Gary Marcus und der Roboterforscher Rodney Brooks erhalten von Investoren 15 Millionen US-Dollar für das Roboterstartup Robust.AI. Sie wollen smartere Roboter bauen.
KI-Forscher Gary Marcus ist als Deep-Learning-Kitiker bekannt: Er beleuchtet regelmäßig das mangelnde Weltverständnis aktueller KI-Systeme. Ausnahmesituationen wie die Corona-Pandemie machten die Mängel von Deep Learning deutlich, meint Marcus, und bezeichnete Corona daher als Weckruf für Künstliche Intelligenz. Stattdessen fordert er eine Kombination logischer Regelsysteme mit Deep-Learning-Ansätzen.
Marcus will Roboter mit mehr Grips
Wenn Marcus nicht gerade als KI-Kritiker auftritt, forscht er in seinem Robotik-Unternehmen an einer "industriellen kognitiven Engine", die Grundlage für alltagstaugliche Roboter werden soll.
Denn aktuelle Roboter sind noch unflexibel: Sie scheitern, sobald sie in der echten Welt auf Parameter stoßen, die in ihrer Programmierung nicht beschrieben oder denen sie in ihrem Trainingsprozess nicht begegnet sind.
Marcus möchte diesen Missstand ändern und gründete dafür mit Rodney Brooks, Mitgründer von iRobot und Miterfinder des Roombas, 2019 das Robotik-Startup Robust.AI. Dort wollen die beiden mit etwa 25 Angestellten die Brücke schlagen zwischen aktuellen Doof-Bots und nützlichen, alltagstauglichen Robotern, die auf Baustellen malochen, in der Pflege arbeiten oder autonomes Fahren ermöglichen – oder vielleicht sogar alle drei Tätigkeiten ausüben können.
Bisher steckten Investoren 7,5 Millionen US-Dollar in Robust.AI, nun kommen 15 Millionen US-Dollar von Jazz Venture Partners dazu. Mit dem Geld will das Startup die eigene Software mit Fokus auf soziale Wahrnehmung und Navigation weiterentwickeln und das eigene Software-Produkt stärker vermarkten.
Robust.AI will eine fundamentale Softwarelösung für die Robotik bauen
Gefunden haben sich Marcus und Brooks kurz nach Veröffentlichung von Marcus KI-Buch Rebooting AI (Amazon-Link), dessen Robotik-Kapitel Brooks mit den Worten "Du bist noch viel zu nett" kommentierte. "Das höre ich nicht so häufig", so Marcus.
Nach drei Monaten hatte Marcus Brooks überzeugt, Robust.AI mit drei weiteren Experten zu gründen: Mohamed Amer, ehemaliger KI-Forschungschef bei SRI International, Anthony Jules ehemals CTO bei der Robotikfirma Formant.io und ehemalige Produktmanagerin bei GoogleX sowie Henrik Christensen, Professor an der UC San Diego und Direktor des Contextual Robotics Instituts.
"Wir wollen eine Software-Plattform bauen, die Robotern hilft, in der realen Welt zu funktionieren und nicht nur in ausgewählten Umgebungen", sagt Marcus. "Wenn du einen Roboter baust, gibt es aktuell keine fertige Software, so wie eine Spiele-Engine, wenn du ein Videospiel entwickelst."
Eine Videospielentwicklerin müsse sich zum Beispiel nicht darum kümmern, wann und wo ein Objekt mit einem anderen kollidiert – dieser Berechnung leiste die Spiele-Engine automatisch. Sie könne sich stattdessen auf kreative Aspekte konzentrieren.
Marcus glaubt, dass Roboterentwicklung von diesem Vorbild lernen kann und ein ähnliches Software-Fundament benötigt. Mit der stetig zunehmenden Verbreitung von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung in verschiedenen Industrien steige der Bedarf nach diesem Fundament – insbesondere bei den Unternehmen, die sich keine Weltklasse-KI-Abteilung leisten können.
Kurzfristig soziale Navigation, langfristig soziale Kommunikation
Diese "kognitive Engine" soll Firmen den Roboterbau vereinfachen und ihre Zuverlässigkeit sicherstellen. "Firmen sollten sechs Monate mit vielleicht fünf Doktoranden für die Entwicklung eines Roboters benötigen statt 40 Doktoranden und drei Jahre. Das ist die langfristige Vision", so Marcus.
Kurzfristig konzentriert sich Robust.AI auf die soziale Navigation, also die Frage, wie ein Roboter sich unter Menschen und zwischen Objekten bewegt, ohne sie zu unterbrechen, zu stören oder zu beschädigen. Längerfristig will Marcus an einem besseren Sprachverständnis von Robotern arbeiten.
Im Alltag seien es Menschen nicht gewohnt, Anweisungen und Wünsche bis ins letzte Detail zu beschreiben und zu durchdenken. Bei der Interaktion mit KI könnte das fatale Folgen haben: Ein Roboter, der Geschirr in ein Regal räumen soll, könnte es zum Beispiel erst zerdeppern, damit es im Regal weniger Platz einnimmt.
Solche KI-Missverständnisse können laut Marcus nicht mit dem Deep-Learning-Sprachverständnis gelöst werden. Denn dafür brauche es gesunden Menschenverstand, der, neben der Fähigkeit zu lernen, vor allem die Fähigkeit zu logischen Schlussfolgerungen benötigt. Dies sei nur mit dem von ihm geforderten hybriden Ansatz aus Deep Learning und logischen Regelsystemen möglich.
Titelbild: Robust.AI | Via: Forbes