Microsoft hat seine Rechenzentrumsprojekte stärker reduziert als bislang angenommen. Der Konzern reagiert damit auf eine tiefgreifende Veränderung seiner Partnerschaft mit OpenAI und enttäuschende interne Entwicklungen im KI-Geschäft.
Microsoft plante in den Jahren 2023 und 2024 einen beispiellosen Ausbau seiner Rechenzentrumsinfrastruktur. Laut SemiAnalysis unterzeichnete das Unternehmen bindende Vorverträge für mehr als 5 Gigawatt an zusätzlicher Kapazität, die zwischen 2025 und 2028 in Betrieb gehen sollten. Gleichzeitig kaufte Microsoft weltweit zehntausende Acres Land, beschleunigte den Bau bestehender Standorte und sicherte sich Gigawatt an Stromkapazität.
Die Bilanzzahlen spiegelten diese Ambitionen wider: Im Geschäftsjahr 2024 stieg der Buchwert der Gebäudeanlagen um 26 Milliarden US-Dollar, der Landbesitz legte gegenüber dem Vorjahr um 44 Prozent zu. Die Bauverpflichtungen verdreifachten sich auf mehr als 35 Milliarden US-Dollar. Microsoft dominierte damit zeitweise über 60 Prozent aller neuen Leasingabschlüsse im Hyperscale-Segment.
Trotz dieser Expansionswelle stoppte der Konzern Mitte 2024 sämtliche neuen Leasingaktivitäten. Die vielfach berichteten 2 Gigawatt an stornierten Leasingverträgen bezogen sich dabei ausschließlich auf nicht-bindende Absichtserklärungen.
Wesentlicher als das Aussetzen neuer Leasingaktivitäten ist laut SemiAnalysis die Entscheidung, 1,5 Gigawatt an Eigenausbauten für die Jahre 2025 und 2026 einzufrieren. Zahlreiche Großprojekte zeigen seither kaum Fortschritte. Zwar wird an der Erschließung der Grundstücke weitergearbeitet, doch der Bau von Gebäuden sowie die Bestellung von Kühl- und Elektroinfrastruktur wurden gestoppt oder verzögert. Microsoft verfolge damit bewusst eine flexiblere Strategie für zukünftige Kapazitätserweiterungen.
„Stargate“ und Copilot
Treibende Kraft hinter Microsofts ursprünglicher Expansion war die rasante Skalierung von OpenAI. Nach dem Erfolg von ChatGPT plante OpenAI, seine Rechenkapazität um ein Vielfaches zu erhöhen, wobei Microsoft anfangs eng eingebunden war.
Diese Dynamik änderte sich 2025 grundlegend: Die exklusive Partnerschaft zwischen Microsoft und OpenAI wurde aufgehoben. OpenAI verlagerte große Teile seiner Trainingsinfrastruktur zu Oracle und Crusoe, die mit einem ersten "Stargate"-Campus in Texas ein 1,2-Gigawatt-Rechenzentrum errichten. Zudem schloss OpenAI einen Fünfjahresvertrag über 11,9 Milliarden US-Dollar mit CoreWeave ab und beteiligte sich mit 350 Millionen US-Dollar an dem Anbieter. Künftig könnten CoreWeave-GPUs auch für OpenAI-Inferenzaufgaben eingesetzt werden – bisher exklusives Terrain von Microsoft.
Zusätzlich zu den externen Veränderungen kämpft Microsoft mit schwächer als erwarteter Nachfrage nach eigenen KI-Produkten, so SemiAnalysis. Auch die interne Entwicklung großer Sprachmodelle komme langsamer voran als bei Konkurrenten wie Amazon.
Anekdotische Hinweise und die Analyse laufender Auftragsbestände deuteten darauf hin, dass die unternehmenseigene KI-Nachfrage im Enterprise-Segment ebenfalls hinter den Erwartungen zurückbleibe.
Marktauswirkungen auf CapEx und Zulieferer
Trotz der Kürzungen wird Microsoft seine Gesamtkapazität auch 2025 und 2026 weiter ausbauen. Das Investitionsvolumen verändert jedoch seine Struktur: Während die Anschaffung von GPUs deutlich steigt, wird der Bau eigener Rechenzentren stagnieren oder leicht zurückgehen. Stattdessen wird vermehrt auf Leasingmodelle gesetzt.
Für Ausrüster wie Vertiv seien die Auswirkungen dabei allerdings weniger drastisch als vielfach angenommen. Da ein Großteil der geleasten Rechenzentrumsflächen sich bereits im Bau befindet, bleibt die Auftragslage intakt. Allerdings verschieben sich die Kräfteverhältnisse bei den Hyperscalern: Anbieter wie CoreWeave und Oracle gewinnen an Bedeutung.