Apple wollte mit neuen KI-Funktionen für Siri den Anschluss an ChatGPT und Co. schaffen. Stattdessen gibt es technische Rückschläge, interne Machtkämpfe – und eine Führung, die sich nicht einig ist.
Apple hat die geplante Veröffentlichung seiner überarbeiteten Siri-Funktionen auf 2026 verschoben. Laut einem Bericht von The Information ist das das Ergebnis monatelanger technischer Probleme, personeller Umstrukturierungen und interner Konflikte. Auch die New York Times beschreibt ein zunehmend dysfunktionales Unternehmen, das unter seinen eigenen Innovationsansprüchen leidet.
Die Siri-Neuentwicklung war Teil von Apples KI-Initiative „Apple Intelligence“, die im Sommer 2024 angekündigt wurde. Die New York Times berichtet, dass zentrale Funktionen wie die Zusammenfassung von Benachrichtigungen bereits kurz nach dem Start wieder deaktiviert werden mussten, weil sie Nachrichten falsch darstellten. Eine für das Frühjahr 2025 geplante, verbesserte Version von Siri wurde laut The Information wegen zu hoher Fehlerquoten in internen Tests verschoben.
Apple reagierte mit einem Führungswechsel: Der KI-Chef John Giannandrea und Siri-Leiter Robby Walker verloren die Zuständigkeit für Siri. Stattdessen übernahm Craig Federighi, Apples Softwarechef, die Kontrolle, unterstützt von Mike Rockwell, der zuvor für die Entwicklung des Vision-Pro-Headsets verantwortlich war.
The Information beschreibt auch langjährige Spannungen zwischen Federighis Software-Team und Giannandreas KI-Gruppe, die intern als „AI/ML“ bekannt ist. Führungsstil und Arbeitskultur beider Gruppen unterschieden sich deutlich. Laut ehemaligen Apple-Mitarbeitenden, auf die sich The Information beruft, trug diese Differenz zur zunehmenden Dysfunktion bei.
Strategische Fehlentscheidungen und technische Engpässe
Laut The Information war zunächst geplant, Siri mit zwei Modellen zu betreiben: einem kleinen Modell auf dem Gerät und einem leistungsstärkeren Cloud-Modell. Später entschied sich das Team, alles über ein einziges großes Modell in der Cloud laufen zu lassen – ein Bruch mit Apples früherem Fokus auf lokale Verarbeitung aus Datenschutzgründen.
Die New York Times berichtet zudem, dass Apple bei der Entwicklung von KI-Systemen unter massivem Mangel an Rechenleistung litt. Zum Zeitpunkt der Planungen verfügten Apples Rechenzentren über rund 50.000 veraltete GPUs – deutlich weniger als die Hunderttausenden Chips, die Konkurrenten wie Google oder Microsoft einsetzten. Ein Plan zur Budgeterhöhung für neue Chips wurde laut der Times nur teilweise bewilligt. Stattdessen mussten Entwickler auf Hardware von Google zurückgreifen.
Kulturelle Konflikte und Machtkämpfe
Wie The Information berichtet, spitzten sich die internen Machtkämpfe bei einem Projekt namens „Link“ zu, das Sprachsteuerung für Vision-Pro-Headsets ermöglichen sollte. Rockwell und Federighis Stellvertreter Sebastien Marineau-Mes äußerten demnach offen ihre Frustration über Siri-Leiter Walker, der als zögerlich und risikoavers galt.
Dazu kam eine langjährige Talentabwanderung bei Apple. Mit dem Weggang prominenter Produktdesigner wie Jony Ive und Dan Riccio hat das Unternehmen an Innovationskraft verloren. Neue Führungskräfte wie Giannandrea hätten zwar Fachwissen, jedoch wenig Erfahrung in der Einführung marktreifer Produkte, so die New York Times.
Strategiewechsel mit offenem Ausgang
Laut The Information hat Federighi inzwischen Anweisungen gegeben, künftig auch Open-Source-Modelle in Siri zu integrieren, wenn diese bessere Resultate liefern als Apples eigene Modelle. Das stellt einen Kurswechsel dar: Bis 2023 war die Nutzung externer Modelle in Apple-Produkten untersagt.
Innerhalb des Unternehmens, so The Information weiter, verbindet man mit Federighi und Rockwell die Hoffnung auf eine Wende. Beide gelten als erfahrene Techniker, die Projekte operativ eng begleiten. Ob ihnen der Neustart gelingt, ist offen.