Meta lockt mit millionenschweren Angeboten zahlreiche Spitzenforscher von OpenAI ab. OpenAI reagiert mit besseren Konditionen, einem Strategiewechsel und kämpft um seine Identität.
Laut einem Slack-Memo, das WIRED vorliegt, wandte sich OpenAIs Chief Research Officer Mark Chen in einer ungewöhnlich emotionalen Nachricht an die Belegschaft: "Ich habe das Gefühl, als wäre jemand in unser Zuhause eingebrochen und hätte etwas gestohlen", schrieb er.
Chen kündigte an, gemeinsam mit CEO Sam Altman und weiteren Führungskräften "rund um die Uhr" daran zu arbeiten, Mitarbeitende mit Meta-Angeboten zu halten. Zu den Maßnahmen zählen eine Neuausrichtung der Vergütungsstruktur ("recalibrating comp") und neue Anreizsysteme zur langfristigen Bindung von Top-Talenten.
Gleichzeitig betonte Chen, dass er nicht um jeden Preis kämpfen werde: "Ich werde um jede und jeden von euch kämpfen, aber nicht auf Kosten der Fairness gegenüber anderen."
OpenAI-Führungskräfte warnen vor Metas Drucktaktiken
In dem Memo sind auch Nachrichten von sieben weiteren Führungskräften enthalten. Sie fordern Mitarbeitende auf, bei Angeboten von Meta das Gespräch mit Vorgesetzten zu suchen. "Wenn sie dich unter Druck setzen oder absurde Angebote mit Verfallsdatum machen, sag ihnen, sie sollen sich zurückhalten", heißt es in einer Nachricht.
OpenAI steckt unterdessen selbst in einem Belastungstest. Laut WIRED arbeiten viele Angestellte bis zu 80 Stunden pro Woche. In der kommenden Woche soll der Betrieb weitgehend ruhen, um dem Team Zeit zur Erholung zu geben.
Die Maßnahme sei laut Produktmanager Adam Goldberg länger geplant gewesen. Ein vollständiger Shutdown solle verhindern, dass Einzelne das Gefühl haben, etwas zu verpassen.
Eine Meta-Führungskraft warnte in seiner Nachricht davor, dass Meta gezielt versuche, diese Ruhephase auszunutzen: "Meta weiß, dass wir diese Woche zur Erholung nutzen, und wird versuchen, euch zu schnellen Entscheidungen in Isolation zu drängen."
Weg von Produktzyklen – zurück zur Mission
Chen kritisierte in seinem Memo auch die zunehmende Orientierung an kurzfristigen Erfolgen. OpenAI habe sich zu sehr an den Rhythmus regelmäßiger Produktveröffentlichungen und den Wettbewerb mit Konkurrenten wie Meta gewöhnt. Nun solle der Fokus wieder auf das eigentliche Ziel gelegt werden: die Entwicklung künstlicher allgemeiner Intelligenz (AGI).
"Die Auseinandersetzung mit Meta ist nur eine Nebenquest. Die Hauptquest ist Intelligenz", schrieb Chen. Damit appelliert er wohl auch an jene, die aus ideologischer Überzeugung zu OpenAI kamen – mit dem erklärten Ziel, eine Superintelligenz zu entwickeln, die der Menschheit nützt.
Dieses Ziel, so heißt es im Umfeld von OpenAI, sei in den vergangenen Jahren zunehmend der Kommerzialisierung untergeordnet worden. Altman hingegen argumentiert, dass ohne kommerziellen Erfolg die Entwicklung von AGI nicht finanzierbar sei.
Meta wirbt gezielt Spitzenforscher von OpenAI ab
Meta hat bereits mehrere führende Forscher von OpenAI abgeworben. Jiahui Yu, Hongyu Ren, Shuchao Bi und Shengjia Zhao arbeiteten zuvor an zentralen Systemen wie GPT-4.1, o3 und o1 sowie an multimodalen Verarbeitungsprozessen bei OpenAI. In einem mittlerweile gelöschten Tweet bezeichnete der OpenAI-Entwickler Cheng Lu den Abgang der Kollegen als "großen Verlust". Auch Lucas Beyer, Alexander Kolesnikov und Xiaohua Zhai, die zuvor bei Google Deepmind tätig waren und OpenAIs Büro in Zürich mit aufgebaut hatten, wechselten zu Meta.
Für Top-Forschungskräfte scheinen bei Meta keine Gehaltsgrenzen mehr zu gelten. Laut OpenAI-Quellen und Altman selbst stehen Angebote von über 100 Millionen US-Dollar im Raum. Metas Technikchef Andrew Bosworth bestätigte in einem internen Meeting laut The Verge, dass es sehr hohe Angebote für eine kleine Gruppe von Top-Führungskräften gebe – allerdings nicht als reine Boni, sondern als komplexe Gesamtpakete. Das zeigt, wie aufgehitzt der KI-Markt derzeit ist.