Cloudflare-Chef Matthew Prince sieht das Geschäftsmodell des Internets in akuter Gefahr. Traffic und Monetarisierung für Content-Ersteller brechen zusammen. Schuld daran sind Google, KI-Modelle und naive Lizenzdeals.
Laut Cloudflare-CEO Matthew Prince hat sich das grundsätzliche Tauschverhältnis zwischen Content-Erstellern und Suchmaschinen dramatisch verschlechtert. Vor zehn Jahren habe Google für jede zwei gecrawlten Seiten noch einen Besucher auf die Ursprungsseite geschickt. Diese Quote sei über ein Jahrzehnt auf 6:1 gesunken – und liege inzwischen bei 18:1.
Google beantworte Nutzeranfragen zunehmend direkt auf der eigenen Plattform. Bereits vor sechs Monaten seien laut Prince 75 Prozent aller Suchanfragen ohne Klick auf externe Links beantwortet worden. Seit der Einführung von Googles "AI Overview" dürfte dieser Anteil weiter gestiegen sein; Prince vermutet, dass bis zu 90 Prozent der Anfragen ohne Klick beantwortet werden.
KI-Modelle verschärfen den Traffic-Kollaps
Die Entwicklung sei bei KI-Anbietern noch extremer. OpenAI habe vor sechs Monaten 250 Seiten gecrawlt, um einen Besucher zu generieren. Aktuell liege das Verhältnis bei 1.500:1. Anthropic komme mittlerweile auf 60.000:1. Nutzer vertrauen den zusammengefassten KI-Antworten und folgen den Quellen nicht mehr; erste Studien bestätigen das. Für Content-Ersteller bedeute das einen drastischen Einbruch bei Reichweite und Monetarisierung.
"Wenn du keine Abos verkaufen kannst, keine Werbung und keinen Ruhm bekommst – warum sollte jemand noch Inhalte produzieren?", fragt Prince. Die klassischen Anreize zur Content-Erstellung seien im Begriff zu verschwinden. Das gefährde nicht nur einzelne Geschäftsmodelle, sondern das Fundament des freien Internets.
Naive Lizenzdeals untergraben den Markt
Verschärft werde das Problem durch Lizenzvereinbarungen, die Prince als "naiv" bezeichnet. Einige Publisher hätten Inhalte an KI-Firmen wie OpenAI verkauft, ohne gleichzeitig technische Maßnahmen zu ergreifen, um Crawler anderer Anbieter auszuschließen. "Du kannst keinen Markt schaffen ohne Knappheit", warnt Prince.
Wenn ein Anbieter zahlt, andere jedoch weiterhin kostenlos zugreifen können, entstehe ein strukturelles Ungleichgewicht. Prince nennt als Beispiel: "Hier sind 20 Millionen Dollar, und ihr bekommt all unseren Content."
Solche Deals würden kurzfristig Einnahmen generieren, aber langfristig den Content-Markt entwerten. Künftige Vertragsverlängerungen würden zu noch schlechteren Bedingungen erfolgen. "Ich garantiere, dass der nächste Vertrag schlechter ist als der vorherige", so Prince.
Journalismus-Professor Jeff Jarvis bezeichnete die Lizenzzahlungen Ende 2024 als Schweigegeld. Verlage, die diese Deals annehmen, nehmen zudem alle anderen Publisher in Geiselhaft und führen die Content-Branche blind ins nächste Big-Tech-Gefangenendilemma.
Cloudflare plant kollektive Sperre für KI-Crawler
Das Crawling durch KI-Systeme technisch unterbunden werden, um erwähnte Knappheit zu erzeugen. Cloudflare möchte hierzu ein kostenloses Schutzsystem anbieten, das Webseiten für KI-Crawler sperrt.
Ein symbolischer Startschuss ist für Ende Juni in New York geplant, wo Publisher gemeinsam einen "roten Knopf" betätigen sollen, um die Blockade zu aktivieren. Laut Prince sind sämtliche großen Medienhäuser bereits beteiligt, auch KI-Anbieter zeigten Interesse.
Langfristig setzt Prince auf ein neues Kompensationsmodell, das auf dem Wissenswert von Inhalten basiert statt auf Klickzahlen. LLMs könnten bestimmte Inhalte gezielt lizenzieren, um eigene Wissenslücken zu schließen. Inhalte, die für ein medizinisches Modell relevant sind, hätten einen anderen Wert als etwa kulturelle Inhalte für ein jugendorientiertes System.
"Stellen Sie sich eine Zukunft vor, in der man nicht mehr danach vergütet wird, wie viele Seitenaufrufe man generiert hat, sondern stattdessen danach, wie sehr die Information, die man erstellt, das menschliche Wissen voranbringt", so Prince. "Wenn wir das nicht in Ordnung bringen, stirbt das Internet."
Cloudflares Geschäftsmodell hängt vom WWW ab: Das Unternehmen betreibt eine weltweite Infrastruktur zur Bereitstellung, Optimierung und Absicherung von Webseiten und Internetdiensten. All diese Leistungen sind nur dann gefragt, wenn das offene Web floriert und Publisher sowie Unternehmen weiterhin Inhalte und Dienste über das Internet anbieten.