Amazon will bei der KI-Umstellung seines Sprachassistenten nicht zu viel Zeit gegenüber Google verlieren. Mangels ausreichend fähiger eigener KI-Modelle setzt das Unternehmen auf Anthropic.
Amazon hat sich entschieden, die bevorstehende Überarbeitung seines Sprachassistenten Alexa hauptsächlich mit den Claude-KI-Modellen von Anthropic zu betreiben, anstatt sich ausschließlich auf die eigene hausinterne KI zu verlassen, wie fünf mit der Angelegenheit vertraute Personen gegenüber Reuters erklärten.
Wie zuvor berichtet, soll die neue "Remarkable" Alexa-Version im Oktober erscheinen. Nutzer:innen haben die Wahl zwischen der leistungsfähigen Variante auf Claude-Basis, für die zwischen 5 und 10 US-Dollar monatlich anfallen sollen.
Alternativ steht die "Classic"-Version wie gewohnt kostenfrei zur Verfügung. Amazon-Mitarbeiter:innen sollen Zweifel geäußert haben, ob Kund:innen bereit sein werden, für einen zuvor kostenlosen Dienst zu bezahlen.
Die Integration von Claude in die neue Alexa soll natürlichere Konversationen, personalisierte Einkaufstipps, Nachrichtenzusammenfassungen und erweiterte Smart-Home-Funktionen ermöglichen.
Eigenes Modell konnte nicht mit Claude mithalten
Amazon schließt sich damit Unternehmen wie Microsoft an, die mit OpenAI ebenfalls auf externe Anbieter für die Entwicklung großer Sprachmodelle setzen. Das liegt offenbar an der mangelnden Qualität Amazons eigener Fortschritte.
Quellen zufolge lieferten Amazons erste Versuche, seine eigene Software für die überarbeitete Alexa zu verwenden, unbefriedigende Ergebnisse: Die KI hatte Schwierigkeiten, Antworten zu generieren, und benötigte bis zu sieben Sekunden, um Aufforderungen zu erkennen und darauf zu reagieren. Das selbst gesteckte Ziel, mit dem Modell "Olympus" Claude 3 zu übertreffen, hat Amazon offensichtlich nicht erreicht.
Auf welches Anthropic-Modell Amazon bei Alexa genau setzt, ist bisher nicht klar. Vermutlich werden es kleinere Modelle wie Claude 3 Haiku oder Claude 3.5 Sonnet sein, die mit kurzen Reaktionszeiten und niedrigen Betriebskosten punkten.
Bisher ist auch nur von neuer Software die Rede, nicht von neuer Hardware. Es bleibt abzuwarten, ob die "Remarkable" Alexa mit Claude-Integration eine bestimmte Hardware voraussetzt oder auf allen vorhandenen Geräten verfügbar sein wird.
Lokale KI-Verarbeitung von Amazon unwahrscheinlich
Es ist wahrscheinlich, dass Amazon alle Anfragen über die Cloud und daher unabhängig von der Leistung des Endgerätes macht - im Gegensatz zu Google, die lokale Gemini-Sprachmodelle nur auf den neusten Pixel-9-Smartphones ausführen.
Für einen besseren Datenschutz wären in Zukunft Smart Speaker mit integrierter NPU wünschenswert, die genügend Rechenleistung für die lokale Verarbeitung von Anfragen mitbringen. Ein solches Produkt auf den Markt zu bringen, wäre aber zumindest für Amazon eine eher untypische Entscheidung.
Generative KI in einen Sprachassistenten zu packen, ist eine weitreichende Entscheidung. Einer der größten Anwendungsfälle von Alexa dürfte die Steuerung von Smart-Home-Automatisierungen sein - und auf diese müssen sich die Nutzer:innen verlassen können.
Dafür funktionieren bisherige Spracherkennungsalgorithmen, die auf vordefinierte Muster reagieren, gut genug. Ob generative KI hier einen Vorteil bietet oder sich in kritischen Momenten aufgrund von Halluzinationen weigert, das Licht einzuschalten, wird sich zeigen.
Zahlt sich Amazons Milliarden-Investition aus?
Anthropic und Amazon gehen schon seit längerer Zeit gemeinsame Wege. Amazon stellt dem KI-Entwickler dafür hauptsächlich Rechenleistung zur Verfügung und investiert bis zu vier Milliarden US-Dollar. Damit hat sich Amazon unter anderem Zugang zu frühen Technologien von Anthropic erkauft.
Ob und in welchem Umfang Amazon für die Nutzung von Claude in Alexa Gebühren zahlen muss, ist nicht bekannt. OpenAI soll beispielsweise von Apple kein Geld für die Integration von ChatGPT erhalten haben. Die Gegenleistung ist eine hohe Sichtbarkeit im Apple-Kosmos.
Der Deal hat auch die Regulierungsbehörden auf den Plan gerufen: Internationale Wettbewerbsbehörden haben Untersuchungen der Vereinbarung zwischen Amazon und Anthropic und ihrer möglichen Auswirkungen auf den Wettbewerb eingeleitet. Dies gilt auch für andere Kooperationen wie die zwischen Microsoft und OpenAI.