Eine neue Studie von Anthropic zeigt, wie Studierende den KI-Assistenten Claude im akademischen Alltag nutzen. Die Ergebnisse offenbaren deutliche Unterschiede zwischen den Fachbereichen und werfen Fragen zum Einfluss von KI auf das Lernen auf.
Die Studie von Anthropic analysierte zunächst eine Million Gespräche von Nutzer:innen mit universitären E-Mail-Adressen. Nach Filterung blieben 574.740 akademisch relevante Konversationen über einen Zeitraum von 18 Tagen.
Demnach nutzen vor allem Studierende der MINT-Fächer den KI-Assistenten Claude für ihre akademische Arbeit. Die Analyse von einer Million anonymisierter Studentengespräche ergibt, dass Informatik-Studierende mit 38,6 Prozent der Nutzer deutlich überrepräsentiert sind - bei einem Anteil von nur 5,4 Prozent an der Gesamtheit der US-Studierenden.
Die Forschenden identifizierten vier grundlegende Interaktionsmuster: direkte und kollaborative Gespräche, die jeweils entweder auf Problemlösung oder Output-Erstellung abzielen. Jedes dieser Muster macht zwischen 23 und 29 Prozent der Gespräche aus. Fast die Hälfte aller Gespräche (47 Prozent) waren direkte Interaktionen mit minimaler Beteiligung der Studierenden.
Bedenkliche Nutzungsmuster erkannt
Die Analyse zeigt laut Anthropic problematische Nutzungsweisen: Studierende lassen die KI Multiple-Choice-Fragen zu maschinellem Lernen beantworten, nutzen sie für direkte Antworten bei Englisch-Tests oder zum Umschreiben von Marketing- und Wirtschaftstexten, um Plagiatskontrollen zu umgehen. Selbst bei kollaborativen Gesprächen, etwa wenn Studierende sich Wahrscheinlichkeitsaufgaben Schritt für Schritt erklären lassen, wird ein Großteil des Denkprozesses an die KI ausgelagert.

Die Forschenden betonen, dass ohne Kenntnis des jeweiligen Bildungskontexts allerdings oft schwer zu beurteilen ist, ob es sich um legitimes Lernen oder Betrug handelt - die eigene Arbeit an Übungsaufgaben zu prüfen, könne sinnvoll sein, während sich das gleiche KI-Werkzeug dazu verwendet werden könnte, bei Hausaufgaben zu schummeln.
Studierende überlassen der KI dabei überwiegend höhere kognitive Funktionen: Nach der Bloom'schen Taxonomie entfallen 39,8 Prozent der KI-Aufgaben auf "Erschaffen" und 30,2 Prozent auf "Analysieren". Einfachere Aufgaben wie "Anwenden" (10,9 Prozent) und "Verstehen" (10 Prozent) sind deutlich seltener.

Die Nutzungsmuster unterscheiden sich nach Fachrichtung: Naturwissenschaftler:innen und Mathematiker:innen setzen die KI hauptsächlich zur Problemlösung ein, etwa für Schritt-für-Schritt-Erklärungen. Im Bildungsbereich dominiert mit 74,4 Prozent die Erstellung von Lehrmaterialien und Unterrichtsplänen.
Die Forschenden räumen mehrere Limitationen ein: Neben der kurzen Analysedauer und dem Fokus auf frühe Nutzer:innen könnte auch die Methodik der Gesprächsklassifizierung zu Ungenauigkeiten führen. So könnten etwa Gespräche von Universitätsmitarbeitenden fälschlicherweise als studentische Interaktionen eingestuft worden sein. Weitere Untersuchungen sollen nun klären, wie KI das Lernen tatsächlich beeinflusst und wie Bildungseinrichtungen damit umgehen sollten.
KI-Unternehmen drängen an die Universitäten
Anthropic hat kürzlich "Claude for Education" eingeführt, ein spezielles Angebot für Hochschulen mit einem Lernmodus. Die Northeastern University, die London School of Economics und das Champlain College setzen Claude bereits campusweit ein. Anthropic plant die Integration in bestehende Bildungstechnologien wie das Canvas-LMS.
Auch OpenAI ist mit "ChatGPT Edu" bereits 2024 in den Bildungsmarkt eingestiegen. Das Tool bietet Universitäten vergünstigten Zugang zu aktuellen Modellen mit Funktionen wie Datenanalyse und Dokumentenzusammenfassung zu vergünstigten Konditionen. Die University of Oxford, die Wharton School und die Columbia University nutzen das Programm bereits für Tutoring, Bewertungen und administrative Aufgaben.
Das Ziel solcher Programme ist klar: Junge Menschen sollen so früh wie möglich an die Arbeit mit KI und insbesondere mit den Produkten der Unternehmen, die diese Programme sponsern, herangeführt werden. Wenn sie dann in die Arbeitswelt eintreten, werden sie KI als solche und KI-spezifische Werkzeuge weiter verbreiten.