Historische Aufnahmen kennen wir mit ruckeligen Bildern und in schwarz-weiß. Videobearbeitung per KI holt das alte Filmmaterial in die Moderne.
Der Moskauer Denis Shiryaev ist kein KI-Fachmann. Er beschäftigt sich mit der Technologie, weil er eine Idee verwirklichen will: Historisches Filmmaterial wie neu wirken lassen.
Die Algorithmen, die er für seine KI-Videorestauration verwendet, programmiert und trainiert Shirjaev nicht selbst, sondern nutzte meist frei verfügbare Software aus dem Internet.
Shiryaev stellt die Recherche, das Motiv - und natürlich den Strom, denn die digitale Frischzellenkur braucht reichlich Rechenleistung. Tagelang rendert sein PC teils, bis ein altes Video wie neu wirkt.
Das historische Tokio neu entdecken
Für sein neuestes Werk wandte sich Shiryaev dem historischen Tokio zu. Per KI-Upscaling und -Gesichtsrestauration brachte er das alte Filmmaterial auf moderne Standards: 4K-Auflösung, 60 Bilder pro Sekunde, Farbe.
Für das Tokio-Video setzte Shirjaev erstmals eine neue KI-Technik ein, die er bei seinen ersten KI-Experimenten schon in Aussicht stellte: Ein neuronales Netz im Produktionsprozess restauriert die im Originalmaterial schlecht zu erkennenden Gesichter.
Diese Mechanik offenbart die größte Krux an der KI-Videorestauration: Denn die Künstliche Intelligenz fügt neue Bildinformationen hinzu, verändert also die historische Akkuratheit der Aufnahmen.
Zu sehen sind dann Gesichter von Menschen, die auf anderen Aufnahmen gar nicht mehr wiederzuerkennen wären. Ihr Gesicht existiert nicht, es ist Maschinenfantasie. Auch die Umgebungsklänge sind nachträglich eingefügt.
Historiker dürften daher die Nase rümpfen über Shiryaevs Arbeit. Oder auch nicht, denn: Die Aufgabe seiner Videos ist nicht der Unterricht. Vielmehr könnten sie für zeitgenössische Betrachter einen neuen Bezug zur Vergangenheit schaffen. Shirjaev jedenfalls ist davon überzeugt, dass seine neue Restaurationsmethode für (sehr) alte Videos großes Zukunftspotenzial hat.