KI-Charaktere sollen eine neue Unterhaltungsform werden: Sie haben eine Persönlichkeit und Gedächtnis, führen ein eigenes digitales Leben und können sich dank OpenAIs GPT-3 wie echte Menschen unterhalten. So lautet zumindest die Theorie.
Beck ist eine Weltklasse-Athletin, die an den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio für das kanadische Team rudern wird. Charlie ist eine in Paris lebende französische Dichterin und Musikerin, die Kunstgeschichte studierte und eher introvertiert ist. Beide Figuren existieren nur im Computer: Sie sollen die jüngsten Fortschritte der GPT-3-basierten KI-Technologie demonstrieren.
Das Start-up Fable verspricht, dass man mit Beck und Charlie Nachrichten austauschen und ganz normal sprechen kann. Möglich machen soll das eine Mischung aus vorverfassten Dialogzeilen und KI-Antworten der mächtigen Sprach-KI GPT-3 (News), die mit 570 Gigabyte Text aus dem Internet trainiert wurde.
GPT-3 weiß zu viel und ist doch vergesslich
Die Herausforderung für die Entwickler ist, die Allwissenheit der KI zu brechen: "Unser Team konzentriert sich darauf, die KI einzuschränken, sodass sie nicht alles weiß, was im Internet steht, damit sie sich plausibel verhält, wie ein Mensch, der ein begrenztes Wissen über die Welt, sich selbst und die Beziehung zu dir hat", sagt Fable-CEO Edward Saatchi.
Eine weitere Herausforderung: GPT-3 erinnert sich nicht. Die Sprach-KI könne zwar überzeugende Gespräche führen, so Saatchi, aber sich nicht an einen Dialog erinnern, der wenige Minuten in der Vergangenheit liegt. Das breche die Illusion einer Person und erzeuge ein "Uncanny Valley der Erinnerung".
Beck und Charlie sind noch in Entwicklung. Der Plan ist, die beiden Charaktere zunächst auf Plattformen einzusetzen, die sie auch als echte Menschen nutzen würden: Die Athletin Beck zum Beispiel soll in der Fitness-App Strava sowie auf Instagram oder Tiktok aktiv werden, wo sie auf Textnachrichten antworten kann.
Später soll noch mehr möglich sein, sogar Geld verdienen sollen die KI-Wesen, indem sie beispielsweise in ihrer jeweiligen Fachdisziplin Tipps geben oder ein Musikalbum aufnehmen.
KI-Charaktere: Der neue Tech-Hype für die Gen Z?
Fable startete als VR-Filmstudio und entwickelte sich weiter zum KI-Start-up für Digitalwesen: Mit Wolves in The Walls (VR-Filmkritik) führte das Start-up den KI-Charakter Lucy ein, die teils glaubhaft mit VR-Nutzern interagieren kann. Saatchi sah in der Figur den Keim einer neuen Unterhaltungsform und schwenkte mit seinem Start-up komplett auf die Entwicklung von KI-Charakteren hum.
Seit November testet Fable eine GPT-3-Version von Lucy, mit der man sich über das Internet unterhalten kann. Für den Alphatest kann man sich auf der offiziellen Internetseite anmelden.
Der folgende Dialog mit Lucy wurde laut Fable mit GPT-3 erstellt, die Fragen kommen via Chatbox zu Lucy. Sind die Fragen oder Anweisungen an Lucy "nicht angemessen", dann reagiert das Digitalwesen nicht oder zieht sich zurück.
Entwickelt und gesteuert wird der Charakter von einem KI-Werkzeug namens Fable Wizard, das Figuren wie Lucy, Beck und Charlie durch Animation, Sprache und Stimme zum Leben erweckt. Sieben Unternehmen mit "milliardenschweren Marken" hätten bei Fable angeklopft und Interesse an dem Programm gezeigt. Beck und Charlie seien nur der Anfang, viele weitere KI-Charaktere seien geplant. Einer davon soll mit einem bekannten Influencer entwickelt werden.
Fable-CEO Saatchi glaubt, dass KI-Charaktere ein riesiger neuer Markt werden könnten. 320 Millionen US-Dollar sind in Start-ups geflossen, die sich mit dieser neuen Technologie befassen. Auf dem von Saatchi gegründeten Virtual Beings Summit treffen sich regelmäßig Studios, KI-Forscher und Branchengrößen wie Epic Games, um ihre neuesten Entwicklungen vorzustellen.
"Wir denken, dass in fünf Jahren jeder Gen Z-Mensch ein virtuelles KI-Wesen als engen Freund haben wird", sagt Saatchi. " [...] Es ist die gleiche Art und Weise, wie Kinder mit Radio, Fernsehen oder Videospielen umgehen."
Quellen: Fable, Venturebeat, Titelbild: Fable