Inhalt
summary Zusammenfassung

Anthropic-CEO Dario Amodei vermutet einen großen Sprung bei KI-Assistenten noch in diesem Jahr und kündigt "Virtual Collaborators" an, die komplexe Aufgaben selbstständig ausführen können.

Anzeige

Anthropic steht wohl vor der Einführung einer neuen Generation von KI-Assistenten. In einem Interview bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos sprach CEO Dario Amodei über "Virtual Collaborators" - virtuelle Mitarbeiter, die deutlich autonomer agieren als bisherige KI-Assistenten. "Stellen Sie sich vor, Sie geben dem System eine Aufgabe, und es arbeitet wie ein virtueller Mensch einen ganzen Tag daran", erklärt Amodei. "Es schreibt Code, testet ihn, erstellt Dokumentationen, kommuniziert mit Kollegen und meldet sich zwischendurch bei Ihnen." Vom Begriff des "KI-Agenten" hält er nicht viel, dieser sei wie andere Begriffe wie AGI oder ASI nicht wirklich definiert.

Versprechen will er aber nichts: "Ich vermute - aber ich verspreche nichts, denn Forschung ist unglaublich unvorhersehbar - dass eine sehr starke Version dieser Fähigkeiten noch in diesem Jahr kommen wird, vielleicht in der ersten Jahreshälfte", sagt Amodei. Anthropics KI-Agent, der auch auf Vorarbeiten wie dem "Computer Use"-Modus basiert, wird wohl mit OpenAIs "Operator" konkurrieren, den das Unternehmen angeblich bald vorstellen will.

Neue Version mit verbessertem Reasoning kommt in wenigen Monaten

Laut Amodei wird Anthropic in den nächsten Monaten auch ein neues Sprachmodell veröffentlichen. Im Gegensatz zu OpenAI mit seinen spezialisierten "Reasoning"-Modellen betrachtet Anthropic Denken und Nachdenken als ein kontinuierliches Spektrum. "Durch verstärktes Reinforcement Learning fängt das Modell an, mehr zu denken und zu reflektieren", sagt Amodei. "Das ist keine völlig neue Methode, sondern eine emergente Eigenschaft des Trainings." Auch Claude 3.5 Sonnet zeige bereits vereinzelt solche Fähigkeiten. Man wolle diese Verbesserungen den Kunden etwas anders zur Verfügung stellen als OpenAI mit o1 und o3. Als Zeitfenster für das neue Modell nennt Amodei weniger als 6 Monate.

Anzeige
Anzeige

Für den bestehenden Chatbot Claude kündigte Amodei mehrere Verbesserungen an: Der Webzugang werde "relativ bald" kommen, eine Speicherfunktion für längere Gespräche sei "sehr wichtig" und in Arbeit. Auch die Geschwindigkeitslimits sollen erhöht werden, sobald neue Rechenzentren mit Amazons Trainium-2-Chips online gehen. Bild- und Videogenerierung werden vorerst nicht integriert, da dies für die meisten Anthropic-Kunden - viele davon Industriekunden - keine große Rolle spiele.

Amodei veränderte seine Einschätzung zur KI-Entwicklung erst vor wenigen Monaten

Amodei zeigte sich im Interview auch überzeugt, dass der Fortschritt im Bereich KI so rasant voranschreitet, wie es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird - und forderte eine ernsthaftere Kommunikation über diese Entwicklungen, um dem Thema die nötige Bedeutung zu verleihen.

Grund für seine Äußerungen sind Veränderung seiner Perspektive auf die KI-Entwicklung: Bis vor sechs Monaten sei er noch unsicher gewesen, ob KI-Systeme besser als Menschen werden könnten. "Diese Unsicherheit ist jetzt stark reduziert", sagt er. "Ich bin relativ zuversichtlich, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren Modelle sehen werden, die am Arbeitsplatz und im Verbraucherbereich eingesetzt werden und allmählich in fast allem besser werden als wir."

Solche Entwicklungen hätten sowohl positive als auch negative Folgen. Kurzfristig, in den nächsten ein bis drei Jahren, sieht Amodei Möglichkeiten für Menschen, sich anzupassen und komplementäre Fähigkeiten zu entwickeln. Langfristig müsse die Gesellschaft jedoch grundlegende Fragen neu verhandeln: "Wenn KI-Systeme besser sind als Menschen in fast allem, müssen wir darüber nachdenken, wie wir unsere Wirtschaft organisieren und wie Menschen Sinn finden."

Der Grund für Amodeis Zuversicht dürfte auch in den Fortschritten des Reasoning liegen. Seine Meinung hat Gewicht: Bevor der heutige CEO Anthropic mitgründete, war er Forscher bei OpenAI und dort auch Mitautor des einflussreichen Papers "Scaling Laws for Neural Language Models". Diese Arbeit war entscheidend für den Ausbau der KI-Infrastruktur und die Skalierung des Trainings von OpenAI, auch wenn Deepmind später mit Chinchilla die optimale Menge an Trainingsdaten nachjustierte.

Empfehlung

Unterstützung hält seine Einschätzung auch vom Konkurrenten OpenAI: Das Start-up kündigte seine Beteiligung am neuen Unternehmen "The Stargate Project" an, das in den nächsten vier Jahren 500 Milliarden US-Dollar in die KI-Infrastruktur pumpen will.

Exportkontrollen gegen China "existenziell wichtig"

Amodei sieht zudem die Exportkontrollen gegen China und die Verhinderung von Chip-Schmuggel als "absolut existenziell" an: "Wir sehen gerade erst den militärischen und nachrichtendienstlichen Wert dieser Modelle", so der Anthropic-CEO. Zudem gäbe es einen Zusammenhang zwischen KI-Sicherheit und technologischem Vorsprung: "Wenn wir keinen Vorsprung haben, geraten wir in einen internationalen Wettbewerb, der uns in ein Dilemma bringt: Wenn wir drei Monate langsamer machen, um die Risiken unserer eigenen Modelle zu minimieren, holt China auf."

Anthropic positioniert sich dabei bewusst überparteilich. "Wir sind ein Policy Actor, kein Political Actor", betont Amodei. Das Unternehmen entwickele Standpunkte zur globalen KI-Landschaft und kommuniziere diese an alle politischen Lager gleichermaßen.

"Wenn unsere Einschätzungen richtig sind, wird das innerhalb der aktuellen Präsidentschaft klar werden", sagt Amodei. "Die Geschichte wird uns recht geben - und zwar ziemlich schnell, innerhalb von ein paar Jahren." Er bezieht sich dabei auf Anthropics Kernthesen: dass KI-Systeme fundamentale wirtschaftliche Veränderungen bringen werden, dass sie erhebliche nationale Sicherheitsrisiken bergen können und dass der technologische Wettlauf mit China existenzielle Bedeutung hat.

Anzeige
Anzeige
Community beitreten
Kommt in die DECODER-Community bei Discord,Reddit, Twitter und Co. - wir freuen uns auf euch!

Abschließend gab Amodei jungen Menschen, die ihre Karriere im KI-Zeitalter beginnen, den Rat, sich intensiv mit den neuen Technologien auseinanderzusetzen und kritische Denkfähigkeiten zu entwickeln, um die zunehmende Informationsflut bewältigen zu können.

Unterstütze unsere unabhängige, frei zugängliche Berichterstattung. Jeder Betrag hilft und sichert unsere Zukunft. Jetzt unterstützen:
Banküberweisung
Zusammenfassung
  • Anthropic-CEO Dario Amodei kündigt "Virtual Collaborators" an, die deutlich autonomer agieren und komplexe Aufgaben selbstständig ausführen können. Ein großer Sprung bei den Fähigkeiten erwartet er noch für dieses Jahr.
  • In den nächsten Monaten will Anthropic auch ein neues Sprachmodell mit verbessertem Reasoning veröffentlichen. Für den Chatbot Claude sind Erweiterungen wie Webzugang, Speicherfunktion für längere Gespräche und höhere Geschwindigkeitslimits geplant.
  • Amodei sieht den rasanten KI-Fortschritt als gesellschaftliche Herausforderung. Er hält Exportkontrollen gegen China für existenziell wichtig, um einen technologischen Vorsprung und damit Spielraum für die Minimierung von KI-Risiken zu behalten.
Max ist leitender Redakteur bei THE DECODER. Als studierter Philosoph beschäftigt er sich mit dem Bewusstsein, KI und der Frage, ob Maschinen wirklich denken können oder nur so tun als ob.
Community beitreten
Kommt in die DECODER-Community bei Discord,Reddit, Twitter und Co. - wir freuen uns auf euch!