In den vergangenen Jahren hat sich viel getan bei Künstlicher Intelligenz. Auf das Gaming haben neuere KI-Technologie wie Deep Learning allerdings noch keinen großen Einfluss. Das dürfte sich auf Dauern ändern und Videospiele auf eine neue Stufe hieven.
Wie wir in Videospielen mit computergenerierten Figuren interagieren, daran hat sich seit den Anfängen nur wenig verändert: In der Regel klickt man sich durch vorgefertigte Dialogbäume. Die Dynamik eines realen Gesprächs wird damit nur angedeutet.
Dabei könnten die NPCs so viel mehr sein: nämlich "virtuelle Wesen", die in Ansätzen verstehen, was der Spieler sagt und tut, und auf unterschiedliche Weise reagieren. Diese Vision haben die Vertreter einer neuen Art Storytelling, die Künstliche Intelligenz und Geschichtenerzählen verbinden wollen. Sie glauben, dass virtuelle Wesen das nächste große Interface sind und damit die Art und Weise verändern werden, wie wir mit Computern umgehen.
Natürlichere Interaktionen mit NPCs
Zu dieser Entwicklung gehört zum einen Spracherkennung, also die Möglichkeit, dass eine KI phonetische Laute entschlüsseln und verstehen kann. In einem Rollenspiel könnte man so an einen Schmied-NPC herantreten und ihm sagen, dass er ein Schwert schmieden soll. Das ist bedeutend immersiver, als ein Menü zu öffnen und auf das entsprechende Symbol zu drücken. Im VR-Teamspiel "Star Trek: Bridge Crew" (Test) nimmt zum Beispiel IBMs Sprach-KI Watson Befehle entgegen.
Zum anderen könnten die Computerfiguren mit einer Persönlichkeit ausgestattet werden, denn auch die gehört zu virtuellen Wesen. So könnte der Schmied der Bitte nicht Folge leisten, wenn er den Spieleravatar nicht mag, gerade einen schlechten Tag hat - oder wenn man ihn auf allzu barsche Weise fragt.
Denn mittels Stimmanalyse könnte die Videospiel-KI ermitteln, in welcher Gemütslage man ist und diese Information in die Interaktion zwischen eigener und fremder Spielfigur einbringen: Klingt man niedergeschlagen, könnte der NPC-Begleiter zum Beispiel versuchen, den Spieler mit einem Witz aufzumuntern. Hier kommt eine psychologische Komponente zum Tragen, die es so noch nicht in Videospielen gab.
Freiheit vs. Erzählung
Es ist ein alter Traum der Videospiele, der nie so ganz in Erfüllung ging: Dass man beim Spielen seine eigene Geschichte schreibt. Denn die Geschichte ist von den Entwicklern entweder mehr oder weniger vorgegeben oder man ist so frei, dass beim Spielen keine Geschichte entsteht oder zumindest nur eine, die nicht stringent oder gar widersprüchlich ist (siehe ludonarrative Dissonanz).
Doch Handlungsfreiheit und Narration müssen sich nicht widersprechen. Man nehme Pen-&-Paper-Rollenspiele als Beispiel. Hier gibt es für die Teilnehmer einen großen Handlungsspielraum, der deshalb nicht in ein narratives Chaos mündet, weil ein menschlicher "Dungeon Master" als eine von außen wirkende Ordnungsmacht die erzählerische Einheit sicherstellt.
Das ist eine außerordentliche Leistung, zu der ein Computer noch nicht in der Lage ist. Die Maschine versteht noch nicht, wie eine gute Geschichte aufgebaut ist und was sie ausmacht. Ich schreibe "noch", weil sich das dank Künstlicher Intelligenz eines Tages ändern könnte.
Dynamische Geschichten
So könnten KI-Forscher ein künstliches neuronales Netz mit einer Vielzahl Geschichten trainieren, sodass sie möglicherweise deren Bausteine erkennt und in der Lage ist, aus diesen modular und dynamisch Geschichten, Wendungen und narrative Spannungsbögen zu bauen - ähnlich wie ein menschlicher Dungeon Master.
Im Kontext eines KI-Videospiels der Zukunft könnte das heißen, dass man die Handlung als Spieler auf dynamische und bedeutende Weise beeinflussen kann und das daraus unvorhersehbare Ereignisse folgen, die am Ende gleichwohl eine hohe erzählerische Qualität haben. Das würde zu einem hohen Wiederspielwert führen, weil man nie weiß, was am Ende herauskommt.
Womit heute schon experimentiert wird, ist eine KI, die eigenständig interaktive Textadventures erstellt. Besonders gut funktioniert das allerdings noch nicht.
Die Unvorhersehbarkeit KI-gestützter Erzählsysteme kann allerdings zu einem Problem für Entwickler werden, weil sie damit viel Kontrolle über die Geschichte oder Spielmechanik verlieren. Innovationen in diesem Bereich sind daher eher von kleineren, experimentierfreudigen Studios zu erwarten, die das Risiko eingehen können, etwas vollkommen Neues zu schaffen.
KI unterstützt Entwickler beim Weltenbauen
Sehr wahrscheinlich wird KI Entwicklern bei der Generierung von Inhalten helfen. Die Software Promethean AI zum Beispiel lernt von Entwicklern und imitiert sie anschließend, um repetitive Aufgaben zu übernehmen oder schnelle Prototypen zu erstellen. Nach einer Trainingsphase kann die KI ganze Umgebungen und einzelne Szenen im Stil des Künstlers anfertigen und auf Wunsch das Material oder die Farbe einzelner Objekte verändern. Der Mensch übernimmt dann die Details und den Feinschliff, verleiht der Szene ihren finalen Charakter.
Das Trainingsmaterial kann jedoch auch etwas ganz anderes sein und aus der physischen Welt stammen, sodass die KI, hinreichend trainiert, unendlich viele Duplikate desselben erstellen kann, zum Beispiel einzigartige Gesichter für NPCs oder ganze Straßenzüge.
Zu guter Letzt könnten Algorithmen auch vom Spieler lernen, indem sie dessen Spielstill analysieren und die Spielinhalte danach ausrichten, wie das rundenbasierte Rollenspiel Wheel of Fate. Beeinflusst werden laut der Entwickler Umgebungseffekte, Teile der Geschichte und zufällige Ereignisse in der Welt.
Titelbild: Hello Games