Auch im Juli verliert OpenAIs ChatGPT weiter an Besuchern. Ist der große Hype vorbei?
Nachdem die Besucherzahlen von ChatGPT laut der Webanalyse-Plattform SimiliarWeb im Juni ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hatten, gingen sie im Juli weltweit um weitere 11,2 Prozent zurück. In den USA betrug der Rückgang lediglich vier Prozent. Googles Chatbot Bard erreichte im Juli ein Wachstum von rund 34,5 Prozent, was unter anderem mit dem Start in Europa zusammenhängen dürfte.
Insgesamt hat Bard jedoch nur einen Bruchteil der Nutzer von ChatGPT. Allerdings dürfte Google ohnehin kein großes Interesse daran haben, viele Nutzerinnen und Nutzer an Bard zu gewöhnen: Mit der Search Generative Experience strebt der Suchkonzern einen Hybrid aus KI-Content, Chatbot und klassischer Suchmaschine an, der einen sanften Übergang von der alten Netzwelt in eine neue KI-Ökonomie schaffen soll.
Das KI-Suchmaschinen-Startup Perplexity.ai konnte im Juni (10 %) und Juli (11,2 %) zulegen, die Gesamtzahl der Nutzer ist jedoch vergleichsweise gering. Auch Microsofts Bing konnte im Jahresvergleich mit dem Juli 2022 um 5,6 Prozent zulegen, hat aber in der Gesamtbetrachtung des Traffics weiter keine Chance gegen Google - ebenso wenig wie ChatGPT.
Kein Ende des KI-Hypes in Sicht - oder doch?
Wer in dem leichten Rückgang der Nutzung von ChatGPT das Ende des KI-Hypes sieht, könnte sich täuschen: Schülerinnen und Studierende sind eifrige Nutzer, die in den Sommermonaten weniger Zeit mit Hausaufgaben verbringen. Außerdem war das Wachstum von ChatGPT in den letzten Monaten außergewöhnlich, so dass ein leichter Rückgang zu erwarten war.
Zudem arbeiten Google, Deepmind, OpenAI und Co. bereits an Modellen der nächsten Generation, die deutlich mehr und vor allem multimodale Fähigkeiten mitbringen, also neben Text auch Bilder und andere Datentypen verarbeiten sollen. Sollten diese Modelle das versprochene Potenzial erfüllen, könnte die KI-Transformation erst richtig Fahrt aufnehmen.
Wer jedoch eine kritischere Perspektive sucht, findet sie bei dem bekannten Silicon-Valley-Investor Benedict Evans. Er äußerte sich bereits in der Vergangenheit zurückhaltend über das Potenzial großer Sprachmodelle und verglich sie mit einer "unendlichen Anzahl von Praktikanten, die alles für dich schreiben, aber du musst es überprüfen".
Er habe ChatGPT mit GPT-3.5 und GPT-4 in den vergangenen sechs Monaten regelmäßig genutzt und keine nützliche Anwendung gefunden, schreibt Evans jetzt auf Twitter. LLMs seien vielleicht der neue PC, aber er vermisse noch das Word oder Excel der KI.
"Ich will nichts, was mittelmäßige Prosa schreibt, die Fehlerrate bedeutet, dass ich es nicht für Daten verwenden kann, ich brauche nichts, was Code für mich schreibt, und ich habe keinen Anwendungsfall für den Code-Interpreter. Also ... warte ich", schreibt Evans.
These things will be built soon. FWIW, I do think this general observation is true for many people. Now that the core tech is there (and improving all the time), the next step is to make it extremely useful for every single person.
— Logan.GPT (@OfficialLoganK) August 12, 2023
Interessant ist die Antwort von Logan Kilpatrick auf die Ausführungen von Evans. Kilpatrick ist bei OpenAI für die Beziehungen zu den Entwicklern zuständig. Er hält Evans Beobachtung für plausibel, geht aber gleichzeitig davon aus, dass die geforderten nützlichen Anwendungen "bald" gebaut werden.
"Jetzt, wo die Basistechnologie da ist (und sich ständig verbessert), ist der nächste Schritt, sie für jeden extrem nützlich zu machen", schreibt Kilpatrick, der von Berufs wegen wohl ein paar Monate in die KI-Zukunft blicken kann.