Mit einem neuen Reasoning-Modell will Amazon zur Konkurrenz aufschließen. Der Konzern verspricht Kosteneffizienz und Top-Performance in Benchmarks. Gleichzeitig baut die Cloud-Tochter AWS eine Agentic-AI-Gruppe auf.
Der Wettlauf um die Vorherrschaft bei KI-Modellen mit Reasoning-Fähigkeiten geht in die nächste Runde. Nachdem unter anderem OpenAI, Anthropic und das aufstrebende chinesische Start-up DeepSeek bereits ihre Angebote präsentiert haben, zieht nun auch Amazon nach. Bis Juni will der Konzern ein neues Modell auf den Markt bringen, das unter der hauseigenen Marke "Nova" laufen soll.
Neben den multimodalen Basismodellen hatte Amazon bereits im Dezember ein Reasoning-Modell namens "Nova Premier" für Anfang 2025 angekündigt, das mit dem jetzt genannten übereinstimmen könnte.
Hybrider Ansatz wie Claude 3.7 Sonnet
Laut Informationen von Business Insider verfolgt Amazon dabei einen hybriden Ansatz: Das System soll sowohl schnelle Antworten liefern als auch zu komplexen Denkprozessen in der Lage sein.
Diesen Ansatz hatte Anthropic kürzlich mit dem neusten Claude 3.7 Sonnet demonstriert. Anthropic und Amazon verbindet eine lange Partnerschaft, der E-Commerce-Riese hat mittlerweile rund acht Milliarden US-Dollar in das Start-up investiert.
Reasoning-Modelle gelten derzeit als Speerspitze der KI-Entwicklung. Sie arbeiten langsamer als herkömmliche Sprachmodelle, können dafür aber schwierigere Probleme lösen, indem sie verschiedene Lösungswege ausprobieren und ihre Gedankengänge nachvollziehbar machen.
Amazon will mit niedrigen Preisen punkten
Amazons Modell soll preislich günstiger sein als die Konkurrenzangebote von OpenAI, Anthropic und Google. Bereits die aktuellen Nova-Modelle seien mindestens 75 Prozent kostengünstiger als Modelle von Drittanbietern, die über Amazons KI-Entwicklungsplattform Bedrock verfügbar sind, hatte der Konzern kürzlich erklärt. Mit Preis-Dumping hatte zuletzt DeepSeek für Aufsehen gesorgt.
Auch in puncto Leistung will Amazon ganz vorne mitspielen: In externen Benchmarks, die Fähigkeiten in Softwareentwicklung und Mathematik bewerten, soll das neue Reasoning-Modell einen Platz unter den Top 5 erreichen. Wie zuvor auch holt Amazon damit die Konkurrenz ein, aber setzt vermutlich keine neuen Maßstäbe.
AWS gründet Agentic-AI-Gruppe
Amazons Cloud-Tochter AWS hat zudem eine neue Arbeitsgruppe für Agentic AI gegründet, wie aus einer internen E-Mail hervorgeht, die Reuters einsehen konnte. Agentic-AI-Systeme sollen proaktiv Aufgaben für Nutzer:innen erledigen, ohne dass diese sie explizit dazu auffordern müssen. Erste Funktionen dieser Art hatte Amazon in der vergangenen Woche für die neueste Version seines Sprachassistenten Alexa angekündigt.
AWS-Chef Matt Garman sieht in Agentic AI das Potenzial für ein Milliardengeschäft. Er ist überzeugt, dass KI-Agenten im Zentrum der nächsten Innovationswelle stehen werden.
Die neue Agentic-AI-Gruppe wird von Swami Sivasubramanian geleitet, der bisher als Vice President für KI und Daten zuständig war. Er wird direkt an AWS-Chef Garman berichten.
Gleichzeitig kündigte AWS Senior Vice President Peter DeSantis in einer internen Mail weitere Umstrukturierungen an, um Innovationen zu beschleunigen. So sollen die KI-Gruppen Bedrock und SageMaker sowie das Hardware-Engineering in der Compute-Organisation zusammengefasst werden.
AWS ist generell eine wichtige Säule im KI-Geschäft von Amazon, der strategische Fokus darauf erscheint daher logisch. Im November hatte Amazon weitere Investitionen getätigt, um die Abhängigkeit von Nvidia-Grafikkarten zu reduzieren.
Reasoning-Modelle stecken noch in den Kinderschuhen
So ambitioniert Amazons Pläne klingen, darf nicht vergessen werden, dass sich die Reasoning-Fähigkeiten aktueller KI-Modelle noch auf einem niedrigen Niveau bewegen.
Selbst spezialisierte Reasoning-Modelle wie OpenAIs o3-mini (high) schneiden mit 44,8 Prozent Genauigkeit in aktuellen Benchmarks nur mittelmäßig ab. Auch die Entwicklung von KI-Agenten steckt nachweislich noch in den Kinderschuhen.