Laut einem Bericht droht die Trump-Regierung mit Strafmaßnahmen gegen die EU wegen des Digitalgesetzes, das sie als Zensur und Belastung für US-Unternehmen ansieht. Das Gesetz könnte bald auch für große KI-Dienste wie ChatGPT gelten.
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump erwägt die Verhängung von Sanktionen gegen Beamte der Europäischen Union oder von Mitgliedstaaten, die für die Umsetzung des Digital Services Act (DSA) verantwortlich sind. Das berichten zwei mit der Angelegenheit vertraute Quellen gegenüber Reuters. Als Grund für die drohenden Strafmaßnahmen, die wahrscheinlich in Form von Visabeschränkungen erfolgen würden, nennt die US-Regierung Beschwerden, das Gesetz zensiere Amerikaner und belaste US-Technologieunternehmen mit Kosten.
Eine endgültige Entscheidung sei zwar noch nicht gefallen, doch hätten vergangene Woche interne Treffen zu diesem Thema stattgefunden. Ein solcher Schritt wäre laut dem Bericht eine beispiellose Maßnahme und würde den Konflikt der Trump-Regierung mit der EU über die Regulierung von Online-Inhalten eskalieren. Die Beziehungen sind bereits durch Zolldrohungen und die Kritik Washingtons am Umgang mit US-Tech-Konzernen belastet.
USA sehen freie Meinungsäußerung in Gefahr
Die US-Regierung wirft der EU vor, mit dem DSA "unangemessene" Beschränkungen der freien Meinungsäußerung zu verfolgen und konservative Stimmen zu unterdrücken. Laut Reuters hat US-Außenminister Marco Rubio bereits angewiesen, dass US-Diplomaten in Europa eine Lobbykampagne starten sollen, um Widerstand gegen den DSA zu organisieren und eine Änderung oder Aufhebung zu erwirken.
Bereits im Mai hatte Rubio mit Visasperren gedroht, die sich gegen Personen richten, die die Meinungsäußerung von Amerikanern "zensieren". Hochrangige US-Beamte, darunter Vizepräsident JD Vance, haben europäischen Beamten wiederholt vorgeworfen, Amerikaner zu "zensieren" und nannten dabei als Beispiel die deutsche AfD-Partei. Die Trump-Regierung hat sich in der Vergangenheit für rechtsgerichtete Politiker eingesetzt und bereits Sanktionen gegen einen brasilianischen Richter verhängt, dem sie die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung vorwarf.
EU weist Zensurvorwürfe zurück
Die Europäische Kommission bezeichnete die Zensurvorwürfe aus den USA als "völlig unbegründet", so Reuters. "Die Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht in der EU. Sie ist das Herzstück des DSA", sagte ein Sprecher. Das Gesetz diene dazu, die Online-Umgebung sicherer zu machen, indem es Online-Vermittler verpflichtet, gegen illegale Inhalte wie Hassrede vorzugehen, während die Meinungs- und Informationsfreiheit geschützt werde.
Die EU-Technologiechefs betonten gegenüber US-Gesetzgebern, dass die Regelung nicht speziell auf US-Unternehmen abziele, sondern digitale Märkte offen halten solle.
Der DSA könnte bald auch KI-Anbieter wie OpenAI treffen
Das Gesetz, das den transatlantischen Streit anfacht, betrifft zwar primär große Online-Plattformen, könnte angesichts stetig wachsender Nutzerzahlen jedoch bald auch für KI-Dienste wie ChatGPT relevant werden. Der DSA sieht vor, dass die EU-Kommission Dienste als "sehr große Online-Plattform" (VLOP) oder "sehr große Online-Suchmaschine" (VLOSE) einstufen kann, wenn diese monatlich mehr als 45 Millionen aktive Nutzer in der EU haben.
OpenAI meldete für seine Suchfunktion "ChatGPT Search" im Sechsmonatszeitraum bis zum 31. März 2025 durchschnittlich rund 41,3 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU. Damit liegt der Dienst nur noch knapp unter der Schwelle und eine baldige Einstufung als VLOSE scheint wahrscheinlich. In diesem Fall würde sich ChatGPT in eine Liste von Diensten wie Google Search, Bing, Facebook, Instagram, TikTok und X einreihen, die bereits den strengeren Regeln unterliegen.
Was das für KI-Unternehmen bedeutet
Sobald ein Dienst als VLOP oder VLOSE eingestuft wird, hat das Unternehmen vier Monate Zeit, um weitreichende Pflichten umzusetzen. Dazu gehören jährliche Risikoanalysen zu Themen wie Desinformation oder Wahlbeeinflussung sowie die Einführung von Maßnahmen zur Risikominderung. Weiterhin sind unabhängige Audits und die Gewährung von Datenzugang für geprüfte Forscher und Behörden vorgeschrieben. Plattformen müssen zudem Transparenz über ihre Empfehlungssysteme schaffen und mindestens eine Option ohne Profiling anbieten.
Bei Verstößen gegen diese Auflagen drohen empfindliche Strafen von bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Diese Pflichten aus dem DSA gelten parallel zum EU AI Act, der die KI-Modelle selbst reguliert.