Getrieben von OpenAI und Microsoft baut auch Google am neuen KI-Internet. Welche Rolle wird menschlicher Content in Zukunft noch spielen?
Wenn es einen Tipping-Point gibt, an dem Menschen bei der Informationssuche zuerst ihren Chatbot statt Google aufrufen, wird sich das Content-Ökosystem im Netz verändern. Webseiten einzelner Anbieter würden an Bedeutung verlieren, umgekehrt würde es für Anbieter von Inhalten attraktiver, im Chatbot oder in KI-Inhalten aufzutauchen und dafür, nach Möglichkeit, bezahlt zu werden oder dort zu werben.
Google muss zerstören, was es mit aufgebaut hat
Wenn aber einzelne Webseiten keinen Wert mehr hätten, wäre auch das Geschäftsmodell von Google ruiniert, das auf der Bewertung und Auflistung einzelner Webseiten basiert.
In gewisser Weise hat Google mit dieser Mechanik das heutige Web mit aufgebaut, zumindest im großen Stil geprägt, denn Suchmaschinen wie Google haben das Web erst effizient nutzbar gemacht. Natürlich hat sich der Konzern im Westen eine Quasi-Monopolstellung aufgebaut und nutzt seine Marktmacht regelmäßig aus, etwa bei der Nachrichtenauswahl oder im E-Commerce. Das ist die Kehrseite der Google-Dominanz.
Getrieben durch den gigantischen Erfolg von ChatGPT muss Google dieses Geschäftsmodell nun aufs Spiel setzen. Schon die kürzlich vorgestellten AI Spotlights, KI-generierte Antworten in der Google-Suche, nehmen den gesamten ersten Bildschirm ein. Normale Suchergebnisse rutschen nach unten und mit der geringeren Sichtbarkeit geht auch Traffic und damit Umsatz verloren.
Die Folge könnte sein, dass das traditionelle Internet, wie wir es heute kennen, an Wert und Qualität verliert, weil die Wertschöpfung in KI-Ökosysteme abwandert.
"Menschen wollen nicht nur KI-Inhalte"
In einem internen Meeting spricht Elizabeth Reid, Chefingenieurin der Google-Suche, über genau dieses Dilemma - Google, gefangen zwischen Alt und Neu. Business Insider hat einen Audiomitschnitt des Meetings angehört und zitiert daraus.
Googles Aufgabe sei es, zu verstehen, was "großartiger Inhalt" sei, und diesen zu verbreiten, sagt Reid. Das könne, müsse aber nicht KI-Inhalt sein. KI-Content könne "spammy" sein, sei aber beispielsweise bei Sport oder Wetter bessere Ergebnisse bieten als Menschen.
Zudem beobachte Google, dass Menschen Wert auf die Perspektiven anderer Menschen legten, mit denen sie sich identifizieren könnten, auf gemachte Erfahrungen. Google arbeite daher intensiv daran, "menschliche Stimmen" in seine Produkte zu integrieren und entwickele dafür neue Technologien. In der Google-Suche "Perspectives" erscheinen etwa Beiträge aus sozialen Medien.
Für Verlage oder die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen könnte das bedeuten, dass die Persönlichkeit der einzelnen Autorinnen und Autoren noch stärker in den Vordergrund rückt und zum Sichtbarkeitsfaktor wird - auch im Zeitalter von Chatbots, die vielleicht lieber etablierte Persönlichkeiten zitieren. Vorausgesetzt, Chatbots lernen überhaupt, zuverlässig zu zitieren, und die Urheberrechtsregulatoren sorgen dafür, dass Zitate und Quellenangaben verpflichtend sind.