dazu zu bringen, dieses Buch zu lesen. Als ich dann endlich eine Möglichkeit fand, den Roman auf eine Art und Weise zum Leben zu erwecken, die besser dazu passt, wie die Menschen heutzutage Medien konsumieren, habe ich mich darauf gestürzt", sagt mir Hess.
Star Maker spielt den Schwächen von KI-Bildgeneratoren in die Karten
Eine Schwäche aktueller KI-Bildgeneratoren ist deren Mangel an Konsistenz: Ähnliche Bildbefehle können zu recht unterschiedlichen Motiven führen. Das macht es schwer, die Generatoren für zusammenhängende Geschichten zu verwenden.
Für die Star-Maker-Erzählung war das laut Hess kein Problem: "Im Gegensatz zu den meisten anderen literarischen Werken gibt es in Star Maker kaum Charaktere, und die genauen visuellen Details dessen, was man sieht, sind nicht besonders wichtig. [....] Die Dinge, die KI-Kunst nicht so gut kann - sich wiederholende Charaktere, einheitliche Szenen, Action - waren für Star Maker also überhaupt nicht nötig."
Hess verwendete die Bild-KI Midjourney, die schon in der Standardeinstellung einen aus seiner Sicht passenden Stil für Star Maker erzeugte. So musste er nicht zunächst eigene Bildbefehle entwickeln und hatte außerdem eine gewisse visuelle Konsistenz in den Illustrationen.
Vereinzelt verwendete er Photoshop für Verbesserungen, hauptsächlich für die Farbe, um die Textboxen besser lesbar zu machen. Das Layout setzt er mit Comic Life 3 um. Eine halbe Seite der Novelle entspricht in etwa drei Comic-Seiten. Pro zu illustrierender Textstelle verwendete Hess bis zu sechs Bildbefehle. Insgesamt, so schätzt er, waren es 400 bis 500 Befehle.
Die fertig illustrierte Novelle umfasst 706 Seiten und war rund 100 Stunden in Arbeit, was circa 8,5 Minuten pro Seite entspricht. Eine wahnsinnige Geschwindigkeit, die nur mittels KI-Automatisierung erreichbar war.
KI-Generatoren entkoppeln die Idee vom Handwerk
Ohnehin wäre das Werk ohne KI-Bildgenerator nicht möglich gewesen, sagt Hess. Das liege zum einen daran, dass er selbst "überhaupt nicht" zeichnen könne. Und selbst wenn, wäre eine Grafiknovelle in diesem Umfang "ein Lebenswerk", so Hess.
Im Kontext der derzeit intensiv geführten Debatten um die Auswirkungen von KI auf Kunstschaffende nimmt Hess seine grafische Novelle aus der Schusslinie: Kein Publisher hätte jemals in dieses Projekt investiert. Insofern hätte es auch nie Budget für menschliche Künstler:innen gegeben, deren Arbeitskraft die Maschine hätte ersetzen können. KI war aus Hess’ Perspektive die einzige Lösung, dieses Werk zu schaffen.
Trotz des eindrucksvollen Resultats sieht sich Hess nicht in Konkurrenz zu Kunstschaffenden, nicht einmal als Künstler: "Es ist die Maschine. Ich würde mich selbst nicht als Künstler bezeichnen", sagt Hess.
Kevin Hess’ grafische Novelle von Star Maker erscheint am 17. September bei Amazon und Google Play.