KI-Infrastruktur konzentriert sich auf wenige Länder. Die entstehende digitale Kluft beeinflusst Wissenschaft, Wirtschaft und geopolitische Abhängigkeiten – und könnte die globale Ungleichheit weiter verschärfen.
Künstliche Intelligenz verändert die Welt – aber nicht gleichmäßig. Eine Untersuchung der Universität Oxford zeigt, dass nur 32 Länder über spezialisierte KI-Rechenzentren verfügen. Mehr als 150 Staaten haben praktisch keinen Zugang zu der sogenannten „Compute“-Leistung, die für moderne KI-Modelle notwendig ist. Laut den Forschern Vili Lehdonvirta, Zoe Jay Hawkins und Boxi Wu sind die USA, China und die Europäische Union die Hauptnutznießer: US-Firmen wie Amazon, Google und Microsoft betreiben weltweit 87 KI-Hubs, chinesische Anbieter 39, europäische hingegen nur sechs.
Die Oxford-Studie kartierte erstmals systematisch die globale Verteilung von KI-Infrastruktur, indem sie die Kundenwebseiten von neun führenden Cloud-Anbietern auswertete. Die Ergebnisse zeigen: Die USA dominieren mit weitem Abstand, während Afrika und Südamerika nahezu vollständig von der Entwicklung ausgeschlossen sind. Laut der Studie stammt der Großteil der verwendeten Chips in den Rechenzentren von Nvidia – der US-Firma, die mit ihren GPUs die Schlüsseltechnologie des KI-Booms liefert.
Die New York Times illustriert die Kluft mit Beispielen: OpenAI-Chef Sam Altman besuchte kürzlich ein 60-Milliarden-Dollar-Projekt in Texas - Teil des Stargate-Projekts -, während Informatikprofessor Nicolás Wolovick von der Universität Córdoba in Argentinien seine KI-Forschung in einem umgebauten Klassenzimmer mit veralteten Chips betreibt. Auch in Kenia kämpfen Start-ups wie Qhala und Amini mit dem Mangel an lokaler Rechenleistung und verlagern ihre Arbeit in die Nachtstunden, um Rechenressourcen in Übersee günstiger nutzen zu können.
Nur ein Bruchteil des Bedarfs wird lokal gedeckt
Die USA und China nutzen ihren technologischen Vorsprung gezielt für geopolitische Einflussnahme. Die USA steuern den globalen Zugang zu Hochleistungschips über Exportkontrollen, während China mit staatlichen Krediten für eigene Technik wirbt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde chinesische Technologie ausgeschlossen, um im Gegenzug Zugang zu Nvidia- und Microsoft-Produkten zu erhalten. In Afrika versuchen Unternehmen wie Huawei derweil, bestehende Rechenzentren mit chinesischen Chips umzurüsten, so die Times. Auch wenn China technologisch hinter Nvidia zurückliegt, sieht Lacina Koné von Smart Africa darin eine Option: „Afrika wird mit jedem einen Deal machen, der GPUs liefert“, sagt er.
Co-Autor Lehdonvirta warnt, dass Länder mit Rechenleistung ähnlichen Einfluss ausüben könnten wie Öl-produzierende Staaten. Die teuren Grafikprozessoren von Nvidia sind schwer zu bekommen, was viele Länder dazu zwingt, Rechenleistung aus fernen Rechenzentren zu mieten. Mehrere Länder versuchen nun mit Milliarden-Investitionen eigene KI-Infrastruktur aufzubauen.
Es gibt staatliche Investitionen in Indien, Brasilien und der EU, die eigene Rechenzentren und KI-Modelle schaffen wollen. In Afrika will Cassava Technologies fünf Rechenzentren aufbauen – mit Unterstützung von Nvidia und Google. Dennoch wird laut Cassava nur ein Bruchteil des Bedarfs gedeckt. Die Oxford-Forscher warnen, dass sich die Kluft weiter vertiefen könnte, wenn der Zugang zu Compute-Leistung nicht demokratisiert wird. So auch Koné: „Compute ist die Souveränität unserer digitalen Zukunft“.