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Neue Auswertungen von OpenAI und Anthropic geben detaillierte Einblicke in die reale Nutzung von ChatGPT und Claude. Das Bild ist differenziert: Schreiben und Entscheidungsunterstützung prägen ChatGPT, während Claude in Unternehmen stark automatisiert und Coding-lastig eingesetzt wird.

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Die beiden Berichte messen verschiedene Dinge auf verschiedenen Kanälen: OpenAIs Studie “How People Use ChatGPT” analysiert ausschließlich die Consumer-Pläne von ChatGPT (Free, Plus, Pro) und klassifiziert jede Nachricht in der App automatisiert als arbeits- oder nicht-arbeitsbezogen. API-Traffic sowie ChatGPT Business (ehemals Teams), Enterprise und Education sind nicht enthalten. Nachrichten von “logged-out”-Nutzenden wurden für die Inhaltsanalyse entfernt. Außerdem ausgeschlossen wurden Accounts, die dem Training widersprochen haben, gelöschte oder gesperrte Accounts sowie selbst als unter 18 Jahre ausgewiesene Nutzer, heißt es im OpenAI-Paper.

Die Zuordnung “Work vs. Non-Work” erfolgt inhaltlich, nicht über Produkt- oder Tarifmerkmale. OpenAI weist darauf hin, dass WAU-Zählungen Personen tendenziell überzählen können (mehrere Accounts oder Geräte).

Anthropics neueste Version des “Anthropic Economic Index”-Report betrachtet zwei getrennte Ebenen: erstens Claude.ai-Konversationen (Free und Pro) – ein zufälliges Sample von 1 Million Gesprächen vom 4. bis 11. August 2025 – mit geografischer Einordnung per IP, und zweitens 1 Million 1P-API-Transkripte aus August 2025, die in Summe etwa die Hälfte des API-Verkehrs abbilden.

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ChatGPT wächst rasant – und wird noch häufiger für Nicht-Arbeit genutzt

OpenAI misst bei ChatGPT-Consumer-Plänen (Free, Plus, Pro) ein starkes Wachstum über alle Kohorten hinweg. Laut dem OpenAI-Paper nutzten Ende Juli 2025 mehr als 700 Millionen Menschen wöchentlich ChatGPT – rund zehn Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung – und verschickten etwa 18 Milliarden Nachrichten pro Woche (rund 2,5 Milliarden pro Tag, circa 29.000 pro Sekunde).

Bild: OpenAI

Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung: Der Anteil nicht-arbeitsbezogener Nachrichten stieg von 53 Prozent (Juni 2024) auf 73 Prozent (Juni 2025). In absoluten Zahlen erhöhte sich die tägliche Nachrichtenzahl laut OpenAI von 451 Millionen auf 2,627 Milliarden. Nicht-Arbeit wuchs dabei laut dem Unternehmen schneller als Arbeit - vor allem, weil bestehende Nutzer ihren Nutzungsstil veränderten.

Schreiben, Informationssuche, praktische Hilfe dominieren

Inhaltlich dominieren drei Themen die ChatGPT-Nutzung: praktische Hilfestellung, Informationssuche und Schreiben, wie OpenAI berichtet. Während praktische Hilfe stabil bleibt, sinkt der Anteil des Schreibens, und die Nachfrage nach reiner Informationssuche wächst. Technische Unterstützung verliert an Bedeutung, während Multimedia-Anfragen nach der Einführung der Bildgenerierung deutlich zulegen. Auch Bildungsanfragen sind ein wichtiger Anwendungsfall. Programmieren kommt insgesamt selten vor – ein deutlicher Unterschied zu anderen Plattformen, so OpenAI.

Bei arbeitsbezogener Nutzung steht das Schreiben klar im Vordergrund, gefolgt von praktischer Hilfe und technischer Unterstützung. Auffällig ist, dass die meisten Schreibanfragen sich auf die Überarbeitung oder Übersetzung bestehender Texte beziehen und nicht auf die Neugenerierung.

Bild: OpenAI

Entscheidungsunterstützung prägt ChatGPT – “Asking” nimmt zu, “Doing” ab

OpenAI klassifiziert die Nutzerintention in drei Hauptkategorien: “Asking” (Information, Beratung), “Doing” (Output erstellen) und “Expressing”. Im Arbeitskontext überwiegt das Erstellen von Outputs, wobei ein Großteil davon mit Schreiben verbunden ist. Im Zeitverlauf verschiebt sich das Muster jedoch zugunsten von “Asking”, sodass Nutzer immer häufiger Rat oder Informationen suchen.

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Bild: OpenAI

Auch bei der thematischen Zuordnung zeigt sich ChatGPT als Assistent für Informationsbeschaffung, Strukturierung und Entscheidungen. Über alle Nachrichten hinweg sind das Abrufen, Interpretieren und Dokumentieren von Informationen die häufigsten Aktivitäten. In arbeitsbezogenen Chats stehen das Dokumentieren und das Lösen von Problemen im Vordergrund. Dieses Muster ist über verschiedene Berufe hinweg ähnlich: Informationsarbeit und Entscheidungsunterstützung sind überall präsent.

“Aking”-Interaktionen werden von den Nutzern zudem am besten bewertet. OpenAI beobachtet, dass diese Form der Nutzung im direkten Vergleich als besonders hilfreich empfunden wird, während beispielsweise Multimedia- oder technische Hilfethemen deutlich schlechter abschneiden. Die Klassifizierungen wurden von OpenAI durch Vergleiche mit öffentlichen Chat-Logs validiert und sind bei zentralen Kategorien wie Arbeitsbezug und Nutzerintention zuverlässig.

Demografie verändert sich – und Bildung/Beruf prägen Arbeitsnutzung

Eine Analyse der Nutzernamen zeigt laut OpenAI, dass der anfänglich starke männliche Überhang bei ChatGPT-Nutzenden inzwischen weitgehend verschwunden ist. Junge Erwachsene nutzen ChatGPT besonders häufig, wobei der Anteil arbeitsbezogener Nutzung mit dem Alter steigt – außer bei Seniorinnen und Senioren. In Ländern mit niedrigerem bis mittlerem Einkommen wächst die Nutzung zuletzt besonders stark.

Wer einen Hochschulabschluss hat oder in gut bezahlten, professionellen Berufen arbeitet, verwendet ChatGPT überdurchschnittlich oft für arbeitsbezogene Zwecke. Im Arbeitskontext stehen bei Fachkräften vor allem Informationssuche und Beratung im Vordergrund, während in Management- und Business-Berufen das Schreiben dominiert. In IT-Berufen ist technische Hilfe besonders gefragt.

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Claude.ai: Mehr Bildung und Wissenschaft

Anthropics neuer “Anthropic Economic Index”-Bericht zeigt, dass Claude.ai zunehmend für Bildungs- und Wissenschaftsaufgaben eingesetzt wird, während Coding weiterhin einen großen Teil der Nutzung ausmacht. Auffällig ist der Anstieg sogenannter “directive” Interaktionen: Immer häufiger werden komplette Aufgaben direkt an das Modell delegiert, Automatisierung tritt damit in den Vordergrund. Beim Coding verschiebt sich der Schwerpunkt damit weg von Fehlerbehebung hin zur Erstellung neuer Programme.

Neue Funktionen wie Websuche, ein spezieller Research-Modus und Werkzeuge zur Analyse von multimedialen Dokumenten spiegeln sich in veränderten Nutzungsmustern wider.

Per-Kopf-Adoption konzentriert sich in reichen Ländern

Anthropic untersucht mit dem neuen Report auch erstmals die geografische Verteilung der Claude-Nutzung anhand eines eigenen Index, der die Nutzung ins Verhältnis zur Erwerbsbevölkerung setzt. Das Ergebnis: In kleinen, technologisch fortgeschrittenen Ländern wie Israel, Singapur oder Australien ist Claude pro Kopf besonders verbreitet, während viele Schwellenländer nur geringe Nutzungsraten aufweisen. International zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen Einkommen und KI-Adoption.

Bild: Anthropic

Auch innerhalb der USA gibt es deutliche Unterschiede: In Washington, DC und Utah wird Claude besonders intensiv genutzt, andere Bundesstaaten liegen deutlich darunter. Bemerkenswert ist, dass in Ländern oder Regionen mit höherer KI-Adoption die Nutzung thematisch vielfältiger wird – sie reicht von Bildung bis hin zu Verwaltung, Kunst oder Wissenschaft. In Ländern mit geringerer Nutzung konzentriert sich der Einsatz dagegen stärker auf Programmieraufgaben.

Außerdem zeigt sich: Je weiter die KI-Verbreitung fortgeschritten ist, desto häufiger arbeiten Menschen gemeinsam mit dem Modell und nutzen Claude zur Unterstützung oder zum Lernen, während in weniger entwickelten KI-Märkten eher komplette Aufgaben automatisiert an das System delegiert werden.

Unternehmen automatisieren mit Claude-API – Preis spielt eine Nebenrolle, Kontext nicht

Erstmals zeigt Anthropic auch, wofür Unternehmen Claude in ihren eigenen Programmen einsetzen. Besonders häufig wird Claude für Softwareentwicklung genutzt: Dazu zählen das Beheben von Fehlern in Webanwendungen, die Lösung technischer Probleme und der Aufbau von Business-Software. Auch die Entwicklung oder Bewertung von KI-Systemen ist ein wichtiger Anwendungsfall. Daneben setzen Unternehmen Claude ein, um Marketingtexte zu erstellen oder Bewerbungsdaten zu verarbeiten.

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Auffällig ist, dass Unternehmen Claude überwiegend für die komplette Automatisierung von Aufgaben nutzen – also so, dass der Chatbot die Aufgabe selbstständig abarbeitet, ohne dass viel Rücksprache nötig ist. Nur selten arbeiten Mensch und KI dabei eng zusammen oder nutzen Claude als Unterstützung im Arbeitsprozess. In den von Anthropic untersuchten Daten wird diese Automatisierung bei fast allen Aufgaben beobachtet.

Bild: Anthropic

Laut Anthropic zeigt sich ein zentrales Hindernis dieses Trends darin, dass Unternehmen der KI oft nicht alle nötigen Informationen bereitstellen. Gerade für komplexere Aufgaben brauche Claude Zugang zu passenden Daten, Dokumenten oder Hintergrundwissen, das in vielen Firmen verstreut oder schlecht digitalisiert ist. Hätten Unternehmen diese Voraussetzungen nicht geschaffen, stöße die Automatisierung schnell an Grenzen, heißt es im Bericht.

Der Preis für den Einsatz von Claude spielt dabei laut Anthropic eine untergeordnete Rolle: Auch vergleichsweise teure Aufgaben werden häufig automatisiert, wenn der wirtschaftliche Nutzen stimmt und sich die Aufgabe technisch leicht umsetzen lässt. Eine Preissenkung würde die Nutzung nur geringfügig steigern. Entscheidend bleibe, ob ein klarer Mehrwert entsteht und Claude in bestehende Arbeitsabläufe einfach integrierbar sei.

Zwei Nutzungswelten, komplementäre Erkenntnisse

Die Berichte deuten auf zwei komplementäre Rollen generativer Assistenten hin. OpenAIs ChatGPT wird in der Breite als Werkzeug für das Schreiben, die Informationssuche und die Entscheidungsunterstützung genutzt – mit einem wachsenden „Asking“-Anteil. Anthropics Claude zeigt in reiferen Consumer-Segmenten eine starke Zunahme der Direktdelegation und in der Enterprise-API eine klar dominierende Automatisierung, insbesondere dort, wo Kontext leicht zugänglich ist. Dieses Bild ist jedoch dadurch verzerrt, dass OpenAI keine Business-Accounts und keine API-Nutzung analysiert hat.

Beide Analysen warnen aber vor einer geografisch ungleichen Diffusion: Hohe Adoption konzentriert sich in bereits wohlhabenden Regionen, die Nutzung differenziert sich dort aus, während aufstrebende Länder noch stark codingzentriert und eher automatisierend arbeiten.

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Zusammenfassung
  • OpenAI meldet für ChatGPT-Consumer-Pläne (Free, Plus, Pro) mehr als 700 Millionen wöchentliche Nutzer im Juli 2025 und rund 18 Milliarden Nachrichten pro Woche. Der Anteil nicht-arbeitsbezogener Nutzung stieg laut Studie von 53 Prozent (2024) auf 73 Prozent (2025), wobei Informationssuche und Entscheidungsunterstützung zunehmend dominieren.
  • Anthropics Analyse zeigt, dass Claude.ai stark für Bildung, Wissenschaft und Coding genutzt wird, mit einer wachsenden Zahl direkter Delegationen. In der Enterprise-Nutzung über die API setzen Firmen Claude vor allem zur vollständigen Automatisierung von Softwareentwicklung, Business-Software und Marketingaufgaben ein, wobei fehlender Datenzugang größere Hürden darstellt als Kosten.
  • Regional konzentriert sich die Adoption beider Systeme auf wohlhabende Länder; dort ist die Nutzung thematisch vielfältiger und häufiger kollaborativ. In einkommensschwächeren Regionen bleibt die Anwendung stärker auf Programmieraufgaben und Automatisierung fokussiert.
Quellen
Max ist leitender Redakteur bei THE DECODER. Als studierter Philosoph beschäftigt er sich mit dem Bewusstsein, KI und der Frage, ob Maschinen wirklich denken können oder nur so tun als ob.
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