Eine neue Studie zeigt: Ärztinnen und Ärzte, die regelmäßig KI bei der Darmspiegelung nutzen, entdecken ohne diese Hilfe signifikant weniger Krebsvorstufen. Experten sprechen von einem besorgniserregenden Kompetenzverlust.
Die routinemäßige Nutzung von Künstlicher Intelligenz (bei Darmspiegelungen kann dazu führen, dass Fachärzte ohne technische Unterstützung schlechtere Ergebnisse erzielen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Beobachtungsstudie aus Polen, die in der Fachzeitschrift The Lancet Gastroenterology & Hepatology veröffentlicht wurde.
Das Forschungsteam um Krzysztof Budzyń und Marcin Romańczyk von der Medizinischen Universität Schlesien analysierte 1.443 Koloskopien ohne KI-Unterstützung, die an vier medizinischen Zentren von 19 erfahrenen Endoskopikern durchgeführt wurden. Die ADR (Adenoma Detection Rate) – ein wichtiger Qualitätsindikator für die Erkennung von Krebsvorstufen – sank nach Einführung der KI in der klinischen Routine signifikant: von 28,4 % auf 22,4 %.
"Wir nennen das den Google-Maps-Effekt", sagte Romańczyk gegenüber MedPage Today. "Man will irgendwohin, aber ohne GPS ist man verloren." Die Autoren vermuten, dass ständige KI-Nutzung zu einem Rückgang kognitiver Aktivität führt – weniger Motivation, Aufmerksamkeit und Verantwortungsgefühl beim Treffen diagnostischer Entscheidungen.
Experten fordern Maßnahmen
Omer Ahmad vom University College London warnt in einem begleitenden Kommentar vor einem "unbeabsichtigten Kompetenzverlust" durch KI. Er fordert Richtlinien zur Leistungsüberwachung, Aufklärungsprogramme und regelmäßige Sitzungen ohne KI, um diagnostische Fähigkeiten aktiv zu erhalten.
Ahmad betont jedoch, dass es keine einfache Lösung gebe. "Wir brauchen hochwertige Studien mit Cross-over-Designs, um sowohl Verhalten als auch Ergebnisse bei KI- und nicht-KI-gestützten Koloskopien zu vergleichen", sagte er gegenüber MedPage Today.
Die Studie weist zudem Einschränkungen auf: Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie ohne Randomisierung, was Selektionsverzerrungen nicht ausschließt. Nur ein KI-System wurde verwendet, die Ergebnisse lassen sich daher nicht direkt auf andere Systeme übertragen. Zudem könnten weniger erfahrene Ärztinnen und Ärzte stärker vom Kompetenzverlust betroffen sein – in der Studie hatten alle Beteiligten mindestens 2.000 Koloskopien durchgeführt.