Ein neuer Bericht zeigt, wie das chinesische KI-Start-up DeepSeek mit einer fast ausschließlich inländischen Forscherbasis westliche Benchmarks schlägt – und welche geopolitischen Folgen das für die USA hat.
Laut einer Untersuchung der Hoover Institution und des Stanford Institute for Human-Centered AI ist das chinesische Unternehmen DeepSeek AI ein frühes Warnsignal für den Verlust des amerikanischen Vorsprungs in der KI-Talentförderung. Das Start-up veröffentlichte seit seiner Gründung 2023 fünf grundlegende Forschungsarbeiten, die 2024 und 2025 erschienen. Diese Arbeiten, insbesondere das Reasoning-fokussierte Modell DeepSeek-R1, schlugen große Wellen – und wurden laut Bericht fast ausschließlich von Forscherinnen und Forschern mit chinesischer Ausbildung verfasst.
Von den 211 analysierten Autorinnen und Autoren waren 197 aktuell oder früher mit chinesischen Institutionen verbunden, mehr als die Hälfte hatte China nie für Ausbildung oder Beruf verlassen. Nur 24 Prozent hatten überhaupt US-Erfahrung – meist kurzzeitig und oft mit anschließender Rückkehr nach China. Der Bericht spricht von einem „strategischen Wissenstransfer“ und einem „umgekehrten Brain Drain“, der maßgeblich Chinas KI-Ökosystem stärkt.
Tiefe, nicht Breite: DeepSeeks stabile Talentstruktur
Die Untersuchung zeigt deutlich: Das DeepSeek-Team besteht nicht aus unerfahrenen Nachwuchsforschern. Die 31 „Key Team“-Mitglieder, die an allen fünf Papieren mitgearbeitet haben, verfügen laut Hoover-Analyse über solide akademische Profile: Im Schnitt 1.554 Zitationen, ein h-Index von 13,5 und ein i10-Index von 25,5. Zum Vergleich: Die medianen Werte im OpenAI-Team lagen laut Analyse bei 338 Zitationen, einem h-Index von 6 und i10-Index von 4.
Diese Kennzahlen gelten als Standard zur Bewertung wissenschaftlicher Leistung: Der h-Index misst, wie viele Publikationen eines Autors mindestens entsprechend oft zitiert wurden – ein h-Index von 10 bedeutet also, dass zehn Arbeiten jeweils mindestens zehn Zitationen erhalten haben. Der i10-Index zählt, wie viele Arbeiten mindestens zehnmal zitiert wurden – ein Maß für die Konsistenz der Forschung.
Insgesamt deutet die Analyse auf eine gleichmäßig hohe Leistungsdichte im DeepSeek-Team hin, während bei OpenAI die herausragenden Zitationszahlen einzelner Autoren stärker ins Gewicht fallen.
Auch in der organisatorischen Struktur zeigt sich ein klarer Fokus: Fast alle „Key Team“-Mitglieder sind in der Kategorie „Research & Engineering“ eingeordnet. In späteren Papieren führte DeepSeek zudem eine formalisierte Hierarchie mit „Core Contributors“ ein – ein Hinweis auf wachsende interne Differenzierung.
Forschungsnetzwerk mit Zentrum in China
Die Analyse verfolgt die institutionellen Laufbahnen der Forscher bis 1989 zurück und zeigt, dass chinesische Einrichtungen nicht nur als Ausbildungsstätten, sondern auch als langfristige Arbeitgeber dominieren. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften (CAS) bildet mit 53 direkt oder über Tochterinstitute verbundenen Forschern das institutionelle Zentrum. Peking-Universität, Tsinghua und Sun Yat-sen folgen.
Lediglich vier Personen im Datensatz hatten keine nachgewiesene Verbindung zu China. Die meisten internationalen Stationen – vor allem in den USA – waren zeitlich begrenzt. Nur 15 der 201 erfassten Forscher waren zum Zeitpunkt der Analyse an US-Institutionen tätig.
USA als Durchgangsstation
Die 49 DeepSeek-Forscher mit US-Erfahrung weisen hohe akademische Kennzahlen auf: Im Schnitt 2.200 Zitationen, h-Index 17, i10-Index 34. Doch nur sieben von ihnen blieben dauerhaft in den USA. Rund 40 Prozent durchliefen das klassische Muster „China → USA → China“, weitere wechselten mehrfach zwischen den Ländern. Auch internationale Karrieren mit Stationen in Europa, Singapur oder Australien sind vertreten. Insidern zufolge mussten aber auch einige prominente Mitarbeiter von Deepseek ihre Pässe abgeben und können nicht mehr frei ins Ausland reisen.
Diese Mobilitätsmuster zeigen laut Bericht, dass die USA zwar weiterhin wichtige Forschungsstation sind, aber nicht mehr als Endpunkt gelten. Vielmehr dient das US-System zunehmend als Qualifikationsplattform, deren Erträge in das chinesische Innovationssystem zurückfließen.
Die Autoren warnen daher, dass die USA ihre Rolle als globaler Magnet für Spitzenkräfte verlieren. Die Annahme, dass die talentiertesten Köpfe automatisch in den USA bleiben wollen, sei überholt. Stattdessen müssten die USA aktiver um Talente werben, gezielte Einwanderungsstrategien entwickeln und in die eigene MINT-Bildung investieren.