KI-Grafik kommt im Alltag an. Eine aktuelle Debatte zeigt, dass noch viel Klärungsbedarf besteht - rechtlich, ethisch und emotional.
KI-Grafik-Werkzeuge wie Midjourney und DALL-E 2 sind für immer mehr Menschen verfügbar. Sie dürfen und werden auch kommerziell verwendet.
Hier ersetzt das Werkzeug zumindest potenziell (anteilig) menschliche Arbeit: Das Cosmopolitan-Magazin etwa generierte eine Titelseite per KI und kürzlich nutzte ein Autor der Webseite The Atlantic in einem Artikel ein von Midjourney generiertes Bild. Mit Folgen bei Twitter.
KI-Illustration ersetzt Stockfoto - und Künstler sind entsetzt
Der Autor Charlie Warzel verwendete in seinem Newsletter für die bekannte überregionale US-Medienmarke "The Atlantic" eine von Midjourney illustrierte Grafik, die den US-Radiomoderator Alex Jones darstellt.
Da viele Medien über Jones berichteten und dabei auf eine Auswahl weniger Stockfotos zurückgriffen, aus der Warzel ebenfalls hätte wählen müssen, wollte sich der Autor in seinem Newsletter visuell unterscheiden. Die KI-generierte Grafik schien ihm daher eine gute Alternative.
Das wiederum störte Künstlerinnen und Designer, denen die KI-Grafik auffiel und die bei Twitter protestierten: Wenn ein bekanntes Magazin wie The Atlantic einen Computer statt eines Künstlers oder einer Künstlerin für Illustrationen bezahlt, diene dies womöglich anderen Publikationen als Vorlage, um am Designbudget zu sparen.
We all knew AI art would be used in this way eventually but to actually see it happen is really nasty. pic.twitter.com/qInIGZTUlU
— Adam Szym (@adamszym) August 10, 2022
Warzel stellte zwar klar, dass die KI-Illustration allein seine Entscheidung war und die Alternative nur vielfach verwendete Stockfotos gewesen wären. Doch Twitters Eigendynamik konnte Warzel nicht mehr einfangen: Die Proteste gegen sein KI-Bild bekamen hunderte Retweets und zehntausende Likes.
"Meine offenen DMs waren gut gefüllt mit Leuten, die mich abwechselnd ein Stück Scheiße nannten oder fragten, warum mich jeder auf Twitter ein Stück Scheiße nannte", schreibt Warzel.
Nicht jede KI-Illustration ersetzt eine menschliche
Hinter den Protesten aus der Grafikgemeinschaft steht zum einen die Angst, ersetzt zu werden. OpenAI-Gründer Sam Altman, einer der Köpfe hinter DALL-E 2, sagte zum Beta-Launch der Bildmaschine, dass diese wohl menschliche Kreativjobs übernehmen und den Arbeitsmarkt verändern werde.
Zusätzliche Wut steckt in den Protesten, da Systeme wie DALL-E 2 oder Midjourney mit Bildern aus dem Internet trainiert werden. Diese Bilder wiederum wurden größtenteils von Menschen geschaffen.
Eine These ist daher, dass Künstlerinnen und Künstler einen grundsätzlichen Lizenzanspruch gegenüber KI-generierten Bildern haben, da ihre Kunst anteilig im KI-Bild stecken könnte. Eine ähnliche Debatte führen Programmier:innen im Kontext von KI-Code-Generatoren. Einen Konsens gibt es bislang nicht.
Warzel jedenfalls entschuldigt sich bei der Design-Gemeinschaft: Er habe vor seiner Entscheidung für die KI-Illustration nicht die "komplizierten ethischen Probleme" bedacht, sondern sei nur egoistisch dem Wunsch gefolgt, seinen Newsletter visuell von der restlichen Jones-Berichterstattung zu unterscheiden.
Da er unter anderem nicht dazu beitragen wolle, die Entwicklung in eine Richtung zu lenken, verzichte er zukünftig weitgehend auf KI-Grafiken - auch wenn statt der KI nicht automatisch ein Mensch beauftragt würde.
"Wie andere habe auch ich Fragen zu dem Korpus, der zum Trainieren dieser Kunsttools verwendet wird, und zu der Möglichkeit, dass ein großer Teil der Kunst sowohl von bekannten als auch von weniger bekannten Künstlern verwendet wird, ohne dass die Künstler dafür entschädigt oder darüber informiert werden", schreibt Warzel.