Sogenannte Neurograins sollen hunderte Mikrochips im Gehirn ermöglichen. Die Technologie könnte die Basis sein für zukünftige Hirn-Interfaces.
Forscher:innen der Brown University haben sogenannte „Neurograins“ entwickelt: Die etwa Salzkorn-großen Mikrochips übertragen und zeichnen Gehirnaktivitäten auf. Sie können über die gesamte Hirnoberfläche verteilt werden. So sollen sie deutlich mehr neuronale Signale erfassen können, als es mit aktuellen Gehirnimplantaten möglich ist. Auch Elon Musks Neuralink hat dieses Ziel.
Der große Unterschied zwischen Neuralink und Neurograins: Letztere verbinden sich im Gehirn kabellos. Jeder Chip sei mit genügend Mikroelektronik ausgestattet, um die neuronalen Signale aufzuzeichnen und wie ein winziges Radio an die Außenwelt zu übertragen, so Forschungsleiter Arto Nurmikko, ein Neuro-Ingenieur an der Brown University. Neuralink setzt dagegen auf miteinander verbundene Elektroden, die von einer Art Nähroboter in das Gehirn implantiert werden sollen.
Wie Neuralink können auch Neurograins Neuronen mit winzigen elektrischen Impulsen stimulieren. Diese Stimulation könnte etwa für die Behandlung von Hirnerkrankungen oder die Therapie nach Hirnverletzungen eingesetzt werden.
Neurograins: Erster Test mit Ratten zeigt Potenzial
Die Forschung an Neurograins startete vor vier Jahren und wurde zunächst von der US-Verteidigungsbehörde DARPA (Defence Advanced Research Projects Agency) finanziert. Am Projekt ist neben der Brown University, der Baylor University und der University of California in San Diego auch das Chip-Unternehmen Qualcomm beteiligt.
In einem ersten Test platzierten die Forscher:innen 48 Neurograins in der Großhirnrinde einer Ratte. Die Anordnung der Mikrochips umfasst die meisten motorischen und sensorischen Bereiche der Hirnrinde. Auf der Kopfhaut der Ratte sitzt ein Knotenpunkt, der die Signale der Mikrochips empfängt, weiterverarbeitet und diese drahtlos auflädt. Alle Tests wurden an einer betäubten Ratte ausgeführt.
Laut der Forscher:innen konnten die Neurograins spontane Hirnaktivitäten der bewusstlosen Ratte aufzeichnen. Die Qualität der Signale erreiche allerdings noch nicht jene von kabelgebundenen, kommerziellen Systemen, die bei Menschen als Gehirn-Computer-Schnittstelle eingesetzt werden. Diese sind allerdings deutlich größer, erfordern daher einen größeren Eingriff und erfassen dennoch nur ein kleineres Hirnareal.
Hunderte Neurograins könnten menschliches Gehirn erfassen
Die kleinen Mikrochips könnten bei der Implantation weniger Schaden im Gehirn anrichten. Aktuelle Systeme verursachen trotz ihrer geringen Größe Entzündungen und Vernarbung im Gehirn, sagt Florian Solzbacher, Mitbegründer und Präsident von Blackrock Neurotech, dem Unternehmen, das das weit verbreitete Utah-Array herstellt.
„Je kleiner man etwas macht, desto unwahrscheinlicher ist es, dass es vom Immunsystem als Fremdkörper erkannt wird“, so Solzbacher. Aktuelle Systeme halten meist nicht länger als sechs Jahre im menschlichen Körper. Oft fallen sie schon früher aus.
Doch auch winzige Implantate wie Neurograins könnten noch Immunreaktionen auslösen, warnt Solzbacher. Neurograins müssten daher aus biokompatiblen Materialien hergestellt werden. Nurmikkos Team ist sich des Risikos bewusst und forscht bereits an Wegen, Neurograins noch kleiner und besser verträglich zu machen.
Dutzende im Gehirn verteilte Mikrochips liefern laut der Forscher:innen deutlich bessere Informationen über Hirnfunktionen. Nurmikko hofft, das System auf bis zu 770 Mikrochips ausdehnen zu können und so die gesamte Oberfläche des menschlichen Gehirns abzudecken.
Die Forscher:innen wollen nun Experimente an wachen und sich bewegenden Ratten durchführen. Anschließend planen sie Versuche an Affen.