Empfehlungsalgorithmen bestimmen, welche Inhalte wir wann und wo konsumieren. YouTube möchte gerne noch ein bisschen mehr von eurer Zeit.
Nutzer sollen dank Empfehlungsalgorithmen mehr kaufen, lesen, sehen, hören - je nach Plattform. Amazon nutzt die Algorithmen, um Kunden weitere Produkte zu verkaufen. Netflix, um ihnen mehr Serien anzudrehen.
Und YouTube? Googles Videoplattform verführt zum Weiterklicken: Noch ein kurzes Katzenvideo ansehen, noch einmal diesen alten Song hören oder ein waghalsiges Flugmanöver eines Linienfliegers bestaunen.
Anders als Amazon oder Netflix verkauft Google keine Produkte, sondern Zeit: Jede Sekunde, die Kunden auf der Plattform verbringen, generiert Werbeeinnahmen. Selbst eine kleine Verlängerung der Verweildauer kann Millionen zusätzlicher US-Dollar bedeuten.
Der Einsatz solcher Empfehlungsalgorithmen bei Facebook, Twitter oder YouTube steht schon länger in der Kritik: Die Algorithmen empfehlen vor allem Nachrichten und Videos, die den bestehenden Präferenzen und Überzeugungen der Nutzer entsprechen.
Besonders extreme oder kontroverse Nachrichten und Videos werden vom Algorithmus bevorzugt, da sie neugieriger machen und daher mit einer höheren Wahrscheinlichkeit angeklickt werden. So entsteht eine suchtgleiche Erfahrung, die in Einzelfällen Nutzer sogar politisch radikalisieren kann.
YouTube ist groß – und ein bisschen blöde
Nach Schätzungen steht die Videoplattform im weltweiten Web-Traffic auf dem zweiten Platz hinter Googles Suchmaschine. Etwa 70 Prozent aller Videos sehen YouTube-Nutzer nur, weil sie über einen Empfehlungsalgorithmus darauf aufmerksam geworden sind.
Eine neue wissenschaftliche Publikation von Google zeigt, dass der Konzern weiter an einer Verbesserung dieser Algorithmen forscht. Denn der bisherige Algorithmus hat einen entscheidenden Nachteil: Er erkennt nicht, ob ein Nutzer aus Interesse klickt oder weil ein Video weit oben in der Liste empfohlener Videos steht.
Da oben steht es, weil es etwa dem aktuell angeschauten Inhalt ähnelt oder den (vermeintlichen) Vorlieben des Nutzers entspricht. Die Vorlieben errät der Empfehlungsalgorithmus anhand vorheriger Klicks, Likes und dem Videoverlauf - mal stimmt das, mal nicht.
Doch jeder Klick vermittelt dem Algorithmus weiter, dass der Inhalt weit oben besonders interessant ist. Das wiederum kann dazu führen, dass die Inhalte, die dem Nutzer eigentlich besser gefallen würden, immer weiter nach unten rutschen.
Kleine Veränderung am YouTube-Algorithmus bringt Millionen US-Dollar
Die Forscher schlagen deshalb vor, den Rang des angeklickten Videos in die Bewertung mit einzurechnen. Videos, die weiter oben auftauchen, werden für zukünftige Empfehlungslisten weniger gewertet, solche, die weit unten stehen, stärker.
Dahinter steht die – wohl berechtigte – Vermutung, dass ein Nutzer, der nach unten scrollt und dort ein Video anklickt, andere Gründe für seine Auswahl hat als Bequemlichkeit. Die Suche in der Liste vermittelt Intention und mit ihr ein spezifisches Interesse.
Ein erster Live-Test des angepassten Algorithmus erhöhte die Verweildauer bei YouTube im Schnitt um 0,24 Prozent. Das klingt nicht nach viel, aber laut YouTube-Ingenieurin Guillaume Chaslot entspricht schon diese kleine Optimierung vielen Millionen US-Dollar. Aus dem Test- dürfte so wohl bald der neue Standard-Algorithmus werden.
Quelle: Technology Review, ACM Digital Library