Amazon US ändert seine Geschäftsbedingungen zugunsten der Kunden. Auslöser war eine Beschwerdewelle über Sprachassistentin Alexa in den USA.
Amazon-Kunden in den USA dürfen nun ganz offiziell Sammelklagen gegen das Unternehmen vor einem Bundes- oder Landesgericht einreichen. Bislang regelte der Online-Händler in seinen Geschäftsbedingungen, dass Kunden Beschwerden als Einzelperson vor einem Schiedsgericht geltend machen müssen.
Amazon reagiert mit dieser Änderung auf eine Beschwerdewelle von Tausenden Kunden, die behaupten, Amazons Sprachassistentin Alexa würde unzulässigerweise Sprachaufnahmen sammeln.
Amazon.com ändert Geschäftsbedingungen
Schiedsverfahren sollen das US-Gerichtssystem entlasten und eine kostengünstigere Alternative zur Beilegung von Geschäftsstreitigkeiten bieten. Die erfolgt in einem geordneten Verfahren vor einer staatlichen Schiedsstelle oder einem privatrechtlichen Schiedsgericht. Der Schiedsspruch ist gleichzusetzen mit einem Urteil eines staatlichen Gerichts und für beide Parteien bindend.
Voraussetzung ist allerdings eine Schiedsvereinbarung zwischen beiden Parteien. Im Fall Amazon.com Inc. erfolgt diese durch das Akzeptieren der Geschäftsbedingungen durch den Kunden. Der Rechtsweg zu staatlichen Gerichten wird dadurch ausgeschlossen.
Kritiker sehen Schiedsverfahren häufig als Mittel, um teure Sammelklagen zu vermeiden. Außerdem würden viele Kunden erst gar nicht von diesem Recht Gebrauch machen. Deshalb bestehen viele große Unternehmen auf diese Art von Verfahren.
Amazon.com Inc. ändert diese Geschäftsbedingungen nun und ermöglicht es Kunden dadurch, mit Sammelklagen gegen das Unternehmen vor staatliche oder bundesstaatliche US-Gerichte zu ziehen. Alle Fälle müssen in King County, Washington, eingereicht werden.
Beschwerdewelle über Alexa zwingt Amazon zum Umdenken
Laut US-Medien steht diese Änderung in direktem Zusammenhang mit einer aktuellen Beschwerdewelle: Etwa 75.000 Einzelpersonen sollen in den letzten 16 Monaten Schiedsgerichtsklagen gegen Amazon.com eingereicht haben.
Beinahe alle Kläger wurden von der Chicagoer Anwaltskanzlei Keller Lenkner LLC vertreten. Das Wall Street Journal schätzt allein die durch Amazon zu zahlenden Anmeldegebühren für die Verfahren auf Dutzende Millionen US-Dollar.
"Es ist bemerkenswert, dass eines der größten Unternehmen der Welt, wenn es mit tatsächlichen Ansprüchen unter einer von ihm entworfenen Streitbeilegungsklausel konfrontiert wird, eine solche Kehrtwende macht", sagte Travis Lenkner, geschäftsführender Partner der federführenden Kanzlei.
Im Zentrum der Klagen steht Amazons Sprachassistentin Alexa (Guide). Lenkner behauptet, die Sprach-KI würde standardmäßig Sprachaufzeichnungen von Unwissenden speichern und in einigen Fällen gegen staatliche Abhörgesetze verstoßen.
Laut Lenkner stünden etwa 3.000 Fälle kurz vor der Anhörung und wären bereits einem Schlichter zugewiesen. Für weitere 24.000 Ansprüche seien die Anmeldegebühren von beiden Seiten hinterlegt worden. Amazon erklärte dem Wall Street Journal, dass einige Klagen zurückgezogen oder zugunsten des Unternehmens beendet worden seien.
Anwalt: Vielen Kunden ist nicht bewusst, dass sie aufgezeichnet werden
Amazon gibt an, Sprachaufzeichnungen zur Personalisierung und Verbesserung der Nutzererfahrung zu speichern. Kunden können diese jederzeit über die Alexa-Datenschutz-Optionen anhören, Transkripte lesen oder sie vollständig löschen. Das funktioniert auch über einen Sprachbefehl wie „Alexa, lösche alles, was ich gesagt habe.“
"Die meisten Leute sind sehr überrascht, wenn man ihnen sagt, dass Amazon sie für diese Zwecke aufzeichnet", sagte Lenkner in einem Interview. "Unsere Kunden, um sie als Gruppe zu beschreiben, sind darüber verärgert."
Tatsächlich sind die Aufzeichnungen von Sprachbefehlen und die Reaktion des Sprachassistenten wichtig für die Weiterentwicklung der Technologie. Sprach-KIs werden durch maschinelles Lernen verbessert: Gespeicherte Interaktionen nutzen die Hersteller, um Fehler auszumerzen und das Ausführen von Befehlen effizienter zu machen. Wie viele Aufnahmen zur technischen Verbesserung allerdings wirklich nötig sind und verwertet werden, weiß nur Amazon.
Auch die Europäische Datenbehörde (EDBP) befasst sich mit dieser Problematik und arbeitet an einer Privatsphäre Richtlinie für Sprachassistenten, der „Guidline on Virtual Voice Assistants“. Die Richtlinien sollen helfen, Sprachassistenten unter Einhaltung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung und der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation regulieren zu können. Damit sollen auch rechtliche oder zivilrechtliche Fragen geklärt werden können.
Laut der EDBP sei die Aufbewahrung von personenbezogenen Daten, bis Nutzer ihre Löschung aktiv verlangen, nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Speicherbegrenzung. Hersteller sollten regelmäßig prüfen, ob die jeweiligen Aufzeichnungen zur Verarbeitung benötigt werden. Versehentliche Aufnahmen seien sofort zu löschen.
Titelbild: Amazon, Quelle: Wall Street Journal